Polnische Regierung: „Polen macht alles, um das Böse aufzuhalten, das Europa bedroht“

Propagandafilm der polnischen Regierung.

Der Grenzkonflikt, bei dem es um 5000 Migranten geht, wird immer mehr zur Farce, Polen spielt sich als Retter des Westens auf – und hat noch Erfolg damit.

 

Der durch vermutlich manipulierte Wahlen im letzten Jahr wieder an die Macht gekommene weißrussische Präsident Aleksandr Lukashenko, der die darauf folgenden Proteste brutal unterdrückte, demonstrierte jetzt seine angebliche Sorge für die Migranten als fürsorglicher Landesvater, der selbst mit dem Problem nichts zu tun haben will. Er besuchte am Freitag das Logistikzentrum, das für 2000 Migranten und Geflüchtete, darunter 300-400 Kinder, als provisorische Unterkunft eingerichtet wurde, und erklärte, dass weitere 2000 oder 3000 aus dem Nahen Osten Geflüchtete sich noch im Land aufhalten würden. Das wären dann 5000 Menschen, gegen die alleine Polen 15.000 Soldaten aufgeboten hat, um in Wiederholung der ungarischen Position 2015 Europa vor den Flüchtlingen zu verteidigen.

Man werde alles für sie tun, was sie wollen. Sie seien durch „westliche Propaganda“ angelockt worden, um bessere Lebensbedingungen als in ihrer Heimat zu finden. Man könne ihnen aber nicht helfen, nach Deutschland zu kommen, meinte Lukaschenko: „Sie verstehen, dass wir keinen Krieg beginnen können, um für Sie einen Korridor durch Polen nach Deutschland freizumachen. Sie sehen, wie sie reagiert haben, als ihr euch ihnen genähert habt. Sie haben euch mit giftigen Chemikalien, Blendgranaten, Tränengas und so weiter übergossen. Wären Sie näher an die Grenze gekommen, hätten sie angefangen zu schießen. Die Menschen auf der anderen Seite sind verrückt geworden.“

Flüchtlinge in der Behelfsunterkunft beim Besuch von Lukaschenko. Propagandabild der staatlichen Nachrichtenegantur Belta

Das ist zweifellos Propaganda, zumal dann auch noch Berichte gebracht werden, in denen sich Flüchtlinge für die Hilfe bedanken, aber so kann man die Situation auch sehen. Allerdings hat Weißrussland am 4. Oktober das am 1. Juli 2020 in Kraft getretene Abkommen mit der EU aufgekündigt, Flüchtlinge, die aus Weißrussland kommen, wieder zurückzunehmen.

Medial versucht Lukaschenko in die Offensive zu gehen. Während in Polen das Grenzgebiet auch für Journalisten und Hilfsorganisationen gesperrt ist, können Journalisten in Weißrussland in das Grenzgebiet reisen und berichten. Die staatliche Nachrichtenagentur wird überschwemmt von Fotos von Migranten und Geflüchteten, meist zu sehen: Kinder, und von der Hilfe, die ihnen von weißrussischer Seite gewährt wird.

Lukaschenko betont, dass Weißrussland niemanden abschieben wird. Merkel habe ihn gebeten, die Migranten zurückzuschicken. Jetzt sagt er, Weißrussland habe seine Verpflichtungen eingehalten. Es seien bereits 1000 Migranten nach Irak zurückgeflogen, 400 weitere würden warten. Er wirft der EU Untätigkeit und Unwillen vor, etwas zur Lösung beizutragen, stattdessen werde der Konflikt von Polen geschürt.

Lukaschenko gibt sich sorgender Landesvater. Propagandabild der staatlichen Nachrichtenagentur Belta

Polen und Litauen haben die Migranten aus dem Nahen Osten in Weißrussland, die für viel Geld und erst einmal visafrei in das Land einreisen konnten und dann an die EU-Grenze gebracht wurden oder weitergereist sind, um nach Deutschland oder andere EU-Länder zu gelangen, als Teil eines „hybriden Kriegs“ bezeichnet. Migranten oder Geflüchtete wurden so zu Waffen, zu einer Art Armee im Dienste von Lukaschenko, der damit die EU angreifen wollte. Auch Politiker wie EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen übernehmen die Kriegsmetapher, um zu versuchen, nicht über Flüchtlings- und Migrationspolitik sprechen zu müssen: „Belarus führt einen hybriden Angriff gegen die EU. Er richtet sich gegen die EU als Ganzes.“

Welche Absicht auch dahinter gestanden haben mag, die Festung EU ist wegen ein paar Tausend Menschen in Panik und einen Verteidigungsmodus mit Militär, Stacheldraht und Mauerplänen versetzt worden – wobei Polen und Litauen haben Migranten und Geflüchteten selbst zu Mitteln im eigenen Informationskrieg gemacht haben. Großbritannien und Frankreich liegen gegenwärtig auch im Streit wegen der Migranten, die über den Ärmelkanal nach Großbritannien wollen. 27 Migranten sind ertrunken. Frankreich wirft Großbritannien vor, nicht scharf genug gegen Schleusernetzwerke vorzugehen und zu dulden, dass „irreguläre Arbeiter“ zu geringen Löhnen angestellt werden, Großbritannien fordert gemeinsame Patrouillen in Frankreich und Rücknahme der Flüchtlinge.

Noch ist von einem hybriden Krieg hier nicht die Rede. Wie in Polen oder Litauen können Migranten nur einen Asylantrag stellen, wenn sie bereits im Land sind. In diesem Jahr haben bereits mehr als 25.000 Migranten den Ärmelkanal überquert, 2018 waren es um die 1800. Über 21.000 wurden vorübergehend inhaftiert, über 13.000 wurde Asyl oder Schutz gewährt, es gab 37.000 Asylanträge, 18 Prozent mehr als 2020 und auch mehr als 2015/2016 während der „Flüchtlingskrise“. Auch an diesen Zahlen alleine lässt sich erkennen, dass der Grenz- und Migrantenkonflikt zwischen Weißrussland und Polen, Litauen und Lettland aufgebauscht und für einen Konflikt instrumentalisiert wird, der wenig mit den wirklichen Problemen mit der Migration zu tun hat.

Das wird mittlerweile auch in den USA so gesehen. In einem aktuellen Beitrag in Foreign Policy heißt es, es komme der PiS-Regierung ganz gelegen, im Zentrum eines „geoplitischen Showdowns“ zwischen Weißrussland und der EU zustehen. Man habe sich immer schon als Opfer von Brüssel, Berlin und Russland dargestellt, in der Konfrontation mit einem äußeren Feind konnte man jetzt das Image aufpolieren, das während der Flüchtlingskrise 2015/2016 und mit den „Justizreformen“ gelitten und Polen zum Pariah gemacht hat. Jetzt erfreue sich das Land internationaler Solidarität.

Propagandafilm der polnischen Regierung.

Das zeigte sich gerade in Großbritannien, wo sich Regierungschef Mateusz Morawiecki Rückendeckung  von Boris Johnson holte und dabei schwer in die Tasten griff: „Wir haben es mit einem Versuch zu tun, das bestehende geopolitische System zu untergraben, das uns Frieden und Stabilität bietet.“ Morawiecki ist gerade auf Rundtour, um Solidarität einzufordern. Das kommt auch an. Zum Besuch der baltischen Staaten schrieb er: „Europa ist mit neuen Bedrohungen konfrontiert. Migrationskrise, Cyberangriffe und Gaspreismanipulation sind nur Beispiele für den hybriden Krieg, der von Minsk und Moskau geführt wird. PL, LT, LV und EE stehen an der vordersten Front dieses Angriffs. Wir bleiben geeint und solidarisch. Dies ist der einzige Weg für Europa.“

Das ist plump und dick aufgetragen, aber es funktioniert im transatlantischen Bund: „Wir verteidigen die Außengrenze der EU“ (Morawiecki), wohl gemerkt gegen ein paar tausend Flüchtlinge, für deren Schicksal man weder in Weißrussland noch im Irak eine Lösung anbietet.

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2 Kommentare

  1. „Der durch vermutlich manipulierte Wahlen im letzten Jahr wieder an die Macht gekommene ukrainische Präsident Aleksandr Lukashenko“ stimmt so leider nicht. Der amtierende Präsident der Ukraine ist Wolodymyr Selenskij.

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