Zukunft Agrarwende II

Wie wird Landwirtschaft nachhaltig zukunftsfähig? Jedenfalls nicht in ausgeräumter Agrarsteppe. Wie es gehen kann, sagt die Zukunftskommission Landwirtschaft in ihrem Abschlussbericht. | Foto: Pascvii/Pixabay

Vor zwei Wochen hat die Zukunftskommission Landwirtschaft der Bundeskanzlerin ihren Abschlussbericht übergeben. Darin wird beschrieben, wie die Landwirtschaft in Deutschland zukunftsfähig werden kann, also klimafreundlich und nachhaltig. „Es ist ein schöner Packen für alle, die potenziell regierungsfähig sein werden, die kommen daran nicht mehr vorbei“, sagte Angela Merkel dazu.

Kern des von dreißig Organisationsvertreterinnen und -vertretern aus Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Naturschutz einstimmig verabschiedeten Papiers ist die „Gemeinsame Zukunftsvision der Landwirtschaft“, erarbeitet von den Vorstandsfrauen der zwei an der Kommission beteiligten Jugendorganisationen äußerst unterschiedlicher Provenienz: von Landjugend und BUNDjugend.

Sonderrolle Jugend

Hier spricht Kathrin Muus, die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend BDL, über ihre Zusammenarbeit mit Myriam Rapior vom Vorstand der BUNDjugend. Kathrin Muus hat Agrarwissenschaft studiert und ihren Master in Landwirtschafts- und Ernährungsökonomie gemacht. Sie arbeitet am Thünen-Institut[1] für Betriebswirtschaft. Ihr landwirtschaftlicher Hintergrund ist der elterliche Agrarbetrieb in Ostholstein, bestehend aus einem konventionell bewirtschafteten Hof mit 400 Hektar Ackerland und einem Holzhackschnitzelheizwerk, das Haushalte in Horsdorf bei Lübeck mit Wärme versorgt.

„Ich habe es mir schwieriger vorgestellt, als es letztlich war“, sagt Landjugend-Vorsitzende Kathrin Muus über ihre Zusammenarbeit mit der Jugendorganisation des Bundes für Umwelt und Naturschutz. | Foto: Gräschke/BDL

Kathrin Muus, als Sie in die Zukunftskommission Landwirtschaft berufen wurden, was war das für Sie: noch ein Gremium, in dem Sie sitzen, oder etwas Anderes als ihre bisherige politische Arbeit?

Das war etwas ganz Neues: eine Arbeit mit vielen Verbandsvertretern auf höchster Ebene. Das war nicht irgendein Gremium, sondern etwas sehr Besonderes und Einmaliges, einberufen von der Bundesregierung. Da musste ich mich als Jugendverbandsvertreterin erstmal positionieren, und das ging Myriam Rapior von der BUNDjugend genauso. Hat aber gut geklappt, wir haben ja viel Gehör gefunden.

War das von Anfang an so, oder mussten Sie sich erst Gehör verschaffen?

In der Zukunftskommission hat man uns Jugendvertreterinnen von Anfang an beachtet. Ich war zuvor schon bei einigen Verbändeanhörungen. Da ist das so, dass jeder sein Statement abgibt und dann ist’s gut. In der Zukunftskommission hat der Vorsitzende Prof. Strohschneider den beiden Jugendverbänden eine Sonderrolle zugeordnet. Er meinte, die Zukunft kann man nicht ohne die Generation erörtern, die sie dann gestalten muss. Und diese Chance haben wir ergriffen.

Und wie kam es dann zur konkreten Zusammenarbeit mit der BUNDjugend?

Das ging einerseits von uns Jugendvertreterinnen aus. Als ich in die Zukunftskommission berufen wurde, habe ich mich umgeschaut, ob noch andere Jugendverbände dabei sind. Das hat Myriam Rapior auch gemacht. Und dann haben wir uns zusammengetan und verabredet, im Sinne der jungen Generation zusammenzuarbeiten. Dass wir unterschiedliche Standorte vertreten, war ja aufgrund unseres verbandlichen Hintergrundes nicht zu übersehen, aber nachdem wir uns verständigt hatten, dass wir in der Kommission die Interessen der Jugend gemeinsam vertreten, wurde die Zusammenarbeit immer enger.

Dann kam aus der Zukunftskommission der Vorschlag, Sie beide sollten doch mal eine Zukunftsvision erarbeiten. Die Kommissionsmitglieder konnten nicht wissen, ob das klappt mit den beiden Jugendvertreterinnen. Es hat dann geklappt, Sie haben eine gemeinsame Zukunftsvision der Landwirtschaft entwickelt. Wie ging das?

Zuerst haben wir beide getrennt jeweils in unseren Verbänden eine eigene Zukunftsvision erarbeitet. Und diese beiden unterschiedlichen Zukunftsbilder haben wir dann zusammengeführt und dabei festgestellt, dass die ganz unterschiedlich gesetzten Schwerpunkte sich nicht etwa ausschließen, sondern ergänzen. Wir haben bei der Zusammenführung der beiden Entwürfe zu einem gemeinsamen Zukunftsbild viel diskutiert, aber ich habe mir das schwieriger vorgestellt, als es letztlich war.

Die Jugendorganisationen vorlegen zu lassen war die Idee des Vorsitzenden: Prof. Peter Strohschneider bei der Übergabe des Abschlussberichts der Zukunftskommission Landwirstchaft, mit zugeschalteten Kommissionsmitgliedern. | Foto: Bergamnn/Bundesregierung

Vorbild Zusammenarbeit

Was musste da zusammengebracht werden? Welche verschiedenen Schwerpunkte hatten Sie gesetzt?

Bei unserem Landjugend-Zukunftsbild ging es viel um den Landwirt als Unternehmer und um die betriebswirtschaftliche Perspektive und auch um die Ausbildung. Es ging im Prinzip darum, dass landwirtschaftliche Betriebe vielfältig aufgestellt sein sollen, auf eigenen Beinen stehen und aus eigener Kraft Zukunftsherausforderungen meistern können. Und der Schwerpunkt bei der BUNDjugend war unter anderem, dass die Landwirtschaft vermehrt Klima- und Biodiversitäts-Leistungen erbringen soll.

Beim Zusammenführen haben sich die beiden Zukunftsbilder quasi ergänzt. In allen Punkten, oder knirschte es doch?

Es gab trotzdem harte Diskussionen. Zum Beispiel, als es um die Reduktion der Tierzahlen ging, oder beim Umgang mit Dünger und Pflanzenschutz. Aber am Ende haben wir uns zusammengerauft und in das gemeinsame Bild integriert, was der jeweils anderen wichtig war. Ich habe von Myriam Rapior die Umweltleistungen akzeptiert und Myriam bei mir die betriebswirtschaftliche Sicht. Es wurde von beiden Verbänden nicht infrage gestellt, dass der Landwirt Geld verdienen soll und es wurde auch nicht infrage gestellt, dass mehr Biodiversitäts- und Klima-Leistungen erbracht werden müssen.

Könnte Ihre Zusammenarbeit eine Blaupause für weitere Zusammenarbeit sein? Könnten Bauernorganisationen und Naturschutz das auch so machen, wie Landjugend und BUNDjugend?

Ich glaube, dass das jetzt funktionieren könnte. Ohne Zukunftskommission wäre das schwieriger. Die Kommission hat sich selbst und uns Druck gemacht, eine zukunftsfähige Lösung für alle Beteiligten zu präsentieren. Es war eine einmalige Chance und es musste dabei etwas herauskommen. Deswegen waren wir gewissermaßen auch zur Zusammenarbeit gezwungen, wobei die immer flüssiger wurde. Am Anfang waren wir alle noch skeptisch, aber nach und nach haben wir begonnen, uns gegenseitig zu vertrauen. Jetzt gibt es dieses Vertrauen als Basis für die weitere Zusammenarbeit. Die verschiedenen Standpunkte bleiben bestehen, aber wir haben jetzt erst einmal eine Einigung gefunden. Deren Umsetzung muss aber noch gestaltet werden.

Ich zitiere noch einmal, was ich schon an anderer Stelle aus der „Gemeinsamen Vision zur Zukunft der Landwirtschaft“ von Landjugend und BUNDjugend zitiert habe: „Die Landwirtschaft trägt zum Umwelt- Natur- und Tierschutz bei. Durch regenerative Landnutzung wird die Gesundheit der Menschen und Tiere sowie die Qualität des Wassers, der Böden und der Luft erhalten und verbessert.“ Ist das für Sie erreichbar oder bleibt das im Visionären?

Ich glaube, dass das erreichbar ist! Nicht alles gleichzeitig und nicht überall zum selben Zeitpunkt. Für die Zukunftskommission war es einfach wichtig, dass wir ein Ziel haben. Wir wollten wissen, wo es hingehen soll. Und viele der Punkte, die wir in der Vision beschrieben haben, wurden dann ja auch im Abschlussbericht der Kommission an anderer Stelle aufgegriffen.

Zukunft Koalitionsvertrag

Nun ist die Arbeit der Kommission von einigen Landwirten deutlich kritisiert worden. Die Ablehnung in den einschlägigen Onlineforen war harsch. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Ich habe das mitbekommen. Aber die Ablehnung ist meist lauter als die Zustimmung und in den Foren sind es eigentlich immer dieselben, die negativ kommentieren. Ich denke aber auch, dass wir da noch einige Aufklärungsarbeit zu leisten haben, denn viel Ablehnung scheint mir aus Unkenntnis zu kommen. Fairerweise muss man ja auch sagen, dass die Mitglieder der Zukunftskommission in einem mehrmonatigen Prozess zueinander gefunden haben. Ich glaube, wenn man den Kommissionsmitgliedern diesen Abschlussbericht vor einem Dreivierteljahr vorgelegt hätte, dann wäre das Papier vermutlich ebenfalls auf Unverständnis gestoßen. Und am Ende haben wir es dann einstimmig verabschiedet. Da müssen wir also noch viel erklären. Ich habe inzwischen aber auch viele Stimmen gehört, die den Kommissionsbericht positiv aufnehmen, weil endlich mal ein Ziel genannt ist. Der Weg dahin wird schwierig, wir haben aber auch keine Alternative. Nichts ist schlimmer als Nichtstun!

Wie bringen Sie jetzt das, was die Zukunftskommission Landwirtschaft erarbeitet hat, zur konkreten Umsetzung, sprich in die Politik?

Einerseits sind wir 30 Verbandsvertreterinnen und -vertreter in der Kommission. Wir haben alle unsere Netzwerke und können die jetzt zum ersten Mal nutzen, um etwas Gemeinsames voranzubringen. Für die Politik wäre es ja eine vertane Chance, wenn sie unsere Vorlage nicht verwenden würde. Der zu folgen ist die einzige Möglichkeit, nicht wieder von allen Seiten angemeckert zu werden. Denn das ist ja ein Kompromiss, dem alle Seiten zugestimmt haben. Außerdem scheint mir die Kommissionsarbeit auch noch nicht ganz zu Ende zu sein. Wir haben zwar den Abschlussbericht abgegeben, es ist aber jetzt von einem Treffen im Herbst die Rede. Das wäre dann nach der Bundestagswahl. Dann sind die Wahlprogramme Geschichte und es geht um die Koalitionsverhandlungen. Bei denen müssen unsere Vorschläge auf den Tisch, denn das, was dann im Koalitionsvertrag steht, das hat die besten Chancen, tatsächlich angegangen zu werden.

 


Die Gemeinsame Vision zur Zukunft der Landwirtschaft von Landjugend und BUNDjugend: https://www.landjugend.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Positionen/2021_Zukunftsbild_BUNDjugend-BDL.PDF

Der Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/abschlussbericht-zukunftskommission-landwirtschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=2

 

[1] Das Thünen-Institut ist die Forschungsreinrichtung des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit mehreren Unterinstituten und Sitz in Braunschweig.

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