Nach der Pandemie: On the road again

Bild: Alex Rotlex/Pixy.org

In den USA ist seit Mitte Februar die Mobilität größer als vor der Pandemie, die Lockdown-müden Menschen fliehen aus der Enge ins Weite und in die Abwechslung, abgelöst von den Zwängen der Arbeit

Wissenschaftler am Maryland Transportation Institute der University of Maryland haben in den USA einen interessanten Trend ausgemacht, wie die Washington Post berichtet. Sie haben die Bewegungsprofile der Smartphones über Monate ausgewertet und dabei die Zahl der täglichen Fahrten pro Person berücksichtigt, die sich weiter als eine Meile von ihrer Wohnung weg bewegt haben.

Bekannt ist, dass der tägliche Verkehr in Corona-Zeiten teils erheblich, bedingt durch Lockdowns, zurückgegangen ist, im Frühjahr 2020 nahm die Mobilität sogar bis zu 90 Prozent ab. Schon ab Mitte April war sie wieder erheblich angestiegen. In den Innenstädten sind 2020 die Fahrten durchschnittlich um 44 Prozent zurückgegangen.

Seit Sommer bis vor kurzem hatten sich in den USA die täglichen Fahrten über eine Meile auf 90 Prozent derjenigen vor der Pandemie eingependelt. Normalität war noch nicht erreicht, die Mobilität hatte wieder erheblich trotz anhaltender Gefährdungslage zugenommen, wobei Corona-Maßnahmen  von den einzelnen Bundesstaaten sehr unterschiedlich geregelt wurde. Auch international wurde im Sommer wieder mehr gefahren, in Deutschland oder Spanien  mehr als in der Zeit vor der Pandemie, ab Herbst fiel die Mobilität dann mit der zweiten Welle meist wieder unter 100 Prozent, während sie in den USA in etwa konstant blieb.

 

Doch ab Mitte Februar  nach Amtsantritt von Joe Biden und der einsetzenden Massenimpfung, die ein Ende der Pandemie versprach, verloren die Amerikaner offenbar noch die bislang anhaltende Zurückhaltung. Seitdem übertraf die Zahl der täglichen Fahrten regelmäßig die Werte der Vor-Pandemie-Zeit. Seit der ersten Märzwoche wurden jeden Tag bis zu 13,6 Prozent mehr Fahrten gemacht als am selben Tag vor einem Jahr, bis die Lockdowns begannen.

 

Die Fahrten haben auch zugenommen, obgleich weiter mehr als 20 Prozent der Menschen im Homeoffice arbeiten. Das Plus verdankt sich also nicht dem Pendeln zur Arbeit, sondern nicht mit der Arbeit verbundenen Zwecken wie Einkaufen, wahrscheinlich auch Besuchen und Ausflügen aus den Städten hinaus. Es könnte sich um „Quarantänemüdigkeit“ handeln. Man wiegt sich wieder sicherer und will nun den eigenen vier Wänden entfließen, weil man zu lange gewissermaßen eingesperrt war und den Alltag neu mit Homeoffice, Homeschooling und der dadurch entstehenden räumlichen und sozialen Enge organisieren musste. Der Rückzug ins Private wurde trotz der digitalen Anbindung an die Welt und die Mitmenschen zur Last, man will einfach raus, unterwegs sein, on the road again, das Weite suchen,sich an anderen Orten bewegen, Eintauchen in Menschenmengen, flanieren und spazieren, Geselligkeit erleben, um dann wieder sich in die Räume der Wohnung vorübergehend zurückziehen zu können.

 

Nach den Bewegungsprofilen scheint ein Überhang des Begehrens vorhanden zu sein, die lange Zeit der Einschränkungen muss kompensiert werden, was auch Teil der vielbeschworenen neuen Normalität sein kann. Möglicherweise ist das auch Vorschein darauf, was geschehen wird, wenn die Reisebeschränkungen wieder fallen, zwar werden Geschäftsreisen eingespart werden, aber Urlaubs- und Vergnügungsreisen könnten trotz aller Klimaschutzbemühungen boomen, weil man es lange genug bei und mit sich selbst sowie in der Wohnung und der Nahumgebung aushalten musste.

 

Inrix-Daten würden zwar davon ausgehen, dass die Mobilität weiter bei 90 Prozent gegenüber der Zeit vor der Pandemie liegt, aber sie würden nicht LKW-Fahrer und Menschen einschließen, die im Nahverkehr oder mit dem Fahrrad, dem Flugzeug oder zu Fuß unterwegs sind. Möglicherweise müssen nun auch Menschen mehr fahren, die von Großstädten in kleinere Städte oder auf das Land gezogen sind. Ob dieser Trend wirklich etwas bislang ausgemacht hat, muss sich erst noch zeigen. Aber man kann erwarten, dass die Tendenz zum Homeoffice mehr Menschen dazu bewegen wird, aus den teuren Großstädten auszuziehen, um sich woanders anzusiedeln, weil die Nähe zum Arbeitsplatz dann kein Grund mehr ist, in den Stadt zu wohnen.

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Ein Kommentar

  1. Danke Danke Danke für diesen Artikel und den Recherchen. Ich habe es „geahnt“ „gewußt“ gedacht: der „moderne Mensch“ läßt sich in seinem Bewegungsdrang nicht bremsen. Sicherlich ahnt noch keiner, wohin die Bewegungen gehen, wozu sie betrieben werden, wer oder was sie initiiert. Wichtig scheint ihm die Bewegung zur Bewegung, der reinen Bewegung, dem Trudeln zwischen A und B. Am nächsten Stammtisch kann er von endlosen Kilometern berichten. Von den ausufernden Bewegungen im modernen „Freien“. Kommt er dabei in einen Stau: äußerlich ärgert das , aber innerlich genießt er die schleichende Bewegung und den stummen Kontakt zu seinen Bewegungsgenossen. Der ruhige, unauffällige Blick in die umhüllenden Gehäuse der Anderen. Ein´ Gespräch muss er kaum befürchten, wenn lediglich Zeichen die aufputschen. Ansonsten bewegt er sich still vor sich her und genießt die geführte Freiheit auf breiten, mehrspurigen Straßen bei denen er die freie Wahl der Spur hat- bis einer seinen Anspruch gegen ihn geltend machen möchte.
    Dann nimmt er je nach Tageslaune gerne den Weg zu nächsten Spur oder lässt es auf einen sportlichen Kampf zweier Spurberechtigter ankommen. Solche Bewegungen sind eben nichts für Anfänger. Ansonsten stehen die Sehenswürdigkeiten stumm am Straßenrand Spalier. Kurze Blicke reichen und lassen in ihm das Gefühl wachsen, in der Bewegung viel zu erleben. Schnell hat er die Tage im HomeOfficce hinter sich gelassen. Die Gedanken, etwas ganz anderes nach Corona zu machen, einen neuen Lebensstil anzugehen – diesen Gedanken wischt er -ganz Weltbewegungsbürger- lässig als Träumerei eines Gefangenen, als Not-Lüge beiseite. Diese Bewegung in die untergehende Sonne, unter funkelnden Sternen ein unvergleichlicher Lebensstil dem so leicht keiner die Alternative reichen kann. Lässig wirft er das Garagentor hinter sich ins Schloss und verabschiedet sich von seinem Bewegungsfreund – bis Morgen! Dann geht zum Shoppen bis zum Abwinken. Müde sinkt er in seinen Sessel, zunächst zufrieden mit der Tagesbewegung. Nur zaghaft meldet sich die Frage nach dem Sinn vom Ganzen -aber bevor er das vertieft hat der Spielfilm schon begonnen: ein ganz bewegender.

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