Ukrainische Flüchtlinge in Dänemark: Willkommen mit Untiefen

Ukrainische Flüchtlinge an der polnischen Grenze. Bild: mvs.gov.ua

 

Eigentlich wollte die dänische Regierung keine Asylsuchenden mehr aufnehmen, jetzt bringen die ukrainische Flüchtlinge die Migrationspolitik durcheinander.

 

„So kurz wie möglich“ soll den Ukrainern der Weg in den Arbeitsmarkt gemacht werden, meinte der dänische Arbeitsminister Peter Hummelgaard Anfang dieser Woche.

Dänemark, bekannt für seine rigorose Ausländerpolitik, will angesichts des Kriegs in der Ukraine Milde walten und den Amtsschimmel auch mal im Stall lassen. Doch so einfach ist dies nicht und Hummelgaard blieb Konkretes bislang schuldig.

Bis zu 30.000 Bewohner der Ukraine, hauptsächlich Frauen und Kinder, haben bereits das skandinavische Land erreicht, insgesamt rechnet Kopenhagen mit 100.000 Menschen aus der Ukraine.  Allerdings wiesen die dänischen Behörden an den Grenzübergängen mit Deutschland hunderte ab, wenn diese nicht die entsprechenden Papiere dabei oder einen Asylantrag falsch ausgefüllt hatten. Der Antrag muss selbst dann gestellt werden, wenn die Ukrainer Dänemark allein als Transitland Richtung Schweden oder Norwegen nutzen wollen.

Ursprünglich wollte das sozialdemokratisch regierte Dänemark gar keine Asylsuchenden mehr aufnehmen und hat per Gesetz beschlossen, Asylzentren an Drittstaaten auszulagern.  Nun besteht das Problem darin, die Flüchtlinge aus der Ukraine möglichst reibungslos zu versorgen, während jedoch Gesetze für Reibung sorgen, die eben gerade zur Abschreckung von Einwanderung geschaffen worden sind.

Die Regierungschefin Mette Frederiksen erklärt die Aufnahme der Ukrainer damit, dass sich der Konflikt näher an den Grenzen Dänemarks befinde, weswegen ihr Land eine größere Verantwortung trage. Gleichzeitig beschwichtigte sie, dass die Menschen sich nicht zu integrieren brauchen, da sie bald wieder in ihr Heimatland zurückkehren würden. Darum hat etwa Jakob Næsager, der Kinderbeauftragte der Stadt Kopenhagen, kritisiert, dass manche Schulen der Hauptstadt den ukrainischen Kindern Dänisch beibringen.

Widersprüchlichkeiten der dänischen Sozialpolitik. Vermutlich soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass die Ukrainer doch bleiben wollten. Während die Kinder nicht Dänisch lernen sollen, müssen es die Frauen jedoch, allein um arbeiten zu können.

Um den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, verabschiedete das dänische Parlament am 16. März ein Sondergesetz für ukrainische Staatsbürger, das zwei Jahre andauern soll, mit Verlängerungsmöglichkeit. Es stellt sicher, dass ukrainische Flüchtlinge nicht das normale Asylsystem durchlaufen müssen und mit der Arbeit beginnen können, sobald sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

Doch genau dies dauert in Dänemark – und zwar viele Wochen. Gerade etwas mehr als tausend Ukrainer haben die Aufenthaltsbewilligung bekommen, nicht einmal ein Prozent. Die Behörden überprüfen die Antragssteller sorgfältig, es werden etwa Rücksprachen mit Interpol zur Personalie gehalten.

Die dänische Handelskammer besteht auf einem Schnellverfahren, es gebe mehrere tausend Jobs vor allem in der Gastronomie und im Tourismus, die Arbeitgeber gerne den Ukrainerinnen anböten. Viele Unternehmen hätten sich bereits über die langsam arbeitenden Behörden beschwert.

Allerdings ist die Unterkunft der Ukrainerinnen angesichts des knappen Wohnungsmarkts problematisch, auch muss eine Kinderbetreuung organisiert werden. Es kann durchaus sein, dass auf Zelte und Sporthallen ausgewichen werden müsse. Die Bereitschaft von Familien, Ukrainer aufzunehmen, ist in Dänemark im Gegensatz zu Polen, weniger ausgeprägt.

Und schon mit dem seit Mitte März eingeführten Gesetz hat die Regierung ein Problem – arabische und linke Gruppen protestierten etwa am Wochenende in Kopenhagen gegen die Vorzugsbehandlung der Ukrainer und sahen „Rassismus“ am Werk. Sie fordern ein Asylverfahren, das für alle gleich sei.

Zumindest ist auffällig, dass besonders bürgerliche Politiker einen anderen Blick auf die Flüchtlinge auf die Ukraine haben und die Aufnahmepolitik der Sozialdemokraten begrüßen.  Die Ukraine sei ein „europäisches Land, das unsere Werte teilt“, beteuert etwa Marcus Knuth, der außenpolitische Sprecher der oppositionellen Partei „Venstre“, welche bis Sommer 2019 regierten. Gleichzeitig spricht er sich gegen die Aufnahme von Syrern und Afghanen aus.

Inger Stöjberg, die ehemalige Integrationsministerin, die jede neue Strafverschärfung auf ihrer Webseite feierte, nannte die Ukrainer „echte Kriegsflüchtlinge“ im Gegensatz zu „Bequemlichkeitsflüchtlingen“ aus den arabischen Ländern. Die Politikerin verbüßt aktuell eine 60-tägige Gefängnisstrafe wegen Verfehlung im Amt, sie hat die Trennung von Paaren aus Syrien verfügt, wenn die Frau minderjährig war.

Finanzieren will die sozialdemokratische Minderheitsregierung die Aufnahme von Flüchtlingen in der Ukraine, indem sie bei der Entwicklungshilfe im Ausland spart, um nicht bei dem kostenintensiven dänischen Sozialsystem kürzen zu müssen, was  mögliche Wählergruppen gegen sie aufbringen könnte.

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2 Kommentare

  1. Unabhängig von „moralischer Verpflichtungen“: Flüchtlinge, stellen – so ehrlich muss man sein – für jeden Staat, ein Problem dar.

    Ebenso ehrlich muss man sein: UkrainerINNEN – und damit meine ich Frauen – sind tatsächlich sicher eher unserem Wertesystem zuzuordnen, als männliche Jugendliche, aus „patriachalen Strukturen“, die obendrein im „westlichen System“, primär die Sozialvorsorge bevorzugen, sonst aber in ihren archaischen Welten leben wollen.

  2. „Die Regierungschefin Mette Frederiksen erklärt die Aufnahme der Ukrainer damit, dass sich der Konflikt näher an den Grenzen Dänemarks befinde, weswegen ihr Land eine größere Verantwortung trage.“
    „Die Ukraine sei ein „europäisches Land, das unsere Werte teilt“, beteuert etwa Marcus Knuth,…“
    „Inger Stöjberg, die ehemalige Integrationsministerin, (…) nannte die Ukrainer „echte Kriegsflüchtlinge“ im Gegensatz zu „Bequemlichkeitsflüchtlingen“ aus den arabischen Ländern.“

    All diese Erklärungsversuche zeigen bloss, dass ein beträchtlicher Bedarf besteht, die offensichtliche Ungleichbehandlung zu erklären. Den wesentlichen, entscheidenden Punkt aber, nennt niemand. Es gibt eben zwei Arten von Kriegen. Unsere und die der Feinde. Und das ist nun wieder mal einer der zweiten Sorte. Daher und nur daher handelt es sich um echte Opfer, denen geholfen werden muss. Wie in früheren Zeiten Tibetern, Ungarn oder Tschechoslowaken.

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