Angeblich alle Zivilisten aus Asovstal evakuiert – und jetzt?

Titel einer Petition, um die Soldaten in Asovstal zu schützen.

 

 

Gestern wurden nach der Vizeministerpräsidentin Iryna Vereschuk alle noch verbliebenen Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder von Soldaten,  aus dem Stahlwerk Asovstal gerettet: „Alle Frauen, Kinder und älteren Menschen wurden aus Asowstal evakuiert. Dieser Teil der humanitären Operation Mariupol wurde abgeschlossen.“ Es handelte sich um 50 Menschen. Damit waren wesentlich weniger Zivilisten in dem Tunnelsystem bei den Soldaten, als man länger angenommen hat – oder auch von mehr als 1000 gesprochen hat, um die Schrecklichkeit der Bombardierung und die Notwendigkeit, mit den Zivilisten auch die Soldaten herauszuholen, zu beschwören. Natürlich beansprucht die ukrainische Regierung den Erfolg für sich, was umgekehrt auch die russische Seite macht, die genauer von 51 Zivilisten spricht (18 Männer, 22 Frauen, 11 Kinder).

Allerdings ist den Soldaten von Russland ihr Leben und eine faire Behandlung sowie die Versorgung der Verwundeten garantiert worden – allerdings mit der Einschränkung, dass Asow-Kämpfer nicht als normale Kriegsgefangene betrachtet werden. Sollten sie Verbrechen begangen haben, würden sie bestraft werden. Da die Asow-Kämpfer, vor allem die ausländischen, als Nazis gelten, dürften sie angesichts der Wut der Denazifizierung nicht damit rechnen können, einen fairen Prozess zu erhalten oder auch wirklich anständig behandelt zu werden. Zudem vermutet man in Russland, angebloich bestätigt von Aussagen von Asow-Kämpfern, dass in Asovstal ausländische Offiziere sein könnten. Die will man natürlich abfangen, um damit politisch zu punkten.

Nach Angaben von Asow wurde am Freitag ein LKW, so zumindest nach dem veröffentlichten  Foto zu vermuten, von russischen Truppen während des Waffenstillstands beschossen. Das sollte angeblich Zivilisten abholen. Dabei sei 1 Soldat getötet, 6 seien verletzt worden, mittlerweile wird von drei Toten gesprochen. Von russischer Seite wird hingegen behauptet, was auch wahrscheinlich ist, dass während des Waffenstillstands ukrainischen Soldaten versuchten, Stellungen in dem Gelände wieder einzunehmen und Eingänge in das Tunnelsystem zu verminen. Einige sollen auch versucht haben auszubrechen, was angeblich nicht gelungen ist.

Asow wehrt sich womöglich dagegen, dass sie versucht hätten sich zu ergeben, weil sie weiße Fahnen benutzten. Das hätten sie nur gemacht, um die Zivilisten zu evakuieren. Beiden Seiten hätten diese Zeichen benutzt. Offenbar haben sie Angst, dass der Anschein erweckt werden könnte, sie würden schwach werden. Das russische Militär behauptet allerdings, es seien keine weiße Fahnen gezeigt worden. Das soll vermutlich belegen, dass der beschossene LKW ohne weiße Flaggen unterwegs war. Nur die Beteiligten wissen, wie es war.

Allerdings veröffentlichte Asow auch ein Video von einem Verletzten, um auf die missliche Lage der Verwundeten hinzuweisen, die nicht ausreichend behandelt werden könnten. Appelle wurden an den ukrainischen Präsidenten und andere Regierungen gerichtet, neben den Zivilisten auch die Soldaten und Verwundeten zu evakuieren – aber nicht nach Russland oder in die DNR, sondern in ukrainisch kontrolliertes Gebiet und noch lieber in einen Drittstaat, anscheinend vertraut man der Regierung in Kiew nicht, von der man sich verraten fühlt, weil sie sich nur diplomatisch um Evakuierung bemüht, aber nicht militärisch. Geäußert wurde, dass eine Befreiung durchaus auch militärisch möglich sein sollte.

Weiterhin demonstriert Asow, das wohl nicht mehr länger wegen Mitwirkung des Internationalen Roten Kreuzes und der Vereinten Nationen die Zivilisten zurückhalten konnte, ohne den von Russland geäußerten Verdacht zu bestätigen, sie als Geiseln zum eigenen Schutz festzuhalten. Verbreitet wird, um weiter Druck auf die Befreiung der Kämpfer und Verwundeten auszuüben, ein Video, das die Heroen feiert: „Wenn die Welt ‚unzerstörbar‘ sagt, spricht sie von ukrainischen Soldaten in #Mariupol. Zwei Monate in der Blockade – aber sie halten durch. Echte Helden aus Stahl!“ Oder vom Stratcom Centre UA:“Sie könnten die Helden eines Films werden. Aber sie sind die Helden unserer Realität. Sie sind auch MENSCHEN. Menschen, die überleben wollen. Und die immer wieder für ihre Werte kämpfen: Freiheit und Ehre. Es ist die Pflicht der Welt, die Verteidiger von #Mariupol zu retten.“ – Gründer des Asowschen Regiments.“

Die „Verteidiger von Mariupol“ bekämpfen das „Böse des 21. Jahrhunderts“, heißt es in dem Video mit dem Titel „Schützt die Verteidiger von Mariupol“. Sie seien eingekesselt, aber unzerbrechbar. Sie könnten die Helden eines Fantasy-Films werden, seien „Helden der harten Wirklichkeit“. Aber sie seien auch normale Menschen, die überleben wollen. Sie würden für Werte, für die Freiheit, für die Ehre, für die Würde kämpfen: „Die Welt braucht sie lebendig, weil sie es sind, die das Licht in der  Welt halten.“

Für die Soldaten in Asovstal wurde auch eine Petition an die Vereinten Nationen eingerichtet, die aber mittlerweile nicht mehr zutreffend argumentiert, wenn nach Bekunden von Kiew mittlerweile alle Zivilisten evakuiert wurden: „Trotz der unmenschlichen Bedingungen kontrolliert das ukrainische Militär das Gebiet der Anlage Azovstal, die insbesondere als Schutzraum für Zivilisten und Verwundete dient. Diese Bedingungen sind eine echte humanitäre Katastrophe, die von der Russischen Föderation künstlich geschaffen wurde. In der Stadt herrscht ein erheblicher Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten, Hygieneartikeln und persönlicher Schutzausrüstung. Aufgrund der völligen Zerstörung der Infrastruktur und der Wohnungen existiert die Stadt Mariupol nicht mehr. Jetzt läuft die Zeit ab, die Besatzer sind teilweise in das Gebiet des Azovstal-Werks eingedrungen, jede Minute Verzögerung könnte all jenen, die auf dem Gelände des Werks Zuflucht gefunden haben, enorme Verluste bescheren.“ Unterzeichnet wurde sie von mehr als 400.000 Personen.

Die Lage für die Soldaten und Kämpfer, die in Asovstal sich verschanzt haben, wird mit dem Abzug der Zivilisten fatal. Vermutlich werden die russischen Truppen versuchen, sie zu vernichten oder zum Aufgeben zu zwingen, zumal die Feiern zum 9. Mai anstehen. Jetzt muss auch weniger Rücksicht genommen werden. Sergey Volina, der Kommandant der 36. Marinebrigade, der schon immer andere Töne angeschlagen hat als Asow. Er erklärte, er wünsche, dass „diese höllische Reality-Show“ ein Ende finde und sie gerettet würden.

Selenskij versprach, nach der Rettung von 300 Zivilisten aus Asovstal eine „zweite Phase“ einzuleiten, um die Verwundeten und Ärzte zu retten. Die Lage sei komplex, man versuche eine diplomatische Lösung: „Natürlich arbeiten wir auch daran, unser Militär zu evakuieren. Alle Helden, die Mariupol verteidigen. Das ist extrem schwierig. Aber es ist wichtig. Ich bin sicher, dass jeder versteht, was die Ursache für diese Komplikation ist und wo die Ursache liegt. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf. Wir geben nicht auf. Jeden Tag suchen wir nach einer diplomatischen Option, die funktionieren kann.“ Das zeigt eher die Hilflosigkeit in Kiew auf. Selenskij hatte schon einmal angeboten, dass die „Verteidiger“ aufgeben könnten, was aber zurückgewiesen wurde. Als oberster Befehlshaber könnte er dies erklären, traut es sich aber nicht.

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8 Kommentare

  1. Diese kitschig, widerliche Kombination aus Marvel-Comics und Himmlers Hirngeburten! Und wieso muss die „ganze Welt“ sich für Asow einsetzen? Größenwahn in Gloriole? Ehrlich gesagt: Man sollte die „Keller-Nazis“ ans Licht der Realität holen – und ja, auch eine „faire Behandlung“, dürfte nicht unbedingt zur Grundbedingung für diese Helden werden. Jetzt einfach unbarmherzige Realitäten schaffen. Mit einem – wie würde die verklausulierende Regierung sagen – „robustem Mandat.“

  2. Putin hat nur den Strategielehrsatz von SUN TZU ganz klug angewendet, der da lautet:
    „Wenn du einen Feind eingekreist hast, biete ihm einen Fluchtweg.“
    Kiew befindet sich in einer Zwickmühle, denn Putin kann den Inhalt des Kessels nun nach seinem Willen entleeren und politisch selektiv filtern.

  3. Ja, „was nun“? Den Asow-Nazis sollte im Falle einer Kapitulation ein faires Verfahren zuteil werden, und um Asow hier mehr Sicherheit für die Einhaltung zu gewährleisten, sollte Russland vielleicht eine unabhängige Partei mit hinzu holen. Vielleicht die Türkei? Der scheint Asow ja zu trauen, da sie dorthin ausgeliefert werden wollen.

    Die Heldenverehrung, die der Westen bei Asow betreibt, nimmt schon fast religiöse Züge an, und wird nicht ohne Wirkung bleiben, zumal unter jungen Leuten, die nach zwei Jahren Lockdown Lücken im Geschichtsunterricht angesammelt haben dürften. Dieser Propaganda-Feldzug dürfte sein Vorbild in der „national-patriotischen Bildung“ haben, für die nicht zuletzt die Neo-Nazi-Organisation C14 öffentliche Gelder für die Entwicklung von Online-Kursen kassiert hatte:

    Ukrainian neo-Nazi C14, known for racist and homophobic attacks, gets public funding for ‘patriotic education’
    14.06.2018, Halya Coynash
    https://khpg.org/en/1528928862

  4. Schon öfters besprochen, die Soldaten könnten sich doch von einer dritten Macht befreien lassen. Die Russen könnten fordern, falls es andere als ukrainische Soldaten gibt. So müssen alles Staaten zustimmen, dass die dem internationalen Gericht überstellt werden und sich dem Urteil beugen. Die Nationalitäten werden bekannt gegeben. Sollten Engländer dabei sein, hätte ich nichts gegen einen Tausch mit Assange. In Russland wäre er sicher.

  5. Der Wahnsinn mit den Asow-Natis geht seinem Ende entgegen. Natürlich müssen Verbrecher bestraft werden und die NATO-Offiziere würde ich öffentlich befragen.
    Der Entnazifizierung einen Schritt näher, gratuliere. In Deutschland nie vollständig erfolgt, im Gegenteil.

  6. „Und die immer wieder für ihre Werte kämpfen: Freiheit und Ehre.“
    Klingt irgendwie bekannt. „Unsere Ehre ist die Treue“ und so……

    Aber wehe, man stellt sie irgendwo auch nur in die Nähe von Nazis – schon wird man gesperrt und gecancelt.

    Denächst im Geschichtsunterricht: Wie ihre großen Vorbilder starben die Azovhelden in Erfüllung von „Ukraine’s national purpose“, als da wäre (Zitat Biletzky) “ to lead the white races of the world in a final crusade … against Semite-led Untermenschen“.

    Gerade marschiert eine Pro-Ukraine-Anti-Russland-Demo unter meinem Fenster vorbei. Da ist eine neue Jugend herangewachsen, die bereits voll auf Kurs für Barbarossa 2.0 ist.
    Paßt! Schließlich ist 8.Mai und den seinerzeitigen werden wir den Russkis nie verzeihen!

    Fast würde man sich wünschen, Putin ließe morgen Öl-, Gas- und Kohleexporte in die gesamte EU verbieten., damit den Möchtegern-Embargoverhängern endlich mal die Klappe gestopft wird. (Nein, nicht wirklich, aber denken darf man es doch wenigstens).

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