Mord, Korruption, schmutziges Geld – Tom Burgis im Interview

Bild: Kiwiev/CC0

Tom Burgis, Enthüllungsjournalist und Autor von „Kleptopia“, über Machenschaften von Banken, Geheimdiensten und Milliardären, Kleptokratie und wie schmutziges Geld die Welt erobert.

Tom Burgis entlarvt ein globales Netzwerk, das strikt im Geheimen agiert, in das auch die vermeintlich unbestechlichen westlichen Regierungen verstrickt sind. Vom Kreml bis nach Peking, von Harare bis Riad und von Paris bis zum Weißen Haus – ein Reality-Thriller, der einem der Atem verschlägt. Ein Interview mit dem Autor, das Maximilian David geführt und ins Deutsche übersetzt hat.

Ihr Buch trägt den Titel Kleptopia – was meinen Sie damit?

Tom Burgis: Kleptopia ist der Bereich, in dem die Korruption regiert. Es erstreckt sich von mächtigen autoritären Kleptokratien in Moskau, Peking, Riad, Caracas und so weiter bis in die Finanzzentren, die die Kleptokratie globalisieren, vor allem die City of London und die Wall Street, über die Knotenpunkte der Geheimhaltungsindustrie an Orten wie den Cayman Islands und der Schweiz. In Kleptopia besteht der Zweck der Macht nicht darin, das Gemeinwohl zu verwalten, sondern im Gegenteil darin, Reichtum, Einfluss und Sicherheit von den Vielen weg und in die Hände der Wenigen zu lenken. Das ist der ultimative Verrat am öffentlichen Vertrauen.

Wie konnte es dazu kommen, dass diese Kleptokraten ihre Macht dermaßen gefestigt und ihr Netzwerk global ausgeweitet haben? Wer hat ihnen zu ihrem Erfolg verholfen?

Tom Burgis: Die Kleptokratie sickert schon seit Jahrzehnten in den globalisierten Kapitalismus hinein. Das Ende des Kalten Krieges hat diesen Prozess noch beschleunigt. Damals wurden große korrupte Regime in die Weltwirtschaft integriert. Und die ganze Zeit über legitimierte die Weltwirtschaft kleinere Kleptokraten, indem sie mit ihnen Geschäfte machte. Vor allem mit dem Ölgeschäft. Fast jeder große Ölexporteur wird von mafiösen Strukturen kontrolliert: Saudi-Arabien, Angola, Russland, Äquatorialguinea und die anderen. Doch die wertvollsten Unternehmen – Exxon, Shell, Mobil und so weiter – behandeln sie als die rechtmäßigen Eigentümer des Öls, das sie verkaufen. Unsere reichen Volkswirtschaften leben von diesem Öl, also geben wir dieser Lüge nach. Jetzt wiederholen wir diese Lüge, wenn es um die Antriebstechniken der Zukunft geht, wie etwa das Kobalt des Kongo.

In Ihrem Buch beschreiben Sie Donald Trump als einen wichtigen Akteur in diesem Netzwerk: Er unterhielt nachweislich Kontakte zu Oligarchen, die über Trumps Bauprojekte Milliarden von Dollar an schmutzigem Geld gewaschen haben sollen. Welche Bedeutung hatte seine Präsidentschaft für die globale Kleptokratie?

Tom Burgis: Wir scheinen uns schwer zu tun, diese Tatsache zu akzeptieren, aber Trump ist einfach ein Kleptokrat. Wenn ein nigerianischer oder brasilianischer Präsident ein Resort am Meer und ein nobles Hotel in der Hauptstadt im Familienbesitz hätte und jedem einflussreichen Manager oder besuchenden Despoten erlauben würde, Geld in seine Tasche zu stecken, würden wir das schlicht und einfach Korruption nennen. Wenn wir das gleiche Verhalten in westlichen Demokratien beobachten, verwenden wir Euphemismen. (So geschieht es jetzt im Vereinigten Königreich, wo von einer „Chumokratie“ („Kumpelherrschaft“, Anm. d. Red.) die Rede ist, die die Lobbyregeln missbraucht und Verträge veruntreut: auch das ist schlicht und einfach Korruption.)

Wie ich in meinem Buch zeige, wurde Trump jahrelang durch Geldströme aus den Kleptokratien in der ehemaligen Sowjetunion gestützt. Wie jede Geldwäsche beruhte auch diese auf Fiktionen – eine davon war die Fiktion, Trump sei ein erfolgreicher Geschäftsmann. Der Deal, den er einging, bestand darin, dass er in den Genuss von Kapitalzuflüssen für seine nutzlosen Projekte kam und im Gegenzug die Herkunft dieses Geldes vorsätzlich verschwieg.

Im Amt regierte er wie ein Kleptokrat unter Kleptokraten. Sehen Sie sich die Personen an, mit denen er Beziehungen pflegte: Putin, Mohamed bin Salman, Kim Jong-un, Bolsanaro und so weiter. Schauen Sie sich die Art und Weise an, wie Steve Bannon, Paul Manafort und andere aus Trumps Umfeld versuchten, ihren Einfluss zu monetarisieren. Das war eine plötzliche, dramatische Eskalation der Macht der kleptokratischen Normen in der vermeintlich stärksten Demokratie.

Die Deutsche Bank stand bis vor kurzem zu Trump, jetzt will sie ihre Kredite zurückziehen. Welche Rolle spielen westliche Banken und Finanzzentren wie London und Frankfurt bei der Geldwäsche?

Tom Burgis: Wir neigen dazu, an Kleptokraten in Westafrika oder Zentralasien zu denken, die unschuldige Banker korrumpieren und das ansonsten heile Finanzsystem mit ihrem schmutzigen Geld besudeln. Ich denke zunehmend, dass dies bestenfalls naiver, schlimmstenfalls selbstentlarvender Mist ist, der von den Apologeten des Finanzsystems verbreitet wird.

In Wahrheit hat das kapitalistische Establishment seit den späten 1980er Jahren die Kleptokraten in Russland, Hongkong, Lagos und Dubai energisch umworben. Erst zu spät haben sie entdeckt, dass es sich nicht um ein gewöhnliches Geschäft handelt. Es handelt sich um einen unerklärten, unkonventionellen Krieg, der von feindlichen Mächten gegen die Demokratie geführt wird und in den einige mächtige westliche Interessengruppen verwickelt sind, von Finanziers über Lobbyisten bis hin zu Staatsmännern, die sich an Diktatoren verkaufen. Und Korruption ist eine mächtige Waffe. Wie ich durch die Geschichten in meinem Buch zu zeigen hoffe, greift sie die Anweisungen der Demokratie an: die Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Parlamente und die freie Presse.

Sie kritisieren, dass die Regulierungsbehörden teilweise von den Banken selbst finanziert werden. Ein geradezu skandalöser Interessenkonflikt. Was muss getan werden, um diesen zu entflechten?

Tom Burgis: Jüngste Untersuchungen zeigen, dass die Banken trotz aller angeblichen Fortschritte bei der Geldwäschebekämpfung korrupte Kunden immer noch wie jeden anderen Kunden behandeln. Das heißt, sie können einen kasachischen Kleptokraten genauso wenig daran hindern, ein Bankkonto zu eröffnen, wie eine Oma, die ihre Rente einzahlen will.

Wir müssen die öffentlichen Institutionen, die die Integrität des Geldes schützen, wiederbeleben. Das bedeutet eine unabhängige Regulierung der Banken, ganz klar. Aber noch dringender sind gut finanzierte, personell gut ausgestattete und politisch unabhängige Strafverfolgungsbehörden, die auf die Untersuchung von Korruption spezialisiert sind. Diese sind die vorderste Front unserer Verteidigung gegen die Kleptokratie, und sie werden heute skandalös vernachlässigt. Manchmal scheint dies absichtlich zu sein: Es ist eine Art, damit zu werben, dass wir jedes Geld willkommen heißen, unabhängig von seinem Makel. Wir müssen auch erkennen, dass es hier nicht um Geschäfte geht. Es geht um Kriegsführung. Es ist vielversprechend, dass die neue Nationale Sicherheitsbehörde (NSA) nach Trump voller kluger Leute ist, die sich mit der Analyse der Ausbreitung der Kleptokratie auskennen.

Welche Folgen haben diese Vorgänge für unser Wirtschafts- und Währungssystem im Allgemeinen?

Tom Burgis: Die größte Konsequenz haben sie für unser politisches System. Die Korruption, die die Kleptokratie verbreitet, untergräbt die Demokratie vor unseren Augen, wie ich in den Geschichten in meinem Buch zu zeigen versuche.

Nach Ihrer Beschreibung hat das Fundament der westlichen Wirtschaftsordnung und darüber hinaus des politischen und rechtsstaatlichen Systems tiefe Risse bekommen, die Kleptokraten und korrupte Machteliten nutzen, um ihre Gegner zu verfolgen und ihre Macht zu festigen. Wie kann es gelingen, diese internationale Kriminalität wirksam zu bekämpfen?

Tom Burgis: Das System der internationalen Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung ist kaputt. Interpol ist von Kleptokraten als Waffe zur Verfolgung ihrer Feinde missbraucht worden. Die Instrumente für den Informationsaustausch sind schmerzlich langsam und mit zu wenig Ressourcen ausgestattet.

In jüngster Zeit gab es jedoch Beispiele für eine hervorragende Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden in großen Korruptionsfällen, wie etwa im Fall Beny Steinmetz. Es ist hilfreich, dass Kleptokraten immer wieder versuchen, ihr Vermögen in Rechtsstaaten zu parken, um die Sicherheit zu erlangen, die sie denen verweigern, über die sie herrschen. Von Zeit zu Zeit werden sie dabei erwischt. Wir könnten viel mehr tun, um diese Beute zu finden und zu beschlagnahmen. Die Frage ist nur, ob wir erkennen, dass die Kleptokratie eine Bedrohung für unsere Freiheit ist, bevor es zu spät ist.

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Ein Kommentar

  1. Der Autor Burgis hat aber auch einen heftigen Bias. „Unsere Demokratien“, also die politischen Systeme des Kapitalismus, versus die Kleptokratien der autoritären Regime. Da muss natürlich Trump als Negativboy herhalten, als ob das US-System erst seit dieser Figur sich den Autokraten „andiente“ und dann leider auch korrupt wurde. Kein Wort etwa zur Ukraine und Biden. Kennen wir etwa nicht seit Jahrzehnten die Steuerparadiese in den westlichen Gefilden? Die dann tatsächlich von der Kleptokratie der Staaten der Ehemaligen UdSSR gerne und ohne Probleme nutzbar waren?

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