Katalonien nach den Wahlen noch linker und unabhängiger

Schlangen an Wahllokalen, trotz allem ging die Beteiligung deutlich zurück. Bild: R. Streck

Der rechte spanische Nationalismus stürzt ab und die Unabhängigkeitsbewegung baut ihre Mehrheit aus.

Es war ein spannender Wahlsonntag, der zwei große Sieger zeigte. Den Parteien, die bisher im katalanischen Parlament vertreten waren und für die Unabhängigkeit von Spanien eintreten, ist es erstmals gelungen, mehr als die Hälfte der Wähler mit 51% hinter sich zu bringen. Der Unabhängigkeitsblock konnte, trotz seiner Gespaltenheit, seine Sitzmehrheit ausbauen. Dazu kommt, dass Katalonien nun noch viel deutlicher von linken Kräften dominiert wird. Würde man kleinere Formationen hinzuzählen, die erneut nicht den Sprung ins Parlament geschafft haben, wäre der Vorsprung der Unabhängigkeitsbewegung und der linken Formationen noch klarer.

Der „Wahlsieger“ Salvador Illa ist gleichzeitig auch der große „Wahlverlierer“. Der bisherige Gesundheitsminister der sozialdemokratischen spanischen Regierung, dessen PSC allein gegen alle anderen Parteien den Wahltag auf der dritten Welle der Covid-Pandemie gerichtlich durchgedrückt hat, gewann die Wahlen offiziell mit 23% der Stimmen. Einen „Illa-Effekt“, auf den man in Madrid gesetzt hatte, gab es nur mäßig. Gesorgt hatte die Wahltaktik über das Gericht dafür, dass die Wahlbeteiligung durch Covid-Angst von zuletzt 79 % auf unter 54 % sank, wovon Illa aber kaum profitiert hat. Er gesteht ein, keine Chance zu haben, eine Regierung zu bilden.

Das zeigt sich schon bei der Sitzverteilung. Hier konnte die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) gleichziehen, die knapp 50.000 Stimmen weniger als die PSC erhalten hat. Deren großes Ziel, die Wahlen erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur wieder zu gewinnen, wie es das inhaftierte Führungsmitglied Raül Romeva im Buchkomplizen-Gespräch formuliert hatte, hat die ERC klar verfehlt. Seine Einschätzung, dass die Bewegung über 50% kommt und ihm und den anderen der gewährte Freigang wieder gestrichen wird, bestätigt sich. Man kann es als Rache ansehen, dass das Ministerium für Staatsanwaltschaft nun dagegen Einspruch einlegt, dass die politischen Gefangenen tagsüber das Gefängnis verlassen dürfen.

Laura Borras von JxCat zeigte sich vor der Wahl zuversichtlich. Bild: R. Streck

Die ERC sieht ihre Position im Unabhängigkeitslager gestärkt. Ihr Spitzenkandidat Pere Aragonès meldet eine Führerschaft an und sieht sich schon auf dem Präsidentensessel. „Erstmals nach 80 Jahren wird die ERC die Präsidentschaft übernehmen“, sagte er am Wahlabend. Seine Formation hat einen Sitz mehr als die Formation von Exilpräsident Carles Puigdemont erhalten. Die hat vor allem unter einer Rechtsabspaltung gelitten, die mit PdeCat aber nur auf 2,7% kam. Sie wird deshalb im Parlament nicht mehr vertreten sein. Wären sie erneut gemeinsam angetreten, hätte Gemeinsam für Katalonien (JxCat) mehr Stimmen als die ERC erhalten und fast so viele wie Illas Sozialdemokraten. Nach Sitzen hätte JxCat damit sogar wieder gewonnen, die nun von 34 auf 32 zurückgefallen ist

Es gelang der JxCat-Kandidatin Laura Borràs nicht, Wähler aus dem linken und feministischen Lager hinter sich zu bringen. Die 30-jährige Clara Tur gestand gegenüber Buchkomplizen ein, „nur mit der Klammer auf der Nase“ aus „linker Tradition“ die antikapitalistische CUP gewählt zu haben. Das Programm von Borràs sei deutlich besser gewesen und die CUP habe sich in den letzten Jahren nicht mit Ruhm bekleckert. Ganz ähnlich ging es der pensionierten Lehrerin Roser Pineda, die auch eine Frau auf dem Präsidentenstuhl sehen wollte. Doch der gestandenen Anarchistin fiel es schwer, eine „nützliche Stimme“ für die Frau aus der Oberschicht abzugeben und wählte trotz ihrer Kritik an der CUP diese erneut.

Roser Pineda und Clara Tur. Bild: R. Streck

So konnten die Antikapitalisten, die mit Dolors Sabater auch eine Frau aufgestellt hatten, wie erwartet einen Achtungserfolg mit knapp 7% verbuchen. Die CUP wird neun statt vier Parlamentarier haben und so gestärkt das Zünglein an der Waage zwischen ERC und JxCat sein. Der Partei komme „eine Schlüsselrolle“ zu, erklärte Sabater. „Die Wahlurnen haben uns Kraft gegeben und unsere Einschätzung bestätigt, dass der Kampf für die Unabhängigkeit nicht vom Kampf für soziale und wirtschaftliche Veränderungen getrennt werden kann.“ Auch die CUP, wie die ERC, will die Marke von Podemos in Katalonien ebenfalls in eine breite Mehrheit einbinden. En Comú Podem (Gemeinsam können wir es) hat Stimmen an die CUP verloren und fiel von 7,5 auf 6,8% zurück. Die linke Koalition konnte ihre acht Sitze verteidigen.

Die rechten spanischen Nationalisten mussten massiv Federn lassen

Der „Wahlsieger“ Ciudadanos, der 2017 25 % erhalten hatte, verlor 30 (!) der bisherigen 36 Sitze und kam nur noch auf gut 5,5 %. Da inzwischen allen klargeworden ist, dass es sich dabei um eine ultranationalistische  rechte Partei handelt, die vor Bündnissen mit der ultrarechten VOX  nicht zurückschreckt, ist sie für viele unwählbar geworden. Ein guter Teil der Wähler strömte zur Sozialdemokratie zurück. Der andere Teil zeigt sein wahres Gesicht und wählte die offen faschistoide VOX-Partei, die auf 11 Sitze und knapp 8 % kam.

Die große spanische rechte Volkspartei (PP) stürzte ebenfalls weiter ab und kam nur noch auf knapp 4% und drei Sitze. Kamen Cs und PP 2017 noch auf knapp 30%, sind es nun gemeinsam mit VOX gerade noch auf die Hälfte der bisherigen 40 Sitze. Die Rechte, vor allem die spanisch-nationalistische, hat damit massiv an Kraft in Katalonien verloren.

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