EU stellt sich gegen Russland auf

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Moskau nennt es eine „Barbarei“, angeblich die katalanische Unabhängigkeitsbewegung unterstützt zu haben, positioniert sich real sogar klar dagegen, doch auf Basis von diffusen Behauptungen will nun auch das Europaparlament angebliche Verstrickungen ermitteln.

Die Handschrift des umstrittenen EU-Außenbeauftragten Josep Borrell ist klar zu erkennen, der Russland schon vor seiner Ernennung einen „alten Feind“ genannt hat. Seinen Diskurs führt Borrell in den EU-Gremien fort. So hatte der spanische Sozialdemokrat zum Beispiel im März im „Sonderausschuss zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der EU“ (Inge) erklärt, man müsse sich „gegen Russland“ stellen. Das kommt zwar im Protokoll der Sitzung nicht vor, darin steht aber über die „Aussprache“ des „Vizepräsidenten der Kommission/Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik“ ohnehin kein Wort.

Vom Inhalt wurde nichts protokolliert. Es existieren aber Aufnahmen von der Sitzung zum Thema: „Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation.“ Der Spanier macht in dem Ausschuss aus seiner feindseligen Haltung gegen Russland keinen Hehl. Borrell erklärte, die EU müsse „gegen Russland“ vorgehen. „Man muss Russland aufhalten“, ihm gegenüber das „Gelände abstecken“ und erklären: „Bis hierhin und nicht weiter.“ Borrell ist schon klar, welche Sprache er da bedient. Er gibt zu, dass das nach „Kalten Krieg“ klingt, aber die EU müsse ihr „Narrativ verbreiten“.

So ist es eigentlich nicht mehr verwunderlich, wenn dessen Sozialdemokraten im Europaparlament einen Änderungsantrag zu einem Antrag der rechten Volksparteien eingebracht haben, der auf die Beziehungen zu Russland zielte. Darin haben die Sozialdemokraten gefordert, die angeblichen Verstrickungen Russlands zum Unabhängigkeitsprozess in Katalonien zu untersuchen. Dass davon immer wieder fabuliert wurde, ist bekannt.

Russland hatte auf neue absurde Vorwürfe vor einem Jahr, im Rahmen einer neuen spanischen Repressionswelle gegen Katalanen, noch mit Witz regiert, das Land habe die Bewegung mit 10.000 Soldaten unterstützen wollen. Mit dem Namen „Operation Volhov“ (Wolchow) trat die paramilitärische Guardia Civil zudem tief ins Fettnäpfchen, denn man bezog sich auf eine Schlacht der faschistischen deutschen Truppen in Russland, an der spanischen Unterstützer der „Blauen Division“ beteiligt waren.

Dass das Europaparlament sich schließlich auch noch dazu breitschlagen ließ, wie zur politisch motivierten Aberkennung der Immunität des katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont und zwei seiner Mitstreiter, nun diese absurde Vorwürfe untersuchen zu wollen, hat zu scharfen Reaktionen aus Russland geführt. Marija Wladimirowna Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, sprach von einer „Barbarei“, dass das Parlament eine „Entschließung ohne Rücksicht auf die Position der russischen Regierung annimmt, unabhängig von der Position der offiziellen Strukturen und Sicherheitsbehörden des Landes“, zitiert Europapress die Sprecherin.

Dürftige Quellenlage

Auch die spanische Nachrichtenagentur weist darauf hin, dass man sich allein auf einen Artikel in der New York Times bezog, der für die Sprecherin des russischen Außenministeriums „Fake“  ist. Tatsächlich bezogen sich die Autoren Michael Schwirtz und José Bautista nur auf angebliche Geheimdienstakten, die aber auch nur „darauf hindeuten“ sollen, dass ein „führender katalanischer Separatist Russland um Hilfe“ gebeten habe. Eigentlich sagt das zu den Vorwürfen schon alles, worauf auch Europapress hingewiesen hatte, dass sogar das spanische Sondergericht „Audiencia Nacional“ in Madrid Ermittlungen in diese Richtung längst eingestellt hat. Der Nationale Gerichtshof war zu dem Ergebnis gekommen, dass es nicht einmal „minimale Indizien“ für eine russische Einmischung in katalanische Unabhängigkeitsbestrebungen gab.

Und nun, diesmal auf europäischer Ebene, beginnt man mit Ermittlungen gegen Russland allein auf Basis eines dubiosen Zeitungsartikels, der keinerlei Quellen liefert und selbst nur davon spricht, dass Akten eines nicht genannten Geheimdienstes darauf hindeuten könnten. Die russische Botschaft in Spanien hatte solche Berichte längst dementiert, die ausgehend vom Artikel in der New York Times in der Spanien erschienen sind, unter anderem in der großen Tageszeitung El Mundo. So ließ sich der Botschaftsrat Dimitry Sokolov in dieser Zeitung interviewen, um die Vorgänge gerade zu rücken. Er wies darauf hin, dass „Journalisten die Wahrheit berichten müssen“.

„Die Informationen, auf die Sie sich beziehen, sind gelogen“, sagte Sokolov dem Interviewer. Man habe es mit einer „Erfindung“ zu tun. Allgemein, so erklärte der Botschaftsrat, seien viele Informationen falsch, die in Spanien über Russland veröffentlicht werden. Er stellte noch einmal klar, dass Russland alles andere tue, als die katalanische Unabhängigkeit voranzutreiben, denn es tritt „für die territoriale Integrität Spaniens ein“. Wie die EU spricht auch Russland von „internen Problemen des Landes“, die nach seinen Gesetzen gelöst werden sollten. Sokolov fragt den Interviewer auch, wo Puigdemont sei. Er gibt selber die Antwort: „Er ist nicht in Russland, sondern in Belgien.“ Und es seien Mitglieder des britischen und des französischen Parlaments gewesen, die sich hinter die Unabhängigkeitsbestrebungen gestellt hätten und Gerichte in Deutschland und Belgien, die die spanische Justiz kritisiert und Exilanten nicht ausgeliefert haben.

Es wird gleichzeitig gegen die Feinde in Katalonien und Russland vorgegangen

Auch auf Basis von Vorwürfen, die weder Hand noch Fuß haben, hat das Europaparlament der EU-Kommission und seinem Außenbeauftragten Borrell empfohlen, die politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland neu auszurichten. Für Borrell ist das die ideale Vermischung, gleichzeitig gegen die Feinde in Katalonien und Russland vorgehen und sie noch dazu in einen Topf werfen zu können. Seine Handschrift ist in der Entschließung deutlich sichtbar, die mit 494 Ja-Stimmen, 103 Nein-Stimmen und 72 Enthaltungen beschlossen wurde. Darin wird von „regelmäßigen Kontakten zwischen russischen Amtsträgern, einschließlich Mitgliedern des Föderalen Dienstes für Sicherheit, und Vertretern einer Gruppe katalanischer Sezessionisten in Spanien“ gesprochen, für die niemand Belege vorgelegt hat, die aber „eingehend untersucht werden müssen“, da sich „dies als weiteres Beispiel dafür erweisen könnte, dass Russland sich in den Mitgliedstaaten einmischt und ständig Versuche unternimmt“, die der Destabilisierung der EU im Innern Vorschub leisten könne.

Empfohlen wird: „Die EU sollte gemeinsam mit der NATO und internationalen Partnern abschreckend auf Russland einwirken, um den Frieden und die Stabilität in Europa und darüber hinaus aufrechtzuerhalten, auch durch die Stärkung der eigenen Verteidigungskapazitäten und indem sie Druck auf die russischen Staatsorgane ausübt, sich nicht in der östlichen und südlichen Nachbarschaft der Union einzumischen.“

Interessant ist, dass beim Vorgehen gegen den „Feind“ Russland angestrebt wird, „den Grundsatz der Einstimmigkeit in außenpolitischen Angelegenheiten“ aufzuheben. Ausgebaut werden sollen auch die „Kapazitäten für die strategische Vorausschau und strategische Maßnahmen“, die „EU sollte außerdem ihre Funktion als globaler Akteur wie auch die Kapazitäten der EU-Organe stärken, damit Russland die sogenannte Bilateralisierung der Beziehungen mit der EU nicht fortsetzen kann.“ Brüssel solle die „einzige Hauptstadt sein, wo Entscheidungen über die Beziehungen zwischen der EU und Russland getroffen werden“.

Die Entschließungen, die insgesamt die Handschrift des kalten Kriegers Borrells tragen, haben eine starke militärische Stoßrichtung. Die EU und insbesondere die Mitgliedstaaten sollten „ihre im Rahmen der EU und der NATO eingegangenen Verpflichtungen zur kollektiven Verteidigung einhalten“. Russland wird eine „antiwestliche Stoßrichtung“ in der Außenpolitik vorgeworfen. „Formell verankert ist und die grundlegende und systemische Unvereinbarkeit der soziopolitischen Systeme Russlands und des Westens.“

Die EU müsse auch die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste der Mitgliedstaaten verstärken, „um feindselige Handlungen Russlands systematisch offenzulegen, Russland für diese feindseligen Handlungen verantwortlich zu machen und Russland derentwegen in Misskredit zu bringen sowie insbesondere russische Spezialkräfte wirksamer daran zu hindern, Terroranschläge auf dem Gebiet der EU durchzuführen, und sie muss weiterhin zusammen mit ihren strategischen Partnern an neuen Maßnahmen arbeiten, um den vom Kreml finanzierten Terrorismus zu bekämpfen.“

Es ist auch schon fast amüsant, dass Russland vorgeworfen wird, dass „Menschenrechtsverstöße immer noch weit verbreitet sind“, als werde nicht das Spanien von Borrell immer wieder vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Folter, Misshandlungen und Verstößen gegen die Meinungsfreiheit verurteilt oder das Land wegen der politischen Gefangenen und sogar von Biden-Administration in den USA oder vom Europarat  an den Pranger gestellt wird.

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2 Kommentare

  1. „Und nun, diesmal auf europäischer Ebene, beginnt man mit Ermittlungen gegen Russland allein auf Basis eines dubiosen Zeitungsartikels, der keinerlei Quellen liefert und selbst nur davon spricht, dass Akten eines nicht genannten Geheimdienstes darauf hindeuten könnten.“

    Skripal, Novitschok oder Ukraine, Polen, USA, GB oder Röttgen, Reichelt oder dreckige „Moleküle des Friedens“ vs NordStream2″… Wie lange soll dieses Ping-Pong über Bande noch andauern? Bis ENDLICH die eurasische Platte eingenommen ist?

    Über Jahrzehnte hinweg ist nur eines zu beobachten:
    die auf ALLEN Ebenen agierende Aggressivität des Westens. Der manische Drang nach Osten.
    Hallo, weiter im Osten von Wladiwostok liegt die Westküste Kaliforniens. Falls ihr bitte dort eure Tourette austoben könntet. 🙂

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