Angriff auf unabhängige Medien in Polen: „Medien ohne Wahl“

Protest unabhängiger Medien, hier Polityka. Bild: public domain

In Polen protestieren die regierungsunabhängigen Medien gegen eine Werbesteuer nach ungarischer Art, die Regierung will patriotische Medien im Netz

Der Bildschirm in Schwarz gehalten: „Hier wäre Dein gewünschtes Programm“  las in weißen Lettern, wer sich am Mittwoch durch das Angebot der großen polnischen Privatsender TVN und Polsat zappte.  Auch einige Internetportale und Radios lieferten keine Inhalte, Zeitungen waren auf der Frontseite geschwärzt.

Polens private Medien, welche nicht der Regierung zuneigen,  streikten gemeinsam gegen die Pläne des Finanzministeriums, eine Werbesteuer einzuführen, die dem nationalkonservativ regierten Staat umgerechnet 178 Millionen Euro jährlich einbringen soll.

„Schutzgelderpressung“ nennen dies über 40 Medienunternehmen in einem offenen Brief und warnen vor einem Bankrott eines Teils von ihnen, vor Entlassungen sowie dem Verlust von Inhalten sowie der Lokalberichterstattung.

Auch würden die regierungskritischen Medien noch weit schwächer als die öffentlich-rechtlichen dastehen, welche seit  2016 von der Regierung gesteuert werden; vor allem die Nachrichten des Staatssenders TVP haben stark propagandistische Züge. Sinn des Streiks mit dem Namen „Medien ohne Wahl“ sei es darum, den Polen zu demonstrieren, was übrig bliebe, wenn die kritischen Stimmen der privaten Medien fehlten.

Polnische Gegenwelt mittels „patriotischer“ Medien im Netz

Die Regierung wolle die „freien Medien vernichten“, urteilt die konsequent regierungskritische Zeitung „Gazeta Wyborcza“. Nun müsse sie keine ihrer Affären mehr schweigend übergehen, sie kämen dann gar nicht mehr in den Medien vor. Schon ab Juli soll die Besteuerung gelten, die zwischen zwei und 16 Prozent liegen wird.

Die Hälfte dieser Steuern würde dem Nationalen Gesundheitsfond NFZ zu Gute kommen, 15 Prozent dem Denkmalschutz, problematisch sind die verbleibenden 35 Prozent – sie sollen in einem neu gegründeten „Fonds zur Unterstützung der Kultur und des Nationalen Erbes“ fließen. Ein Projekt des Justizminister Zbigniew Ziobro, der sich gegen die Zensur des „Konservatismus“ in Sozialen Medien wie Facebook stark macht und eine polnische Gegenwelt mittels „patriotischer“ Medien im Netz errichten will.

Die  „digitalen Giganten“ wie Facebook, so betonte Regierungssprecher Piotr Müller, sollen nun zur Kasse gebeten werden. Doch deren Aufwendung für die Werbesteuer könnte nach Berechnungen der Kritiker maximal 22 Millionen betragen, zudem zahlen diese amerikanische Unternehmen keine sonstigen Steuern wie etwa die in Polen ansässigen Medienhäuser.

Von Regierungsseite wird argumentiert, dass die privaten Medien durch die Pandemie profitierten, da der Informationsbedarf der Polen höher sei. Doch diese entgegnen, dass sie genauso durch den Absprung von Werbekunden und die Kündigung von Abonnements litten.

Als Pate für die Idee, die unbequemen Medien mittels Steuern zu reglementieren, steht der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, welcher 2014 ein entsprechendes Gesetz durchsetzte. Dadurch und mittels einer Salamitaktik von Repressionen gibt es aktuell kaum noch unabhängige Medien in Ungarn. Der autoritär regierende Orban gilt als großes Vorbild für Jaroslaw Kaczynski, den Chef der regierenden „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS).

Allerdings glaubt der in Polen lebenden Ungar Edit Zgut, dass die Machtübernahme in Polen nicht so glatt laufen wird. Zum einen sind die Medien in Polen mehr mobilisiert, die Polen reagieren nicht so apathisch auf den Demokratieabbau wie die Ungarn, auch schaut die EU bei dem 40 Millionen Land weniger weg als bei dem weit kleineren EU-Mitglied. Hinzu kommt, dass sich nun der rechtsliberale Juniorpartner der PiS „Verständigung“ unter Jaroslaw Gowin der Novelle entgegen stellen will.

Hinzu kommt, dass die USA ein weiterer Faktor sind, schließlich gehört der größte Privatsender Polens TVN zum US-Konzern Discovery und konnte darum bislang akzentuiert regierungskritisch senden, im Gegensatz zu Polsat.

„Disziplinierung der Medien durch Werbung und Geld, durch Verteilung und Inhalt“

Deutlich wird: Die politische Führung in Warschau, sprich der 71-jährige Jaroslaw Kaczynski, macht Druck in Sachen Medien. Der Einfluss deutscher Verlage auf dem Medienmarkt habe in den Neunziger Jahren die Jugend „demoralisiert“, so der Nationalkonservative vor kurzem.

Einer der großen drei deutschen Verlage hat bereits aufgegeben. Die „Polska Presse“ eine Tochter der Verlagsgruppe Passau verkaufte an den Mineralölkonzern Orlen fast die gesamten Medientitel  – 20 von 24 Regionalzeitungen, 120 lokale Wochenzeitungen sowie 500 Internetportale.

Orlen wird von staatlichen Anteilen kontrolliert, wie der Versicherungskonzern PZU, beide Unternehmen gründeten zusammen vor einem Jahr die Medienagentur „Sigma Bis“; sie soll nach Willen der Regierung als „Nationales Medienhaus“ die Kontrolle über den Werbemarkt erlangen. Verträge von staatlichen Unternehmen mussten gekündigt werden, damit sie von „Sigma Bis“ übernimmt.

Orlen erwarb zudem die verbreitete Kioskkette „Ruch“, welche zusammen mit der Medienagentur und den Zeitungen „ein Trio“ bildet, das „zur Disziplinierung der Medien durch Werbung und Geld, durch Verteilung und Inhalt“ beitragen, so Daniel Obajtek, der Vorsitzende von Orlen, welcher als Ziehsohn von Kaczynski und möglicher Kandidat für den Premierminister gilt, sollte der liberaler eingestellte Mateusz Morawiecki in Ungnade fallen.

Ähnliche Beiträge: