2018 sind 8,7 Millionen allein an Luftverschmutzung durch fossile Energien gestorben

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Im Unterschied zu Viren und anderen natürlichen Risiken wie Staub oder Brände könne man die Verbrennung fossiler Energien besser und leichter kontrollieren: „Das ist eine klare Botschaft an Politiker und Stakeholder, den Übergang zu sauberen Energien zu fördern.“

An und mit  dem Coronavirus sind seit über einem Jahr fast 2,4 Millionen Menschen weltweit verstorben. Weltweit starben 2018 57,6 Millionen Menschen an allen möglichen Ursachen. Aber mit 8,7 Millionen sind deutlich mehr Menschen als durch eine Covid-19-Infektion an Luftverschmutzung nur durch Verbrennen fossiler Energie wie Kohle, Diesel oder Benzin gestorben, so eine im Journal Environmental Research veröffentlichte Studie.  2012 sollen es noch 10 Millionen gewesen sein, für den Rückgang waren die Bemühungen Chinas entscheidend, die Luftqualität zu verbessern und Kohlekraftwerke stillzulegen.

Das sind etwa 18 Prozent aller Todesfälle – und da sie nicht auf natürlich Ursache, sondern auf menschengemachte und damit prinzipiell vermeidbare Luftverschmutzung zurückzuführen sind, handelt es sich um vorzeitige Todesfälle. Luftverschmutzung, vor allem Feinstaub, der eingeatmet wird, führt zu Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Infarkte. Die schmutzigsten Regionen finden sich in Südostasien (China, Indien), Nordamerika und auch in Europa, am meisten in Deutschland und Polen. In Europa wird die Lebenserwartung der Bevölkerung um 8 Monate durch von fossilen Brennstoffen verursachte PM2,5 verkürzt, in China um 4,1 Jahre.

Die letzte Studie ging von 4,2 Millionen Toten aus, die durch Feinstaub aller Art im Außenbereich verursacht werden. Die neue Studie korrigiert die Zahl weit nach oben, allein der Feinstaub fossiler Brennstoffe beträgt das Doppelte, was heißt, dass insgesamt an Luftverschmutzung noch deutlich mehr Menschen vorzeitig sterben – jährlich und vorhersehbar, ohne dass eine Panik wie bei Covid-19 ausbricht, um das durch bekannte Ursachen bedingte Massensterben zu reduzieren oder gar auf Null zurückzuführen, zumal dies auch zum Bremsen der Klimaerwärmung entscheidend wäre.  Das Beispiel zeigt wieder einmal, wie unterschiedlich Risiken wahrgenommen werden – und dass neue Bedrohungen zu Abwehrhandlungen und Angst führen, während gewohnte Risiken gleichgültig hingenommen werden, auch wenn sie deutlich höher sind.

Die Wissenschaftler kamen zu den erhöhten Zahlen, indem sie sich nicht mehr allein auf Satellitendaten für die Feinstaubkonzentration PM2,5 stützten, sondern GEOS-Chem, ein globales 3D-Modell der atmosphärischen Chemie heranzogen, das empirisch validiert wurde und eine hohe Auflösung ermöglicht. Dadurch konnte genauer bestimmt werden, wo es hohe Feinstaubkonzentrationen gibt. Dazu kamen neue Abschätzungen, wie gesundheitsschädlich Feinstaub auch in kleineren Konzentrationen sein kann.

Für die Wissenschaftler führt das Ergebnis  zur Forderung, die Verbrennung fossiler Energien möglichst schnell zurückzufahren. Im Unterschied zu Viren und anderen natürlichen Risiken wie Staub oder Brände könne man die Verbrennung fossiler Energien besser und leichter kontrollieren: „Das ist eine klare Botschaft an Politiker und Stakeholder, den Übergang zu sauberen Energien zu fördern.“

Politische Verantwortung nach Covid-19

Die Covid-19-Pandemie wird dazu führen, dass der Druck auf die Regierungen steigt, vermeidbare Gesundheitsrisiken zu reduzieren. Schon allein das Argument, warum man fast 9 Millionen vorzeitige Tode hinnimmt, während die Pandemie mit deutlicher weniger Todesfällen die Politik veranlasste, Länder in einen Lockdown zu versetzen, wird die moralischen Stellschrauben und die Verantwortlichkeit verändern.

Jedes Jahr, indem die Verbrennung fossiler Energien nicht drastisch zurückgefahren wird, macht die dafür verantwortliche Politik und die verantwortlichen Politiker zu Schuldigen, die für unnötige und abstellbare vorzeitige Todesfälle geradestehen müssen. Das vor allem deswegen, weil in der Corona-Krise angeblich die Gesundheit und die Vermeidung von Erkrankungsrisiken durch Lockdowns und Einschränkungen der Grundrechte allen anderen Maßstäben vorangestellt wurde und massive ökonomische Folgen in Kauf genommen wurden.

Es wird interessant werden, wie Politik auf diese neue moralische Normalität reagieren wird, wenn Covid-19 kontrolliert, als Risiko akzeptiert  oder besiegt wird. Lösen Grippewellen ähnliche Folgen aus? Was ist mit Risiken von Lebensmitteln oder Chemikalien? Wird Plastik weiter geduldet, das zu Mikroplastik zerfällt und ins Grundwasser, Tiere und Menschen gelangt? Was wird mit der Diskrepanz der Lebenserwartung gemäß der Kluft zwischen Arm und Reich geschehen? Werden die ärmere Menschen, die eine um Jahre geringere Lebenserwartung haben als reiche und die die Mehrzahl der Gesellschaft darstellen, gegen diese gesundheitliche Ungleichheit revoltieren?

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