Ultrakatholische und antikommunistische Internationale

VOX-Chef Santiago Abascal auf der Veranstaltung Viva21 in Madrid. Screenshot von VOX-YouTube-Video

Ultrarechte Kräfte stricken weiter an ihren Netzwerken, um einen angeblichen „Vormarsch des Kommunismus“ zu stoppen

„Integristen (Katholiken und Evangelikale), Neokonservative und Ultraliberale, Rechtspopulisten und Nostalgiker der Militärdiktaturen bilden ein antikommunistisches Bündnis, das die spanische VOX-Partei in Lateinamerika schmiedet“, hatte die große spanische Tageszeitung El País kürzlich berichtet.  Dabei seien mit Eduardo Bolsonaro auch der Sohn des brasilianischen Präsidenten, der dessen politisches Erbe antreten soll, und Keiko Fujimori, die nach der Wahlniederlage in Peru die Kriegstrommel von einem angeblichen Wahlbetrug im Trump-Stil ohne jede Basis rührte. Darunter ist auch José Antonio Kast, Vorsitzender der Republikanischen Partei in Chiles, der den Ultra Jair Bolonaro im Wahlkampf in Brasilien unterstützt hatte und sich gegen die Abschaffung der Pinochet-Verfassung ausspricht, oder die Bibel-Putschistin aus Ecuador Jeanine Áñez.

Hinter dem Netzwerk steht als „Speerspitze“ die rechtsextreme spaniche VOX-Partei. Das Vorgehen und der Duktus ähneln sehr dem ultrakatholischen Netzwerk „CitizenGo“, worüber Krass & Konkret im August berichtet hat (Das Intoleranz-Netzwerk). Zuvor hatte WikiLeaks 17.000 interne und vertrauliche Dokumente von ultrakatholischen Organisationen veröffentlich und vom „The Intolerance Network“ (Das Intoleranz-Netzwerk) gesprochen . Hinter dem antifeministische Netzwerk, dass sich gegen Frauenrechte stemmt, wie das Abreibungsrecht, gegen die Homo-Ehe und insgesamt auch gegen LGBTIQ-Rechte auftritt, steht die radikale ultrakatholische spanische Organisation „HazteOír” (Verschaff dir Gehör). Sie arbeitet in Deutschland mit der „Initiative Familienschutz“ zusammen, die wiederum 2005 von Beatrix von Storch, der stellvertretenden Bundessprecherin der AfD, gegründet wurde.

Die Verbindungen zwischen der VOX-Partei und der ultrakatholischen HazteOír/CitizenGo, die von großen Unternehmen gesponsert wird, sind sehr eng. VOX-Chef Abascal und Ignacio Arsuaga – der Gründer von HazteOír – sind enge Freunde. Die Organisation hat bei Wahlen über VOX diverse Mitglieder in die verschiedenen Parlamente entsenden können, wie das Führungsmitglied von HazteOír Francisco José Contreras.

Verbindungen nach Lateinamerika gibt es längst, denn hinter HazteOír steht die paramilitärisch-mexikanische Geheim-Organisation „El Yunque” (Der Amboss). Die Verbindungen zwischen HazteOír und den paramilitärischen Gotteskriegern sind fließend, wie schon gerichtsfest in Spanien festgestellt worden ist. Álvaro Zulueta, der HazteOír-Schatzmeister, wird als „Schlüsselperson“ der als ultrakatholischen, antikommunistischen, antisemitischen und antiliberalen” Organisation in Spanien genannt. El Yunque schreckt auch vor Gewalt und Mord nicht zurück und ist bereit, „Blut für Gott zu vergießen”.

Viva21 in Madrid. Screenshot von VOX-YouTube-Video

Gegen den „Vormarsch des Kommunismus“

Man darf also vermuten, dass die neue VOX-Initiative, die mit dem Treffen „Viva21“ in Madrid kürzlich vorangetrieben wurde, entweder ein weiteres Franchise-Unternehmen von El Yunque oder zumindest ein von den mexikanischen Paramilitärs stark beeinflusster Vorgang ist. Angeworben wurden für den Event am 10. Oktober einflussreiche Persönlichkeiten. So ist es VOX zum Beispiel auch gelungen, den ehemaligen konservativen kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana zu gewinnen, der ebenfalls über eine Videobotschaft an Viva21 am 10. Oktober teilgenommen hat.

Dabei waren aber auch andere Teilnehmer des ultrakatholischen „World Congress of Families” (WCF) hinter dem Arsuaga und HazteOír/CitizenGO steht. Auf dem WCF 2017 in Ungarn hielt der ungarische Premierminister Viktor Orbán die Begrüßungsrede. Der war natürlich auch am VOX-Treffen per Video-Botschaft dabei. Erneut beklagte Orban „im Namen der ungarischen Patrioten“, dass Kinder in unseren Schulen nicht mehr „die christlichen Familienwerte“ vermittelt bekämen.  Das „Mainstream-Europa“ sei eine Geisel in den Händen „radikal-linker Strömungen“, welches die „christlichen Wurzeln“ missachte und „massenhaft Migranten hereinlässt“, die „Europa auf illegale Weise überfallen“ wollten.

VOX versucht mit einer „Carta de Madrid“ nun seinen Einfluss in Lateinamerika zu erweitern und will dort eine Ultra-Allianz aufbauen, die einen angeblichen „Vormarsch des Kommunismus“ in der „Iberosphäre“ (also auf der iberischen Halbinsel und den ehemaligen spanischen und portugiesischen Kolonien) zu stoppen. Neben dieser Wortschöpfung, die die spanische Vorherrschaft verdeutlichen soll, wartet VOX mit einer weiteren Wortschöpfung auf: „Narco-Kommunismus“. So versucht sie ein Junktim aus illegalem Drogenhandel und Kommunismus herzustellen. Wurde aber nicht etwa ein Begleiter von Bolsonaro mit 39 Kilo Kokain im Gepäck in Spanien verhaftet, als man auf dem Weg zum G20-Gipfel in Japan war?

„Ein Teil der Region wird von kommunistisch inspirierten totalitären Regimen als Geisel gehalten, die von Drogenhändlern und Drittländern unterstützt werden“, heißt es dann auch im Brief von Madrid. Es ist erstaunlich, wenn die Anhänger von Diktaturen von totalitären Regimes sprechen, die „alle unter der Schirmherrschaft des kubanischen Regimes stehen und von Initiativen wie dem Forum von São Paulo und der Puebla-Gruppe, welche in die Zentren der Macht infiltrieren, um ihre ideologische Agenda durchzusetzen“.

Im Forum Sao Paulo tauschen sich politische Parteien und soziale Initiativen aus, von der brasilianischen Arbeiterpartei bis zur Kommunistischen Partei Kubas. Die Puebla-Gruppe ist ein politisch-akademisches Forum für den ibero-amerikanischen Raum, in dem unter anderem auch Präsidenten und Ex-Präsidenten aus 12 Ländern diskutieren. Darunter auch der ehemalige sozialdemokratische spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero oder Luis Guillermo Solís Rivera, Ex-Präsident von Costa Rica. Schon das macht deutlich, wie hier von den Ultras eine kommunistische Bedrohung herbeifabuliert wird, um für sich eine Rechtfertigung zu schaffen.

Das oben ausgeführte gilt noch stärker für den kolumbianischen Ex-Präsidenten Ernesto Samper von der Kolumbianischen Liberalen Partei (PLC) oder Fernando Lugo, Ex-Präsident Paraguays. Der kommt sogar aus einer konservativen Partei. Als klare Linke können in der bunten Runde eher José Mujica gelten, der beliebte Ex-Präsident Uruguays, aber auch der illegal inhaftierte Ex-Präsident Brasiliens Lula da Silva, dessen Verurteilungen im März aufgehoben worden sind, nachdem er vor einem Jahr aus dem Gefängnis freigelassen werden musste. ) Dabei sind auch der bolivianische Ex-Präsident Evo Morales oder der Ex-Präsident Ecuadors Rafael Correa.

Die rechten Ultras wollen gegen diese progressiven und linken Initiativen und Foren nun angeblich ein Gegengewicht aufbauen. VOX und ihr Chef Santiago Abascal wollen deshalb dieser ultrarechten Internationalen eine „dauerhafte Struktur“ geben und man will eine „jährlichen Aktionsplan“ auflegen. Es soll eine neue Organisation mit dem Namen „Madrid-Forum“ entstehen. Schon damit zeigt sich auch, wie die Ultra-Gruppe von VOX in der kolonialistischen Vergangenheit verankert ist. Das Zentrum, von dem aus gedacht und agiert wird, ist stets die ehemalige und abgehalfterte Kolonialmacht Spanien.

Man darf sich angesichts des Vorgehens von Organisation wie HazteOír oder El Yunque fragen, ob in den Vorwürfen gegen linke Bewegungen, die angeblich die Institutionen unterwandern würden, nicht genau die Strategie dargelegt wird, die diese Ultra-Organisationen betreiben. Linke Präsidenten wie Lula, Mugica, Morales oder Correa sind allesamt demokratisch gewählt worden, während die Unterstützerin des Madrid-Forums Jeanine Áñez nur durch einen Putsch kurzzeitig als Übergangspräsidentin in Bolivien an die Macht kam.

Viva21 in Madrid. Screenshot von VOX-YouTube-Video

VOX konkurriert mit der PP

Benutzt werden von VOX einflussreiche Führungspersönlichkeiten, um die Einflusssphäre auszuweiten. So erzürnt es die ultrakonservative spanische Volkspartei (PP), dass Pastrana sich am VOX-Treffen Viva21 beteiligt hat. Das ist der Präsident der Zentristisch Demokratische Internationale (IDC), deren Vizepräsident wiederum der PP-Chef Pablo Casado ist. Es ist klar, dass VOX nun auch auf internationaler Ebene der PP den Boden streitig macht. Das gefällt der Schwesterpartei der CDU natürlich nicht, die allerdings bekanntlich auch einen rechten Hintergrund hat. Schließlich wurde sie von Ministern der Franco-Diktatur gegründet und hat sich vom Putsch gegen die Republik in Spanien und der Diktatur nie distanziert.

VOX ist unter dem Gründer und dem ehemaligen PP-Parlamentarier Santiago Abascal ohnehin nur eine Abspaltung der PP, die ihr Konkurrenz am rechten Rand macht und schon drittstärkste Kraft im spanischen Parlament ist.  In Andalusien, Murcia und in Madrid ist die PP-Regierung schon von der Unterstützung der VOX-Partei angewiesen.

Als Botschafter in Lateinamerika setzen die VOX-Ultras auf den Abgeordneten des Europaparlaments Hermann Tertsch oder den Abgeordneten Víctor González Coello aus Portugal. Tertsch nutze die Infrastruktur, die ihm sein Status als Europaparlamentarier und dritter Vorsitzender der Delegation in der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika (Eurolat) bietet für diese Tätigkeit, schrieb El País. Der in Österreich geborene Tertsch, der sogar einmal Mitglied der kommunistischen Partei war, ist der Nachkomme von Ekkehard Tertsch und tritt seit einigen Jahrzehnten wieder in die Fußstapfen des Vaters. Der war Journalist und NSDAP-Mitglied in Österreich. Wer über die Nazi-Vergangenheit der Familie berichtet, wird von Tertsch als „Abschaum“ bezeichnet. Es ist aber bezeichnend, dass er auch mit den Stimmen der PP zum dritten Vorsitzenden gewählt wurde. Es sagt auch viel über die spanischen Sozialdemokraten aus, dass sie sich dabei nur enthalten haben. Schließlich ist für Tertsch auch deren Ex-Parteichef Zapatero ein böser Kommunist.

Stolz auf Spaniens Kolonialgeschichte

Mexiko ist schon über El Yunque eine große Plattform für die ultrarechte Truppe. Hier gehört ihr auch der ehemalige Präsident Felipe Calderón an von der konservativen „Partido Acción Nacional“ (PAN) an. 15 Senatoren der Partei hatten den Brief von Madrid unterzeichnet, das war die Hälfte aller Senatoren. Das hat natürlich zu einem politischen Erdbeben in Mexiko geführt, da im gewohnt kolonialistischen Stil der VOX-Chef Abascal die Eroberung Mexikos als zivilisatorische Leistung abgefeiert hat.

Statt sich für die Eroberung und den Völkermord zu entschuldigen, was zum Beispiel auch der Sozialdemokrat Josep Borrell nicht macht, inzwischen Außenbeauftragter der EU. Aber Abascal zeigte sich auch besonders „stolz auf die Geschichte“. Vor 500 Jahren war Tenochtitlán unter spanische Herrschaft gefallen und der VOX-Chef twitterte dazu: „Spanien gelang es, Millionen von Menschen aus dem blutrünstigen und schrecklichen Regime der Azteken zu befreien.“  Deutliche Unterschiede sind dabei zu seiner früheren Volkspartei (PP) auch nicht zu beobachten. Auch der PP-Chef Casado feiert die Eroberung, die vernebelnd als „Entdeckung“ bezeichnet wird, so ab: „Keine Nation hat so viel für die Menschheit getan wie unsere.“

Einige mexikanische Senatoren, die den Brief von Madrid unterzeichnet haben, haben inzwischen eingeräumt „einen Fehler“ gemacht zu haben und sich dafür entschuldigt. Das zeigt schon an, wie begrenzt das Vorhaben der Ultras in Lateinamerika ist, wo man mit einer Geschichtsklitterung und einem Abfeiern einer äußerst brutalen Kolonialgeschichte nur in engen Kreisen erfolgreich sein kann. Der Aufschrei hatte unter anderem zur Folge, dass kein mexikanischer Politiker offen bei der VOX-Propagandaschau in Madrid aufgetreten ist.

„Mexiko ist heute das ideologische Schlachtfeld der spanischen Ultrarechten“

Für linke mexikanische Tageszeitung „La Jornada“ ist das Vorgehen der PAN-Senatoren keine Überraschung mehr. Die Zeitung hatte schon nach der Veröffentlichung der Wikileaks-Dokumente über das Intoleranz-Netzwerk auf die Verwicklungen der PAN zu El Yunque hingewiesen. Sie hatte herausgestellt, dass Mexiko eine bedeutende Rolle bei der Finanzierung von Parteien wie VOX spielt.

„Mexiko ist nicht nur das Herkunftsland von El Yunque, sondern auch eines der wichtigsten Zentren für den Einsatz und die Gewinnung von Ressourcen“, wurde berichtet. In den Organisationen, die entweder offen oder verdeckt mit El Yunque und HazteOír/CitizenGo verbunden sind, „arbeiten aktiv Juan Ignacio Zavala und Margarita Zavala mit, wie die Frau des ehemaligen Präsidenten Felipe Calderón.“ Und Carlos María Abascal Carranza sei einer der Gründer von El Yunque und war Innenminister unter Präsident Vicente Fox Quesada, der auch der PAN angehört. Auch hier zeigt sich die Unterwanderungsstrategie der Ultrarechten, die sie der Linken vorwerfen.

„Mexiko ist heute das ideologische Schlachtfeld der spanischen Ultrarechten in ihren drei verschiedenen Ausprägungen“, schrieb nun die La Jornada am 4. Oktober.  Dazu gehören unter anderem die Volkspartei (PP) und auch Vox. Dazu zählt die Zeitung aber auch die Strömung, die von einem ihrer erfolgreichsten Intellektuellen angeführt wird: Mario Vargas Llosa. Er ist als spanischer Nationalist bekannt und tritt auch aggressiv gegen die katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen auf.  „Die ideologische Offensive im Zeichen des mythischen neokolonialen Hispanismus, des Suprematismus und eines überholten Antikommunismus versucht, sich in Mexiko über die PAN und die in ihrer Mitte infiltrierten semi-klandestinen sektiererischen Gruppen wie El Yunque auszubreiten, die damit liebäugeln, die blau-weiße Partei in einen Zweig des spanischen konservativen Radikalismus zu verwandeln.“

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