Beispiel England: Von der Politisierung der Impfkampagne

Biontech/Pfizer-Impfstoff. Bild: DoD

Politik im Panikmodus: Ohne wissenschaftliche Grundlage können Impfzeit gestreckt oder verschiedene Impfstoffe für die erste und zweite Impfung  verwendet werden.

Gerade in den Ländern, in denen nun Notzulassungen von Corona-Impfstoffen erfolgt sind und mit der Impfkampagne begonnen wurde, steigt der Druck. Es gibt oft Pannen, Impfstoffe sind nicht ausreichend vorhanden, um die Gesundheitssysteme nicht zu überlasten und einen Anstieg der Todeszahlen zu verhindern, traten neue Shutdown-Maßnahmen in Kraft, Konflikte werden auch mit der Priorisierung und möglichen Corona-Impfausweisen aufbrechen. Regierungen agieren teils panisch, wollen Handlungsfähigkeit um jeden Preis beweisen, setzen dabei auf Härte und riskieren trotzdem wachsenden Unmut über wenig begründete oder einseitige Maßnahmen. Die britische Regierung unter Boris Johnson ist ein Paradebeispiel in Europa.

Johnson steht unter erheblichem Druck. Die Infektionszahlen sind, möglicherweise auch durch die sich verbreitende Virus-Variante, in den letzten Tagen v.a. in England und Wales weiter explodiert, die Zahl der Krankenhauseinlieferungen und der Toten steigt, die Krankenhäuser sind überbelegt. In den letzten 7 Tagen ist die Zahl der Covid-Patienten in den Krankenhäusern um 19,7% und in den Intensivstationen um 35%, die Zahl der Toten ist fast um 21% auf täglich über 400 gestiegen (Stand: 4.4.2021). Manche Krankenhäuser müssen den Sauerstoff bereits rationieren und das Personal ist angehalten, Sonderschichten zu arbeiten.

Schon die in schnellem Takt erfolgenden Notzulassungen der Impfstoffe ist geprägt vom politischen Interesse, den Menschen zu versprechen, dass sie schnell aus der Corona-Krise herauskommen, um sie ruhig zu halten. Die Regierung hat sich das Ziel gesetzt, wöchentlich zwei Millionen Menschen zu impfen.

Schnell wurden die Impfrichtlinien verändert

Aber auch in Großbritannien reichen die vorhandenen Impfstoffe bei weitem nicht aus, um der erneuten Pandemiewelle Einhalt zu gebieten. Um wenigsten den Menschen vorzugeben, für ihren Schutz zu sorgen, hat die Regierung in einem Akt der Verzweiflung beschlossen, die notwendige zweite Impfung, die bei Biontech/Pfizer drei und bei Oxford/AstraZeneca vier Wochen später erfolgen sollte, um bis zu 12 Wochen zu verschieben. Damit sollen mehr Menschen die erste Impfung und damit angeblich schon vor Covid-19 durch eine Teilimmunisierung geschützt sein. Gesundheitsminister Jens Spahn findet die englische Idee anscheinend überzeugend und würde das auch gerne in Deutschland praktizieren, nachdem die Kritik gegenüber seiner Impfstrategie lauter wird.

Die britische Gesundheitsbehörde NHS England schrieb an die Verantwortlichen des Gesundheitssystems:

„Prioritising the first doses of vaccine for as many people as possible on the priority list will protect the greatest number of at-risk people overall in the shortest possible time and will have the greatest impact on reducing mortality, severe disease and hospitalisations and in protecting the NHS and equivalent health services. Operationally this will mean that second doses of both vaccines will be administered towards the end of the recommended vaccine dosing schedule of 12 weeks.“

Schnell wurde insgeheim auch noch Weiteres verändert. In den Impfleitlinien (vaccination playbook) heißt es zwar, man empfehle für die zweite Impfung denselben Impfstoff wie für die erste zu verwenden.  Man solle aber, vermutlich zum Sparen, nicht mit einem anderen Impfstoff eine weitere erste Impfung ausführen. Auch wenn es länger als 3 Monate bis zur zweiten Impfung dauert, könne man dies noch machen, ohne einen erneuten Impfgang zu starten.

Ohne wissenschaftliche Erkenntnis dürfen nun verschiedene Impftstoffe bei einer Person verwendet werden

Menschen dürfen nun auch mit einem anderen Impfstoff das zweite Mal geimpft werden, wenn der erste Impfstoff nicht verfügbar oder nicht bekannt ist: „Da beide Impfstoffe auf dem Spike-Protein basieren, ist es wahrscheinlich, dass die zweite Dosis helfen wird, die Reaktion auf die erste Dosis zu verstärken.“

Dafür gibt es weder Daten noch Studien. Die Rede ist von dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer und dem von Oxford/AstraZeneca. Zwar zielen beide Impfstoffe auf das Spikeprotein, aber im ersten Fall wird Boten-RNA verwendet, damit die menschlichen Zellen das Spikeprotein selbst produzieren, das dann eine Immunantwort stimuliert.  Oxford/AstraZeneca verwenden einen im Menschen replikationsunfähigen Adenovirus von Schimpansen als Vektor, um den DNA-Code des Spikeproteins zu den Muskelzellen zu bringen. Aus der DNA wird dort das Spikeprotein gebildet, das die vor Sars-CoV-2 schützende Immunreaktion auslöst. Nach der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC sind die Impfstoffe nicht austauschbar, weder die beiden mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna noch diese mit anderen Impftsoffen wie dem von Oxford/AstraZeneca (Stand 30. Dezember 2020).

Völlig unklar ist auch noch, welchen Schutz die erste Impfung wirklich bietet. In Israel hatte sich nach ersten Impfung der ersten Million Menschen gezeigt, dass 240 Menschen sich dennoch mit Sars-CoV-2 infiziert hatten. Verwiesen wird darauf, dass nach Studien eine Immunität erst nach 8-10 Tagen entsteht, die aber auch nur zu 50 Prozent wirksam ist. Die volle Wirksamkeit von 95 Prozent wird erst eine Woche nach der zweiten Impfung erreicht, aber auch dann gibt es auch keinen 100prozentigen Schutz vor einer Infektion und einer Erkrankung.

Die britische Regierung riskiert, dass die Impfkampagne scheitert, weil den Menschen aus der politischen Not heraus schon nach der ersten Impfung Schutz suggeriert wird, der dann nicht eintritt, während die Geimpften unvorsichtig werden und andere Menschen anstecken können. Und wahllos verschiedene Impstoffe für die erste und zweite Impfung zu verwenden, ohne zu wissen, ob damit der Schutz gewährleistet wird, ist einfach fahrlässig.

 

 

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