„Was bedeutet es für eine Volkswirtschaft von Öl abhängig zu sein?“ – Ben Riffko im Interview

Fettsäuren von Algen zur Energiegewinnung. Bild: Los Alamos National Laboratory/CC BY-NC-ND-2.o

Ben Riffko im Interview über seinen Thriller „Grünes Öl“, in dem Start-up-Unternehmer mit einer disruptiven Technik zur Algenölherstellung es mit Geheimdiensten und dubiosen Investoren zu tun bekommen.

Welche Zukunft steht uns angesichts des Klimawandels bevor? Stichwort: endliche Ressourcen. Ben Riffko befasst sich in seinem Thriller „Grünes Öl“ (erschienen bei Heyne) mit der Frage, wer finanziert Erfindungen, die eine alternative Zukunft erst ermöglichen? Ben Riffko ist das Pseudonym eines deutschen Juristen und Beraters mit Schwerpunkt grüne Technologien.

Zwei Startup-Unternehmer suchen für ihre bahnbrechende Technologie der Algenölherstellung Investoren. Doch sie unterschätzen die Bedeutung ihrer Entdeckung. Bald entwickelt sich ihre Suche nach Investoren zu einem gefährlichen Spiel mit Mächten, deren Absichten nicht immer friedlich sind. Was zunächst Fiktion ist, findet schnell einen Widerpart in unserer Gegenwart und Zukunft. Der Autor erzählt am Telefon, welches Potenzial und Ideen hinter der grünen Technologie stecken und wie es zu dem Roman kam.

 

Wie ich Sie verstehe, hatten Sie eine seltsame Begegnung mit einem Waffenhändler, die Ihnen die Idee für Ihren Roman gebracht hat?

Ben Riffko: Das ist korrekt. Während einer Geschäftsreise traf ich auf einen Investor, dessen außergewöhnlicher Name mich überraschte. Ich suchte im Internet nach Informationen über ihn.  Dann entdeckte ich, dass dieser Name auf einer Webseite der Vereinten Nationen auftauchte, in einem Bericht über illegalen Waffenhandel.

Er war dann Vorbild für einen der Investoren im Roman?

Ben Riffko: Ja, wobei die Realität mit dem fiktionalen Charakter nicht allzu viel zu tun hatte. Es ging mir um den Grundgedanken, dass jemand als Investor auftritt, der in seinem weiteren Leben Waffenhändler war und damit reich wurde, so dass er heute diese Gewinne investieren kann, zum Beispiel in grüne umweltfreundliche Technologien. Gelder werden heutzutage international im großen Stil angelegt.  Das Thema Geldwäsche ist dabei virulent. Ich wollte bei der Herkunft von Investorengeldern bewusst nicht zu eng denken, denn nicht nur die Mafia wäscht ihre schmutzigen Einnahmen durch viele legale Unternehmungen. Ein Startup, das Finanzierung sucht, kann häufig den Ursprung der Investoren-Gelder gar nicht nachvollziehen.

Stichwort Greenwashing:  Eine Investition in grüne Technologien bietet sich natürlich an, weil das als Zukunftstechnologie gilt. Bieten die Gesetze noch zu wenig Schutz, wenn es um Geldwäsche geht?

Ben Riffko: Bezüglich der Gesetze ändert sich da gerade einiges. Bisher kann Geldwäsche in Deutschland nur verfolgt werden, wenn das Geld aus bestimmten Straftaten wie Drogenhandel oder Erpressung von Schutzgeldern stammt. Das soll sich ändern. Die Streichung des sogenannten Vortatenkatalogs aus dem Geldwäsche-Paragrafen steht dabei im Fokus des Strafrechts.

Aber hier muss globaler gedacht werden. In Bezug auf Investitionen muss heute bereits in vielen Ländern der „final owner“ angegeben und offengelegt werden. Aber natürlich ist nicht auszuschließen, dass überall dort, wo investiert wird, auch Geld in Umlauf ist, um es durch legale Unternehmungen zu waschen. Deshalb folgten dem neuen deutschen Geldwäschegesetz 2020 in 2021 noch weitere Gesetzesinitiativen.

In Ihrem Roman werden zwei interessante Investoren genannt: Peter Miller, der US-Interessen vertritt, und Marc van Teese, der scheinbar modern und agil ist, aber später auch eine andere Seite von sich zeigt.

Ben Riffko: Die Charaktere der handelnden Akteure brauchen in einem Thriller nun mal Ecken und Kanten. Es ist in der Tat ja so, dass die vermeintlich Guten vielleicht tatsächlich gar nicht so gut sind. Dieses Spiel mit der Frage, wer ist gut und wer ist böse, erzeugt Spannung, die sich im Laufe der Zeit weiter aufbaut. In „Grünes Öl“ sagen am Anfang viele Investoren ab, so wie bei realen Fundraising- Bemühungen auch. Die Besonderheit in meinem Roman liegt in der Begründung. Investoren winken ab, weil sie sagen: Ihr legt euch da mit den Großen dieser Welt an, den Mächtigen, den Ölkonzernen. Entweder schlucken die euch oder sie vernichten euch! So wie im richtigen Leben, oder?

Wem kann man trauen?

Zu der Frage, ob ein Startup in den Kampf der Großen heute tatsächlich eingreifen und etwas verändern kann, gehört heute häufig der Begriff der disruptive technology. Was heißt das?

Ben Riffko: Disruptive Technologien finden man oft bei kleineren Unternehmen, die plötzlich einen Markt komplett verändern, weil ihre Technologie so innovativ ist, dass bestehende Verhältnisse und etablierte Gedanken plötzlich auf den Kopf gestellt werden. Diese jungen Unternehmen erhalten manchmal eine unglaubliche Bewertung. Bei dieser Bewertung ist meist sehr viel Fantasie im Spiel. Eine gut erzählte Geschichte, Visionen, aber wenig Faktenbasiertes. Manche schaffen es mit einer solchen Story bis zum Unicorn, also zum Einhorn. Das sind Unternehmen, die in der Fundraisingphase mit mehr als 1 Milliarde bewertet werden.

Die zwei Start-Up-Gründer und Forscher in Ihrem Roman, Jacques und Al-Gé, sind von ihrer Entwicklung überzeugt. Vor allem Jacques verliert trotz Zweifel lange nicht den Glauben an die Technologie. Kann man sie dennoch als etwas naiv bezeichnen?

Ben Riffko: Wenn Naivität für den natürlichen Glauben an das Gute in manchen Menschen und dem Misstrauen gegenüber anderen Menschen steht, dann, ja. Wem kann man trauen? Fiktive Reaktionen sorgen in meinem Roman für die notwendige Spannung.

Wie realistisch ist ein Szenario, dass wir bald „grünes Öl“ haben? An Algentechnologie wird ja seit den 2000er Jahren geforscht, aber wie weit ist die Technologie schon?

Ben Riffko: Da würde ich gerne die Frage erweitern: Wie wahrscheinlich ist es, dass eine disruptive Algentechnologie den Durchbruch schafft? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es gibt eine Vielzahl von Verfahren, Biokraftstoffe herzustellen. Ungefähr nur vier bis fünf Prozent basieren auf einer Algentechnologie. Exxon forscht daran, Mazda, die US-Armee, Lufthansa, Boeing.  Der Preis für 1 Liter Algenöl liegt derzeit wohl bei 2 Dollar bis 2 Dollar 20. Die Tendenz wäre mit größeren Produktionsmengen natürlich fallend. Der Preis im Vergleich zum Benzin könnte sich annähern, auch wenn er aktuell noch zu hoch ist.

Man muss bei der Preispolitik sicherlich bedenken, dass man die Kosten gut senken könnte, wenn die Milliarden, die in Fracking und in der Exploration neuer Ölfelder stecken, vielleicht darin stecken würden, Algenfarmen zu bauen und diese Technologie weiter aufzubauen und zu fördern.

Das Grundwissen an sich, heute bereits aus Algen Biotreibstoff herzustellen, ist jedenfalls vorhanden.

Woran hakt es also noch?

Ben Riffko: Für mich ist das die entscheidende Frage: Sind die großen Player tatsächlich gewillt, eine Technologie, die man kennt, auch so intensiv zu fördern, dass sie mit den althergebrachten Technologien konkurrieren kann? Oder wenn nicht, warum nicht?

Da fehlt offensichtlich der politische Wille. Interessanterweise haben Sie politische Denkprozesse in Ihrem Thriller ausgespart. Warum? Es wäre ja auch staatliche Förderung möglich.

Ben Riffko: Staatliche Förderung von Innovationen ist ein interessantes Thema. Das hängt schlussendlich auch mit der Frage zusammen, wie viele Prozente der Forschung und Entwicklung zu sogenanntem Public-Domain-Wissen werden. Heutige Förderbedingungen verlangen oft die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. Da schneidet sich ein bisschen die staatliche Förderung mit dem, was ein privates Unternehmen dringend braucht: sein Know-how zu schützen.

Ölpreis als Waffe

Ihr Roman thematisiert die Bedeutung von Öl für sehr viele Bereiche unserer Gesellschaft.

Ben Riffko: In der Tat habe ich mir zu Beginn die Frage gestellt: Was bedeutet das eigentlich für eine Volkswirtschaft, von Öl abhängig oder unabhängig zu sein? Denken Sie an die ölproduzierenden oder an die ölimportierenden Länder, an die Länder, die massiv von einem Ölmarktpreis abhängig sind, auf dessen Festlegung sie ohne Einfluss sind. Machtpolitisch spielen Länder, nennen wir mal die USA, den Ölpreis wie eine Waffe gegen andere Länder, zum Beispiel Russland, aus, um durch einen billigen oder teuren Ölpreis Volkswirtschaften in die Knie zu zwingen.

Das Szenario ist ja nicht abwegig. Öl oder andere knappe Ressourcen als Waffe …

Ben Riffko: Ja, genau. Aber: Was passiert eigentlich im umgekehrten Fall, wenn Öl überall billig verfügbar wäre? Wer hat dann politisch möglicherweise eine Waffe weniger, nämlich die Waffe knappes Öl, weil er sie gar nicht mehr einsetzen kann? Leider werden heute in vielen unnötigen Kriegen Waffen eingesetzt, die grausam den Mangel an Ressourcen, Öl, Wasser, Nahrung, nutzen, bis hin zu der abscheulichen Strategie, Menschen als Waffen einzusetzen.

Jetzt kommen wir zum Thema Geflüchtete, das auch in Ihrem Roman eine Rolle spielt.

Ben Riffko: Leider ja, denn es gibt wissenschaftliche Studien zum Thema wann, wo und warum Geflüchtete als menschliche Waffe eingesetzt werden. Indem man einen „Flüchtlingsstrom“ auf ein gewisses Land steuert, kann dieses Land in eine wirtschaftliche Krise gezwungen werden. Nehmen Sie nur mal die aktuelle Diskussion zwischen der Türkei, der EU und Syrien.

Eine weitere wesentliche Rolle spielt in „Grünes Öl“ die biotechnologische Forschung im Zusammenhang mit der Gentechnik und der Erforschung von Biowaffen.

Ben Riffko: Im Rahmen der Kontrolle von Biowaffen argumentieren Staaten berechtigterweise damit, dass sie Forschung betreiben müssen, um die Gefahren zu kennen, die solche Waffen auf uns ausüben können. Deshalb betreiben Staaten militärische Forschungseinrichtungen und Labore. In diesen Laboren beschäftigen sich Wissenschaftler mit Viren, die entweder in der Natur zu finden sind oder künstlich hergestellt werden, auch um Impfstoffe als Gegenmittel zu entwickeln. Das wird in meinem Roman angesprochen.

Ein solches Labor steht unter anderem in Wuhan in China. Wenn Sie davon ausgehen, dass das Covid-Virus aus Wuhan stammt, dann ist die Frage virulent: Ist es nicht doch denkbar, dass bewusst oder aus Versehen oder aus einer Mischung aus beiden, ein Virus aus einem militärischen Forschungslabor entwichen ist?

Ben Riffko: Es muss nicht nur Wuhan sein. Nehmen Sie alternativ Fort Detrick in den USA. Einem Schriftsteller sei die Frage gestattet: Wo sind die Ursprünge von Viren zu finden? Kann eine künstliche Erzeugung in einem Labor, außerhalb von in der Natur stattfindenden Vorgängen ausgeschlossen werden? Ende März 2021 hat die WHO jedenfalls gesagt, dies sei bei dem Covid-Virus höchst unwahrscheinlich. Im Umkehrschluss bedeutet ein höchst Unwahrscheinlich aber, es ist nicht unwahrscheinlich. Sonst hätte man schließlich kurz und knapp gesagt: Es ist unwahrscheinlich.

Ölgeschäfte der Terrorgruppen

Lassen Sie uns nochmals auf Ölgeschäfte als Finanzierungsquelle für den Terrorismus zurückkommen, die auch in Ihrem Buch ein besonderes Thema sind.

Ben Riffko: Das hat eine durchaus reale Komponente: Seriöse Zeitungen wie der Guardian oder Independent meldeten, dass der Schwiegersohn des türkischen Präsidenten in den Handel mit Schmuggelöl aus Syrien involviert war. Als ich den Roman geschrieben habe, habe ich viele solcher Pressemeldungen gesammelt und analysiert.  Mir gefällt diese Vernetzung von komplexen realen Vorgängen mit den fiktionalen Möglichkeiten, die ein Roman bietet. Wie bei einer wissenschaftlichen Arbeit hatte ich daher zunächst überall im Text Fußnoten, um diese dem Verlag gegenüber als Quellenangaben zu verwenden. Ich wollte zeigen, dass Teile des Romans auf der Grundlage realer, gut und solide recherchierter Pressemeldungen beruhen. Die Fußnoten sind zum Schluss natürlich alle rausgefallen.

Es wurde ja intensiv in der Öffentlichkeit diskutiert, dass sich der IS und andere terroristische Organisationen über die Besetzung der Ölfelder finanzierten.

Ben Riffko: Genau. Auf der einen Seite sind der Zugriff und die Förderung von Öl eine Frage von Macht. Aber wie schafft man es dann, die Produktion aufrecht zu erhalten, und wie gelangt dieses Terror-Öl – und wir reden da von großen Mengen – in den Vertrieb? Wie kommt es irgendwann zu einem Endverbraucher oder einem Mittler, der bereit ist, viel Geld für dieses illegale – weil von Embargovorschriften kontrolliertem – Öl zu bezahlen? Wer kann diese riesigen Summen stemmen?

Es handelt sich hierbei um Öl im Wert von jährlich mehr als einer Milliarde, das allein für die Terrorfinanzierung des IS genutzt wurde. Wer kann sich erlauben, Öl in solchen Größenordnungen zu kaufen, zu vertreiben und zu handeln? Wie wird es transportiert? Machen das dann „nur“ Organisationen im Untergrund? Wer ist an diesen Geschäften überhaupt beteiligt, wie und wo erfolgen die Waren- und die Geldflüsse?

Wie Sie sehen, zu den Geschäften mit Öl gibt es mehr Fragen als Antworten. Einige Antworten versuche ich in meinem Roman zu geben. Dennoch steht trotz aller aktuellen Brisanz der Themen Terroröl, Flüchtlingsströme, Wirtschaftsspionage, Biowaffen und Viren über allem das Thema der spannenden Unterhaltung.

 

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