Der Preis des Billigfleischs

Diese Woche haben die Bauernorganisationen ihre Treckerblockaden von Aldi-Auslieferungslagern beendet, nachdem sich  auch Aldi gesprächsbereit gezeigt hat, wie zuvor schon Lidl. Gesprochen werden soll nun über Dumpingpreise für Lebensmittel: Die Discounter zahlen für Lebensmittel oft weniger als die Gestehungskosten der Landwirtinnen. Vor allem bei Milch und Fleisch ist das so. Doch was sollte Fleisch eigentlich kosten?

Wieviel für Fleisch an der Supermarktkasse eigentlich bezahlt werden müsste, hat Greenpeace jetzt in einer Studie ausrechnen lassen. Gerechnet wurde bei „Soil and more Impacts“ in Hamburg. Das Beratungsunternehmen in Sachen Nachhaltigkeit im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich ist ein Pionier bei der Berechnung der sogenannten externalisierten Kosten der landwirtschaftlichen Produktion. Was müsste Rindfleisch und Schweinefleisch uns Verbraucherinnen eigentlich kosten, wenn wir die Klimabelastung, den Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastungen mitbezahlen müssten, die bei der Produktion entstehen? Das war die Frage, die Greenpeace den Expertinnen von Soil and more stellte. Die Ergebnisse sind einerseits erwartbar, andererseits in ihrer Deutlichkeit dennoch niederschmetternd.

Schweinefleisch muss das Doppelte kosten

Rindfleisch aus konventioneller Tierhaltung in Deutschland müsste demnach um mehr als die Hälfte teurer sein, genau genommen um 52 Prozent. Schweinefleisch aus konventioneller Haltung müsste doppelt so teuer sein, also mit einem hundertprozentigen Aufschlag versehen werden, wenn die derzeit von den Landwirtinnen zusammen mit dem Fleisch erzeugten Probleme nicht auf andere abgewälzt würden. Zum Vergleich haben die Macherinnen der Studie noch die Umweltkosten von importiertem Fleisch aus Argentinien berechnet. Das müsste im deutschen Supermarkt eigentlich um sagenhafte 372 Prozent aufgeschlagen werden, wenn die mit importierte Umweltzerstörung und Klimabelastung zu Lasten der Portemonnaies der Fleischesserinnen gehen würde.

„Die externen Kosten unserer momentanen Wirtschaftsweise darzustellen ist mehr als nur eine wissenschaftliche Übung“, heißt es in der Studie. „Würden die externen Kosten bei der Preisbildung am Markt berücksichtigt, wären viele konventionell erzeugten Lebensmittel teurer als ökologisch hergestellte Produkte. So wird ein Teil der Kosten unseres heutigen Lebensstils nicht von den Verbraucherinnen getragen und schmälert auch nicht die Gewinne der produzierenden Unternehmerinnen. Dafür kommt die Gemeinschaft auf und trägt die Lasten des unbezahlten Ressourcenverbrauchs oder leidet unter den Folgen von Umweltzerstörung und der Klimakrise.“

konventioneller Rinderstall
Auch ökologisch erzeugtes Rindfleisch müsste laut Studie um die Hälfte teurer verkauft werden, wenn die Umweltbelastung mitbezahlt werden soll. Der Grund: hauptsächlich der Ausstoß des Klimagases Methan aus den Rindermägen. | Foto: Mathias Böckel / Pixaba

Die ökologische Tierhaltung belastet die Umwelt und das Klima geringer, wiederum ein erwartbares Ergebnis. Aber die errechnete Höhe ist dennoch erschreckend. Beim Schweinefleisch fielen nämlich immer noch 23 Prozent Mehrkosten an, wenn wir den wahren Preis bezahlen müssten, und beim Rindfleisch sind es sogar 50 Prozent. Letzteres ist ein erstaunliches Datum, das entweder auf eine hohe Gefahr der Rinderhaltung für Umwelt und Zukunft hinweist, oder schlicht auf eine grundsätzliche Schwäche der ganzen Rechnerei.

Die Studie sagt: „Insgesamt belaufen sich die jährlichen externen Kosten des deutschen Rind- und Schweinefleischkonsums auf 5,908 Mrd. Euro, wobei 73 Prozent auf das Schweinefleisch entfallen. Eine vollständige Umstellung auf eine ökologische Produktion würde die Kosten auf 3,81 Mrd. Euro reduzieren. Dies wäre ausschließlich auf die Schweine­fleischproduktion zurückzuführen. Ökologisch erzeugtes Rindfleisch verursacht wegen des langsameren Wachstums und der dadurch anteilig höheren Methanemissionen je Kilogramm auch etwas höhere externe Kosten als Rindfleisch aus intensiver Tierhaltung.“

Klimakiller Kuh?

Ist das so? Ist es schlecht, wenn Rinder langsamer wachsen, weil sie sich natürlicher ernähren dürfen, nämlich mit Gras und Heu, kein Kraftfutter bekommen, sondern draußen weiden? Ist es schlechter fürs Klima und die Umwelt, wenn Rinder, auch Milchkühe, artgerechter gehalten werden? Natürlich verbrauchen Tiere, die länger leben, mehr Ressourcen und produzieren mehr Treibhausgase. Das gilt übrigens auch für das Säugetier Mensch, das mehr des Treibhausgases Kohlendioxid ausatmet und auch mehr Ressourcen verbraucht, je länger es lebt. Gut, Rinder produzieren in ihrem Verdauungstrakt zusätzlich das hochwirksame Klimagas Methan. Aber das ist auch nach nur zwölf Jahren wieder weg aus der Atmosphäre und es wurde von den Wiederkäuern schon immer produziert. Auch damals nach der Eiszeit, als Abermillionen von Huftieren Europa besiedelten und mit ihrem „Weidegang“ und ihrem Dung für die kommenden Jahrtausende fruchtbar machten. Das war die Voraussetzung dafür, dass wir Menschen überhaupt zu Bäuerinnen werden konnten. Der fruchtbare Boden ist das Produkt von Wiederkäuerscheiße und der Arbeit der Käfer und Regenwürmer und der anderen Bodenorganismen. Und er ist ein riesiger Kohlenstoffspeicher, denn Humus besteht zu sechzig Prozent aus Kohlenstoff. Und Humus ist das, was das Bodenleben aus dem Rinderdung macht.

Kühe auf der Rickensbüler Koog
Was aber, wenn die Rinder im Dienste des Naturschutzes weiden, wie diese Limousin im Rickensbüller Koog, dem nördlichsten Naturschutzgebiet Deutschlands: Sind diese Kühe Klimakiller? | Foto: Florian Schwinn

Es ist ein gravierender Unterschied, ob eine Kuh auf der Weide steht oder im Stall. Auf der Weide erhält sie ein Biotop. Sie regt durch das Abfressen des Grases dessen Wuchs an, sie düngt mit ihrem Kot und Urin den Boden und ernährt das Bodenleben, sie sorgt für natürlichen Humusaufbau. Damit sorgt sie dafür, dass der Kohlenstoff aus dem Klimagas CO2 aus der Atmosphäre genommen und im Boden gespeichert wird. Sie macht das wie vor ihr Milliarden von Wiederkäuern seit der Eiszeit. Und sie macht für uns Menschen Gras zu Lebensmitteln, das wir sonst bestenfalls für die Biogasanlage nutzen könnten. Mehr als ein Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Erdoberfläche sind nun mal Grünland und nicht als Acker nutzbar.

Ende mit mehr!

Ich könnte das jetzt noch weiter ausführen. Das könnte aber so wirken, als spreche ich der Studie von Soil and more die Berechtigung ab. Das ist nicht der Fall. Es gibt nur beim True-Cost-Accounting noch ein paar Probleme, oder sagen wir: Dinge, die sich nicht ökonomisieren lassen. Tier­wohl und Biodiversität gehören auch dazu. Aber, bevor wir immer weiter mit Rechnungen, denen ein paar Variablen fehlen, unsere Zerstörungswut in Zahlen fassen, um sie uns vor Augen zu führen, könnten wir auch anderes tun.

Und was ist, wenn die Kühe die Kulturlandschaft erhalten, wie dieses Braunvieh in den Schweizer Bergen: Wie rechnet man die Ökodienstleistung der Tiere gegen den Methanausstoß? | Foto: Olga Ernst

Wir könnten beispielsweise aufhören, die Rinder per sé schlecht zu rechnen, wenn wir uns darauf verständigen würden, nicht mehr Rinder zu halten, als zurzeit. Wir könnten einfach mal aufhören mit dem ständigen Wachstum. Ende mit mehr und mehr. In der Serengeti gibt es eine ziemlich konstante Zahl von sehr vielen Wiederkäuern. Niemand hat bislang verlangt, sie umzubringen, weil sie das Klima kaputtrülpsen. Wenn wir zu den rund einer Milliarde Hausrindern auf der Welt keine neuen hinzukommen lassen, würden wir das Klima nicht mehr zusätzlich mit Methan belasten. Die aufsteigende Linie der Klimabelastung durch die Rinderhaltung wäre gebrochen. Wir müssten dazu nur aus dem Wachstumsmodus aussteigen. Nur! Und wir müssten nur umsteigen von der sogenannten konventionellen auf biologische oder wenigstens angepasst ökologisierte Landwirtschaft. Nur! Und wir müssten, das zeigt die Studie deutlich, dazu nur aussteigen aus dem Import von Rindfleisch. Nur! Und wir müssten – ja so ist das – das Doppelte zahlen für Fleisch an der Supermarktkasse. Und auch Lidl und Aldi und Rewe müssten den Bäuerinnen das Doppelte zahlen. Und wir müssten generell weniger Fleisch essen, und schon gar kein „konventionell“ produziertes mehr.

Ziemlich utopisch, dieses „nur“.

Wenn Sie das nächste Mal Fleisch kaufen, denken Sie nur mal kurz daran.

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Zur Greenpeace Studie von Soil and more: https://www.greenpeace.de/presse/publikationen/der-teure-preis-des-billigfleischs

Zu Soil and more Impacts: https://www.soilandmore.com/de/

 

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