AfD will mit Biedermeier-Politik verunsicherte Wähler locken

Aus einem Werbevideo der AfD

Die rechte Partei will nicht die Mitte vertreten, sondern die angeblich Normalen und deren ängstliches Sicherheitsbestreben. Statt Blick nach vorne, Aufbruch oder Angehen akuter Probleme wird nostalgisch der Grabenkampf propagiert.

 

Die AfD geht weiter nach rechts und feiert das Völkisch-Nationalistische, was als normal ausgegeben wird. Normal will sich auch die in sich zerstrittene Partei gaben. Ein seltsamer Begriff für ein Wahlprogramm, das eigentlich in die Zukunft schauen soll. Die Corona-Pandemie mit ihren staatlichen Einschränkungen und Ausnahmezuständen soll aber nun ein Werben mit Normalität attraktiv machen – in einer Corona-Resolution wurde denn auch „ein Weg zurück in die Normalität“ durch sofortige Beendigung des „staatlich verordneten Lockdowns“ beschlossen .

Normal sei das, was uns fehlt, wird in einem Werbevideo gesagt. Die Welt sei verrückt geworden, deswegen würden die Menschen merken, dass „normal etwas ganz Besonderes“ geworden sei. Man kümmere sich nicht um die Gender-Sternchen, sondern um die „normalsten Dinge der Welt“, wird in einem zweiten Video mit dramatischen Klängen als Alleinstellungsmerkmal verkündet. Man kümmere sich um die „echten Probleme der normalen Menschen“. Migranten, die sich integrieren und wegen der „deutschen Leitkultur“ gekommen sind, scheinen willkommen zu sein. Wer Freiheit liebt, ist natürlich gegen eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit, was offenbar ein echtes Problem der normalen AfD-Menschen ist, ebenso wie der Schutz des „motorisierten Individualverkehrs“ und die deutsche Automobilindustrie, die „Leitindustrie“ bleiben soll. Propagiert wird neben Sicherheit als Leitbegriff auch die Forderung „Wohlstand für Alle“ im nichtgerade  mehr taufrischen Sinne Ludwig Erhards, freilich ohne anzudeuten, wie dies erreicht werden soll. Das ist keine freie Fahrt nach vorne, sondern es geht im Rückwärtsgang in die eigene Garage.

 

Die AfD will also das Gewöhnliche, das Banale, den Alltag heiligen: „normal ist schön“. Das erinnert zwar an Marcel Duchamps Ready-mades, aber mit umgekehrter Geste. Normal sei, so die AfD, aufzustehen und in die Arbeit zu gehen. Aber dann kommt schon gleich das, was normal gemacht werden soll: Heimat, gesicherte Grenzen, saubere Straßen ohne Kriminalität, freie Fahrt für freie Bürger und Deutschland. Die AfD will eine „normale Zukunft“. Der Leitspruch: „Deutschland. Aber normal“ ist wenig begeisternd, eine Stimmung, die man am besten kleinbürgerlich und miefig nennen könnte. Normal ist auch normiert, da soll nichts „Verrücktes“ passieren, deswegen muss man sich auch einbunkern an den Grenzen des normalen Deutschlands, aus der EU austreten und wieder die D-Mark einführen sowie die Wehrfähigkeit und die Wehrpflicht wiederherstellen.

Dazu passt, dass jeder Wohneigentümer werden soll, man schließt sich in seiner vermeintlichen Idylle ein, die Sicherheit bieten soll und Mobilität verhindert – natürlich mit einer normalen Familie: „Die AfD bekennt sich zur Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern. Familie bedeutet Sicherheit, Obhut, Heimat, Liebe und Glück.“ Ausländern soll der Erwerb von Immobilien erschwert werden. Die neue Gemütlichkeit stört auch die Klimaerwärmung nicht, sie hat die Erde schließlich ergrünen lassen und geschichtlich hätten Warmzeiten „zu einer Blüte des Lebens und der Kulturen“ geführt. Daher soll auch weiter Kohle genutzt werden, beim 5G-Netzausbau müsse aber erst eine gesundheitliche Unbedenklichkeit erwiesen sein.

Im Vordergrund steht die Sicherheit, auch die innere. An erster Stelle steht die Ausländerkriminalität, die durch Abschiebung und Zurücknahme der Einbürgerung bekämpft werden soll. Angst herrscht auch vor Jugendlichen. Die sollen hart rangenommen werden, indem das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre herabgesetzt werden soll. Überwachungskameras mit Gesichtserkennung sollen den öffentlichen Raum schützen.

Die „deutsche Leitkultur“ gespenstert weiter umher, während Kulturrelativismus und Multikulturalismus weiter des Teufels sind. Das sagt eigentlich nicht mehr, als man unter sich bleiben will, wobei das „Sich“ höchst unklar ist. Die deutsche Sprache soll das Zentrum der deutschen Identität sein. Die kann jeder lernen, was dann aber nicht gegen Kulturrelativismus und Multikulturalismus schützt. Auf jeden Fall soll nach den Kultur-, Identitäts- und Heimatschützern die Sprache normal sein. Es heißt zwar: „Sprache darf kein Spielball ideologischer Interessen sein“, was sich gegen eine „Verunstaltung“ durch eine „gendergerechte Sprache“ richtet. Ideologisch ist aber auch, dass die „Nationalsprache“ sich nicht entwickeln und verändern soll, sondern – in welcher Form – erhalten bleiben soll.

Wenn die staatliche Kunstförderung nicht die „politische Willensbildung“ beeinflussen soll, wäre zu fragen, welche Kunst dann nicht mehr gefördert werden darf. Was die AfD fördern will, ist dann wirklich das Ende der Kunst: „Brauchtum  wirkt  identitätsstiftend  und  gemeinschaftsbildend.  Deshalb  wollen  wir  unser  Brauchtum und unsere Mundarten pflegen, wozu lokale Kulturvereine einen wichtigen Beitrag leisten.“ Nicht verwunderlich ist, dass der 82-jährige Heino von der AfD verteidigt wird: „Heino verteidigt deutsches Liedgut gegen politisch korrekte Sabotage!“

Wichtig ist den Nationalisten selbstverständlich, dass die „Höhepunkte“ der deutschen Geschichte mehr gewürdigt werden. Man muss sich die Heimat schon schön machen, um sich zurückziehen zu können. Wenn das nicht die „zunehmend aggressiven Versuche einer ideologisch  geprägten,  moralisierenden  Umdeutung  der  Geschichte“ wären,  „die  sich  an  der  Schleifung  von Denkmälern und Umbenennung von Straßen festmacht. Ein Volk ohne Nationalbewusstsein kann auf die Dauer nicht bestehen.“ Ein Staat braucht allerdings kein „Volk“, das immer gleich bleibt, das ist die deutsche Bevölkerung schon längst nicht mehr, als Nationalstaat ist Deutschland sowieso nicht alt. In Viel- oder Mehrvölkerländern funktioniert die Identität von Volk und Staat sowieso nicht.

Mit Kritik tut sich die nach Sicherheit und Einschluss strebende AfD naturgemäß schwer. Es soll alles beim Alten bleiben, sonst droht der Untergang, auch das Selbstverständnis der propagierten kulturellen Identität darf nicht in Frage gestellt werden: „Die  Debatte  um  eine  angeblich  notwendige  ‚Dekolonisierung‘  unserer  Kultur,  die  mit  einer  Verteufelung des ‚weißen Mannes‘ einhergeht, stellt das Selbstverständnis unserer kulturellen Identität insgesamt infrage. Die AfD stellt sich als einzige politische Kraft dieser Demontage unserer  historisch-kulturellen  Identität  entgegen.  Wir  sind  gegen  eine  pauschale  Rückgabe  von Sammlungsgütern.“ Das ist nicht zuletzt deswegen nett, weil offenbar die „Sammlungsgüter“, die Deutsche von anderen Völkern geraubt haben, nun zur historisch-kulturellen Identität des deutschen Volkes gerechnet werden.

Dazu siehe auch: „Mit Buße und schlechtem Gewissen beweist man, zu den moralisch Guten zu gehören“

Klar, die AfD ärgert der öffentlich-rechtliche Rundfunk, ein Hauptbestandteil der „Lügenpresse“ mit dem „Meinungskartell“ durch die „linke Dominanz  im  öffentlich-rechtlichen  Rundfunk  und  privaten  Mainstream-Medien“. Da will man also mithalten mit Teilen des Volks und diesen unter dem Motto „Meinungsfreiheit statt Tugendterror“ demontieren, Cancel Culture darf auch nicht fehlen, Faktenprüfer sind nicht erwünscht, was man bei der AfD nachvollziehen kann. Man scheint sich da auf private Medien verlassen zu wollen, die Meinungsfreiheit angeblich besser schützen, fragt sich nur, wie das mit den privaten Mainstream-Medien aus dem Meinungskartell gehen soll. Das Internet soll jedenfalls Ort der freien Meinungsäußerung bleiben, man will sich also auf die globalen Internetkonzerne verlassen, die sich aber jüngst auch dem „Meinungskartell“ in den USA angeschlossen haben. Das passt zwar nicht mit dem gepflegten Nationalismus und der Medienkritik zusammen, aber ist ja egal und der ganz normale Wahnsinn.

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