Facebook sperrt sich, Anzeigen für die Pestizid-Initiative in der Schweiz freizuschalten

 

Screenshot aus Video der Biostiftung Schweiz

Für die Initiative zu einem Pestizid-Verbot hat die Bio-Stiftung Schweiz eine Kampagne mit Videos über „Pestizidmythen“ gestartet, Facebook sperrt bislang ohne Begründung Anzeigen dafür, was den Eindruck entstehen lässt, dass sich der Konzern in den öffentlichen Diskurs einmischt.

Am 13. Juni 2021 findet in der Schweiz eine Volksabstimmung über die Pestizid-Initiative und die Trinkwasser-Initiative statt. Gefordert wird von der von zahlreichen Organisationen unterstützten Pestizid-Initiave eine „Schweiz ohne synthetische Pestizide“. Dazu soll der „Einsatz synthetischer Pestizide“ sowie die Einfuhr von Lebensmitteln, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt worden sind, verboten werden. Das Verbot soll dann in zehn Jahren in Kraft treten.

Die Initiative „Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz“ fordert eine Verfassungsänderung. Aufgenommen werden soll die sichere Versorgung der Bevölkerung „mit gesunden Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser“. Gefordert wird kein Verbot, sondern zumindest das Streichen von Subventionen an Landwirtschaftsbetriebe, „die Antibiotika in der Tierhaltung prophylaktisch einsetzen oder deren Produktionssystem einen regelmässigen Einsatz von Antibiotika nötig macht“.

Die Bio-Stiftung Schweiz hat zur Bewusstseinsbildung eine Kampagne mit einer Webseite, ein Buch „Das Gift und Wir“ und mehrere Videos „Die Mythen der Pestizidindustrie“ herausgebracht, womit ein “ bewusstseinbildender Beitrag im öffentlichen Diskurs geleistet“ werden soll. Es handelt sich um aufklärende Videos, die argumentativ darlegen, warum der Einsatz von Pestiziden verboten werden soll. Widerlegt werden „Pestizidmythen“.

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Die Videos, die auch auf YouTube gestellt wurden, sollten vor der Volksabstimmung auf Facebook und Instagramm beworben werden. Dort wurden sie aber nach wenigen Tagen blockiert: „Unsere aufwendig produzierten Animationsvideos können jetzt, in der heissen Phase der Meinungsbildung im Abstimmungskampfs um die Agrar-Initiativen nicht beworben werden“, schreibt die Stiftung. „Es drängt sich uns immer wieder der Gedanke auf, dass Facebook bewusst Einfluss im Abstimmungskampf nimmt und ‚ungemütliche‘ Stimmen zensiert. „

Es wird wieder einmal deutlich, wie problematisch es ist, wenn Konzerne, die einen digitalen öffentlichen Raum verwalten, nach eigenen Kriterien, die in Programme umgesetzt werden, filtern, was gesagt/gezeigt werden darf und was nicht. Im Hintergrund steht eigentlich die Verwaltung der Wahrheit, wenn als Fake News eingeschätzte Mitteilungen für eine Veröffentlichung gesperrt werden, die dem Bewussseinsbildungsprozess in einem demokratischen Prozess dienen.

Auch von der Trinkwasserinitiative wurde eine Anzeige vorübergehend von Facebook gesperrt, aber schnell wieder zugelassen, weil sie nicht gegen die Regeln von Facebook verstoßen habe. Anders bei der Bio-Stiftung, wo die Anzeigen weiterhin „inaktiv“ sind. Bluewin.ch hat darüber berichtet und schreibt, dass der zuständige Facebook-Mitarbeiter zusätzliche Infos verlangt, aufgrund eines technischen Defekts sei aber nicht klar, was eingereicht werden soll. Die Bio-Stiftung hat „einen notariell beglaubigten HR-Auszug, die Gemeinnützigkeitsbescheinigung, Rechnungen und andere Dokumente“ nachgereicht, was aber nichts verändert hat.

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Mathias Forster von der Bio-Stiftung schreibt: „Wir versuchen seitdem erfolglos herauszufinden, wo das Problem liegt, bekommen aber vom Support nur den Hinweis auf einen technischen Defekt und keinerlei Angaben, wie lange unser Werbeanzeigenmanager noch gesperrt sein wird.“ Die Frage ist, ob das nur ein Versagen der zuständigen Facebook-Mitarbeiter ist, was auch vorkommen kann, oder ob die Anzeigen tatsächlich als Fake News gelten. Dies weist die Bio-Stiftung aber dezidiert von sich und hat die Fakten ihrer Videos, wie sie sagt, im Vorfeld sowohl mit Experten des Forschungsinstituts für biologischen Landbau wie auch mit Bio Suisse, dem Dachverband der Biobauern*innen, abgestimmt.

Das mag zwar nicht allumfassend objektiv und keineswegs die absolute Wahrheit sein, aber das Bemühen um argumentative Begründung und wissenschaftliche Nachweise macht die Anzeigen bzw. die Videos zu einem Diskursangebot für die Meinungsbildung und keineswegs zu Fake News. Der Begriff wurde wie andere mittlerweile oft zu einem Werkzeug, um unerwünschte Meinungen zu diskreditieren und wie bei Facebook in diesem Fall zu sperren. Das ist für einen demokratischen Diskurs gefährlich, der mehr und mehr in den privaten Räumen der großen IT-Konzerne stattfindet, weil die Politik es versäumt hat, einen öffentlichen virtuellen Raum bereitzustellen. Das ist so, als würde man eine Stadt bauen, aber Plätze und Straßen nicht vorzusehen oder nur solche, die privat sind.

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