Nawalny muss ins Straflager

Julia Nawalnaja hat sich für die russische Ausgabe des Lifestyle-Magazins „Harper’s Bazaar“ in der Rubrik „Helden“ fotografieren lassen und ein Interview gegeben.

Russische Regierung fordert den Europäischen Gerichtshof auf, die Entscheidung über die sofortige Freilassung zu überdenken. Nawalny gibt sich plötzlich fromm und will Russland nur glücklich sehen.

Alexei Nawalny war im ersten Prozess von Richter Vera Akimova zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er die Bewährungsauflagen für das Roche-Urteil nicht eingehalten habe. Seine Anwälte hatten Berufung eingelegt, was das Gericht abwies und die Haftstrafe noch einmal um 1,5 Monate verkürzte. Schon vor der Vergiftung habe er sich nicht bei FSIN gemeldet, auch nicht nach der Genesung, die Charité-Ärzte bescheinigt hatten. Nawalny sprach etwas wirr über die Bibel, Gott, die Erlösung oder Harry Potter und darüber, dass es wichtig sei, dass Russland glücklich werde.

 

Im anschließenden Prozess wurde er zu einer Geldstrafe in Höhe von 850.000 Rubel (9500 Euro) wegen der Beleidigung eines Zweiten-Weltkriegs-Veteranen verurteilt, den er Verräter und Speichellecker genannt hatte. Er hätte, so die Staatsanwältin, die Verurteilung durch eine Entschuldigung vermeiden können. Seine Anwältin Olga Mikhailova will auch dagegen Berufung einlegen. Nach einer Gesetzesreform, die Ende 2020 in Kraft trat, hätte dies auch mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden können. Nawalny bezeichnete den Veteranen, der in einem Video für die Verfassungsreformen eintrat, die es u.a. erlauben, dass Putin noch bis 2036 im Amt blieben könnte, als Puppe.

Aber damit könnte dies nicht zu Ende sein. Die Richterin Vera Akimova, die Nawalny u.a.  „Obersturmbannführerin“ nannte und ihr drohte, sie aus dem Gerichtssaal entfernen zu lassen,  hat die Unterlagen des Prozesses an den Untersuchungsausschuss geschickt, um prüfen zu lassen, ob Nawalny das Gericht während des Prozesses beleidigt hat. Das kann mit 200.000 Rubel oder einer Inhaftierung von bis zu 6 Monaten bestraft werden.

Und da spielte auch noch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (ECHR) herein, der letzte Woche in einer einstweiligen Maßnahme verlangt hatte, Nawalny sofort auf freien Fuß zu setzen, weil Gefahr für sein Leben bestehe. Die russische Regierung betrachtete dies als unzulässigen Eingriff in die Souveränität des Landes. Die kaum begründete Entscheidung kam auch im Zusammenhang mit der politischen Forderung nach Freilassung des Oppositionspolitikers. Jetzt hat sich das Justizministerium direkt an den ECHR gewandt und in einer Anfrage gefordert, die Entscheidung zu überprüfen.

 

Hingewiesen wird auf formelle Ungereimtheiten und auf fehlende Begründung. Zudem sei nicht auf die Darstellung der russischen Behörden eingegangen bzw. diese widerlegt worden, dass Nawalny sicher inhaftiert sei. Russland hatte erklärte, er sei in einer  gut bewachten Einrichtung untergebracht, die Zelle befinde sich unter Video-Überwachung, er habe Zugang zu elektronischer Kommunikation, könne telefonieren und sei von seinen Anwälten wiederholt besucht worden.  Nawalny habe erwidert, die Vorkehrungen würden seine Sicherheit und Gesundheit nicht garantieren.

Der Gerichtshof stützte sich auf die Aussage Nawalnys und erklärt, es habe „die Art und das Ausmaß der Gefahr für das Leben der Klägerin, die prima facie nachgewiesen wurde … im Lichte der Gesamtumstände der derzeitigen Inhaftierung des Antragstellers“ berücksichtigt. Das Justizministerium sagt, Nawalny habe sich selbst nicht über die Haftbedingungen beschwert. Das Gericht habe keine Beweise für eine Verletzung der Rechte des Angeklagten vorgelegt.

Die tagesschau befleißigt sich wieder einmal in einer sehr einseitigen Darstellung. Sie sieht Nawalny, wie dieser immer wieder selbst behauptet, persönlich verfolgt von Putin zu sein, und zitiert nur den „regierungskritischen Politologe Leonid Gosmann“, der spekuliert, dass Nawalny nie mehr frei kommen würde, solange Putin an der Macht ist. Der Spiegel sieht einen neuen Nawalny, einen, der sich „christlich-fromm“ gibt, was eigentlich Kritiker bestätigt, dass er populistisch agiert und politisch kein Programm besitzt.

Die Haftbedingungen von Nawalny scheinen deutlich besser zu sein, als die von Julian Assange, der in  Isolationshaft im britischen Hochsicherheitsgefängnis sitzt und wegen der Veröffentlichung von Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten an die USA wegen Spionage ausgeliefert werden kann. Der doppelte Maßstab des Westens ist schon grotesk. Nawalny erhielt wegen Beleidigung eine Geldstrafe, der spanische Rapper Pablo Hasél wurde zu neun Monaten Haft verurteilt, weil er den spanischen König beleidigt haben soll, der vor Strafverfolgung wegen Korruption und Geldwäsche aus Spanien geflohen ist.

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