Putin zu Migrationskrise: „Wir haben absolut nichts damit zu tun“

Wladimir Putin im Interview mit dem staatlichen Sender Rossiya, wo ihm keine kritischen Nachfragen drohen. Bild: Kreml/CC BY-SA-4.0

Putin sieht die Ursache der Flüchtlingskrise in Belarus im Westen, weiß von kaum etwas, hat Mitleid mit den Migranten und sagt, die EU und Deutschland müssten Kontakt mit Lukaschenko aufnehmen.

Vor kurzem noch hatte Wladimir Putin die Bitte von Angela Merkel zurückgewiesen, in der Belarus-Flüchtlingskrise auf den weißrussischen Präsidenten Lukaschenko einzuwirken. Putin meinte, der Westen solle sich doch direkt an Lukaschenko wenden. Das wird bislang nicht gemacht, um Lukaschenko nicht als offiziellen Regierungschef anerkennen zu müssen. Russland stellte sich hinter Lukaschenko, wies die Beschuldigung zurück, Weißrussland würde Flüchtlinge zur Waffe machen, kritisierte die Behandlung von diesen durch Polen und Verlegung von Truppen an die Grenze, führte gemeinsame Übungen mit weißrussischem Militär durch und ließ auch strategische Bomber über Belarus an der polnischen Grenze fliegen – ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Lukaschenko könnte es aber mit Drohungen übertrieben haben. Er drohte an, den Gastransport durch Belarus nach Europa zu blockieren, was Russland überhaupt nicht passte. Schließlich meinte er, dass er nuklear aufrüstbare Iskander-Raketen an der West- und Südgrenze, also zu Polen und der Ukraine, mit einer Reichweite von 500 km bräuchte.

In einem Interview mit dem staatlichen Sender Rossiya betonte Putin, der natürlich nicht kritisch hinterfragt wurde, dass Russland mit der ganzen Situation nichts zu tun habe. Er habe über das Flüchtlingsthema mit Lukaschenko nicht gesprochen, sondern dies aus den Medien erfahren. Aber inzwischen zweimal telefonisch mit Lukaschenko gesprochen. Strategische Bomber, die sowieso das Problem nicht lösen könnten, würden regelmäßig fliegen, ebenso gebe es regelmäßig gemeinsame Militärübungen. Über die angedrohte Gasblockade habe Lukaschenko mit ihm nicht gesprochen, er höre davon das erste Mal, was man wohl kaum glauben mag. Er könne das wahrscheinlich machen, aber das wäre nicht gut und würde die Verträge verletzen. Putin verweist auf die Ukraine, die den Gasfluss an die Europäer 2008 auch schon mal blockiert hatte, weil es Streit über Verträge und Preise gab. Er hoffe, dass Belarus das Gas nicht blockiert, aber es sei mit Sanktionen belegt und neue seien angedroht worden, aber das würde nicht „zur Entwicklung unserer Beziehungen mit Belarus als Transitland beitragen“.

Während die Nachrichtenagentur berichtete, Putin habe gesagt, Russland würde alles tun, was es könne, um die Krise zu lösen, ist in dem vom Kreml veröffentlichten Transkript nichts davon zu lesen. Er legt wieder nahe, dass dich die EU und vor allem Deutschland direkt mit Lukaschenko in Verbindung setzen müssten, zumal die meisten Flüchtlinge nach Deutschland wollten. Er habe den Eindruck aus den Gesprächen mit Merkel und Lukaschenko, dass sie zu Gesprächen bereit seien. Wichtig ist ihm weiterhin, dass Russland überhaupt mit der Flüchtlingskrise an der polnisch-weißrussischen Grenze zu tun hat.

Auch Belarus habe die Migrationskrise nicht verursacht, sondern der Westen aus ökonomischen, politischen und militärischen Gründen. Wegen des Irakkriegs würden jetzt viele Kurden aus dem Irak udnn wegen des Afghanistankriegs viele Afghanen fliehen. Die Flüchtlinge würden verschiedene Routen nehmen, aber es sei nicht überraschend, dass sie durch Belarus kommen, weil Minsk, wie ihm Lukaschenko berichtet habe, mit den Herkunftsländern visafreie Abkommen geschlossen habe. Es sind allerdings auch viele Syrer unter den Migranten an der Grenze – und Russland, das die Assad-Regierung stützt und seit 2015 militärisch in Syrien interveniert, hat zumindest auch seinen Anteil an dem syrischen Migrationsproblem, wovon Putin, der sich als Unschuldslamm gibt und ganz wenig weiß und nur als Zuschauer auftritt, aber lieber nicht spricht.

Dass es die Migranten nach Europa zieht, sei verständlich wegen der „sehr hohen“ sozialen Unterstützungsleistungen dort: „Warum sollten sie unter turbulenten Bedingungen arbeiten, wenn die grundlegenden Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten werden, wenn sie mit ihren Familien in Ruhe leben können und doppelt oder dreimal so viel bekommen? Denn diese Leistungen umfassen sowohl Erwachsene als auch Kinder, kostenlose Bildung und in der Regel auch kostenlose medizinische Versorgung. Ich möchte noch einmal betonen, dass dies die Politik der führenden Nationen Europas ist.“ Implizit heißt dies, dass die entsprechenden Länder wie Deutschland selbst schuld sind und Russland eben solche Bedingungen nicht anbietet.

Was die humanitären Fragen angeht, kritisiert er zurecht die EU-Länder und weist auf deren Scheinheiligkeit hin: „Wenn polnische Grenzsoldaten und Armeeangehörige an der weißrussisch-polnischen Grenze potenzielle Migranten verprügeln und mit Schusswaffen über ihre Köpfe hinweg feuern, nachts Sirenen und Scheinwerfer auf ihre Lager richten, in denen sich Kinder und Frauen in den letzten Wochen der Schwangerschaft befinden, dann passt das alles nicht zu den Ideen des Humanismus, die angeblich der gesamten Politik unserer westlichen Nachbarn zugrunde liegen.“

Man müsse aber die Probleme lösen wie Rückführung, Unterbringung, Lager etc., aber das müsse in direkten Kontakten zwischen Belarus und den europäischen Ländern geschehen, weil ja Russland damit „absolut nichts“ zu tun hat.  Die Migranten würden Charterflüge nehmen und mit der Visafreiheit Tickets kaufen. Es gebe Gruppen, die die Migranten nach Europa bringen, aber die gebe schon lange. Prinzipiell würden die Migranten keine Gesetze verletzen. Menschen, die in einem Land leben, würden in ein anderes trotz Sicherheitsbedenken reisen. Wenn Gesetze verletzt würden, müssten sich die Sicherheitsorgane darum kümmern.

Es fällt auf, dass humanitäre Hilfe für die Migranten für Putin nur als Argument gegen den Westen erwähnt wird, aber er bietet weder russische Hilfe an, noch fordert er sie vom Westen. Natürlich habe er Mitleid, vor allem mit den Kindern: „Ja, die Menschen erwecken natürlich Sympathie. Ich spreche nicht über die Ursachen oder das, was dort geschieht. Die Menschen tun mir natürlich leid.“ Aber das war es auch schon.

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Ein Kommentar

  1. Ich verstehe nicht weshalb die Frage der Flüchtlinge so Moralisch behandelt wird. „Aber das war es auch schon.“ Da wäre es doch besser zu sagen was Putin denn machen soll.
    Es ist doch sehr deutlich das hier ein Narrativ geschaffen werden soll das später Handlungen zulässt und sie als notwendig erscheinen lassen.
    Swetlana Tichanowskaja ist kein Nawalny, da müssen andere Mittel eingesetzt werden. Zumindest muss Putin auch sein Fett abbekommen. Der spielt nicht mit, der sagt wir, Russland, haben damit nichts zu tun. Das stimmt.
    Es wäre doch zu schön er würde was tun, dann könnte die Welt sehen das die „Diktatoren“ zusammen passen. Ein schönes Bild?
    Jetzt wird Frau Merkel kritisiert das sie mit Alexander Lukaschenko gesprochen hat. Das Schwert der Sanktionen ist Stumpf, das durchbohrt Lukaschenko nicht. Nicht einmal das was Sanktionen erreichen soll, das Volk aufbringen wird nicht erreicht, eher das Gegenteil.
    Warum bezahlt Frau Merkel Lukaschenko nicht wie Erdogan?
    Aber so besonders ist das alles nicht. Wenn ich lese wie mit Leuten umgesprungen wird die über das Coronaimpfen diskutieren wollen, meine ich in Russland bin so wie es die FAZ beschreibt.
    Es bleibt immer bei denen kleben, die am wenigsten dafür können.

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