Mordvertuschung durch spanische Justiz, um Puigdemont-Anwalt zu verfolgen?

Bild: Cberbell/CC-By-SA 3.0

Dem Anwalt Gonzalo Boye wird Geldwäsche vorgeworfen, doch Geolokalisationsdaten zeigen, dass Teilnehmer an einem angeblichen Treffen sich weit entfernt von Madrid aufhielten

Es ist bekannt, dass Spanien einigen Aufwand betreibt, um die Auslieferung des katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont zu erreichen. In Deutschland ist die spanische Justiz schon damit gescheitert, da die Richter in Schleswig keine Beweise für schwere Anschuldigungen wie Rebellion oder Aufruhr finden konnten. Ist es also Zufall, dass ausgerechnet vor anstehenden Entscheidungen über eine mögliche Auslieferung Puigdemonts aus Belgien, sein spanischer Anwalt mit einer Anklage überzogen wird?

Das Verfahren gegen Puigdemont läuft nun in Belgien, nachdem das Europaparlament mit einer knappen Mehrheit dem Exilpräsidenten kürzlich die Immunität entzogen hat. Sein Madrider Anwalt Gonzalo Boye spielt darin eine wichtige Rolle. Er war gegen alle spanischen Auslieferungsanträge erfolgreich und ist davon überzeugt, dass Spanien erneut scheitern wird.

Jedenfalls wirft die spanische Ermittlungsrichterin María Tardón dem Anwalt in einem merkwürdigen Verfahren  „Geldwäsche“ innerhalb einer „kriminellen Vereinigung“ im Drogenhandel vor. Boye hatte angekündigt, notwendige „Beweise“ vorzulegen, die ihn „ohne Zweifel“ entlasten. Die Richterin meint, er habe „Verträge“ angefertigt, um mutmaßliche Drogengelder über einen „fiktiven Warenkauf“ zurückzuerhalten. 900.000 Euro sollen Angeschuldigte, die gerade angeklagt werden, im Februar 2017 versucht haben aus dem Land zu schmuggeln. Boye soll laut Tardón die „Dokumente“ angefertigt haben, um das beschlagnahmte Geld am Flughafen in Madrid zurückzubekommen.

Boye versichert stets, mit Geldwäsche nichts zu tun zu haben. Er hatte auch darauf hingewiesen, dass bei Durchsuchungen seines Büros, seiner Wohnung oder seines Handys keinerlei Hinweise auf die Vorgänge gefunden wurden. Die Anschuldigungen beruhen allein auf widersprüchlichen Versionen von Zeugen aus dem Drogenmilieu, die angeblich zur Planung der Geldwäsche am 14. Februar 2017 im Büro von Boye im Zentrum von Madrid gewesen sein wollen.

Das Verteidigungsschreiben mit mehr als 70 Seiten, dass Boye kürzlich ans Gericht geschickt hat, hat es in sich. Es erschüttert die Anschuldigungen, wenn es sie nicht vollständig aushebelt. Mit Gutachten zur Geolokalisierung der Handys ausgestattet, weist Boye nach, dass weder er, noch einer der Zeugen der Anklage sich zum Zeitpunkt des angeblichen Treffens in seinem Büro in Madrid befunden haben.

In einem kurzen Film sind die Punkte bezeichnet, wo sich die Beteiligten tatsächlich aufgehalten haben, die angeblich zu diesem Zeitpunkt in Boyes Büro eine Geldwäsche geplant haben wollen. So befand sich der bekannte und mehrfach verurteilte Drogenboss José Ramón Prado Bugallo, bekannt als „Sito Miñanco“, nicht einmal in Madrid. Er befand sich nicht einmal in der Nähe, sondern hunderte Kilometer entfernt im andalusischen Algeciras. Die Geolokalisation habe ergeben, dass er sich zwischen Februar und Juni nicht einmal im Büro aufgehalten hat.

Und das Handy des ebenfalls in einem neuen Drogenprozess angeklagten Manuel Pedro González Rubio, der ebenfalls an dem Treffen im Februar teilgenommen haben will, wurde an diesem Tag in Brasilien registriert. Allein der ebenfalls angeklagte Manuel Puentes Saavedra befand sich in Madrid. Dessen Handy wurde zum Zeitpunkt des Treffens aber an verschiedenen Stellen der spanischen Hauptstadt registriert, aber nicht einmal in der Nähe des Anwaltsbüros.

Letzterer war es, der Boye zunächst „falsch“ angeschuldigt hatte, wie der immer wieder erklärt. Er hat sich für seine Anschuldigung offensichtlich seine Freiheit erkauft. Denn danach ließ die Richterin den Vertrauten des Drogenbosses Sito Miñanco unter Auflagen frei. Das war nicht nur für Boye ein sonderbarer Vorgang. Schließlich gab es etliche deutliche Hinweise darauf, dass Puente Saavedra mindestens einen Mord in Auftrag gegeben haben dürfte. Der Drogentransporteur Santiago Quintero Marín war im Januar 2018 in Kolumbien erschossen worden. Und in der Wohnung von Puente Saavedra wurden Kopien des Führerscheins und des Reisepasses des Opfers gefunden.

Damit nicht genug: „Er hat mir gesagt, dass er seine Liquidierung angeordnet hat“, gesteht Manuel González, ein Vertrauter von Puente Saavedra gegenüber Adriana Moreno ein.  Die hatte den Mord Puente Saavedra in vorhergehenden Telefonaten längst vorgeworfen. Sie wird in einem Firmengeflecht als eine Bevollmächtigte geführt und auch gegen sie wird ermittelt. Sie hat angesichts von „Morden und Morden“ aber Angst, selbst Opfer zu werden. Sie erklärte deshalb González: „Wenn du wegen ein paar Pesos auch meine Familie umbringen willst, ziehe ich es vor, dass du alles behältst und ich ziehe es vor, unter einer Brücke zu leben.“

Dass die Richterin Tardón den Vertrauten von Sito Miñanco nach der zweifelhaften Boye-Anschuldigung freiließ, macht den Vorgang merkwürdig. Natürlich ist Drogenkapo und mutmaßlicher Mord-Auftraggeber abgetaucht. Bekannt waren sowohl der Richterin als auch dem Staatsanwalt die Vorgänge, denn die haben sich sogar mit einem Rechtshilfeersuchen an Kolumbien gewandt. Doch weder wurde wegen des Mords gegen Puente Saavedra ermittelt, noch wurden die kolumbianischen Behörden über dessen Freilassung informiert.

Boye hat deshalb mit 44 weiteren Anwälten die Richterin und den zuständigen Staatsanwalt Ignacio Miguel de Lucas wegen Mord-Vertuschung angezeigt. Tardón, die einst für die rechte Volkspartei (PP) im Madrider Stadtrat saß, und der Staatsanwalt Lucas hätten ihre Posten dazu benutzt, um dem Anwalt schwerwiegend zu schaden.  Angeführt wird in der Anzeige auch, dass sich der Staatsanwalt noch fünf Monate vor der Freilassung auf dessen „bedeutsame Mitwirkung“ an dem Mord hingewiesen hat. Zudem seien der Justiz weitere offene Verfahren von Puente Saavedra bekannt gewesen. Boye hat nun weiter nachgesetzt. Er beantragt gerade, die Richterin wegen Befangenheit zu entfernen, weil sie ein „persönliches Interesse“ daran habe, ihm zu schaden.

Die Vorgänge stinken deutlich nach den spanischen „Kloaken“, die gerade auch die Menschenrechtsaktivistin Helena Malena in Krass & Konkret angegriffen hat, die auch um ihr Leben fürchtet. Dass es unter Regierung der Volkspartei (PP), der auch Tardón angehört, eine illegale „politische Brigade“ in der Polizei gab, die immer wieder falsche Anschuldigungen auch gegen Katalanen produziert hat, ist nicht neu. „Das wird dir die Staatsanwaltschaft anpassen“, hatte zum Beispiel der Ex-Innenminister zu falschen Anschuldigungen in einem aufgenommenen Gespräch erklärt. Jorge Fernández Díaz steht nun selbst vor Gericht, da seine Regierung sogar einen verurteilten „Auftragsverbrecher“ angeheuert haben soll, um Beweise über der Korruption zu beseitigen.

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