Kommt ein Ende des Steuerdumpings?

Bild: Romain/CC BY-2.0

Man reibt sich fast erstaunt die Augen, dass nun die US‑Finanzministerin Yellen eine globale Mindeststeuer für Unternehmen und mit dem IWF eine höhere Besteuerung für Reiche fordert.

Die ehemalige Chefin der US-Notenbank (FED) und die neue Finanzministerin unter der Regierung Joe Biden fordert einen Mindestsatz zur Besteuerung von Unternehmen weltweit. „Gemeinsam können wir mit einer globalen Mindeststeuer sicherstellen, dass die Weltwirtschaft gedeiht auf der Basis fairer Wettbewerbsbedingungen mit der Besteuerung multinationaler Konzerne“, erklärte Janet Yellen in einer Rede vor dem Rat für globale Angelegenheiten in Chicago.  Ihr schwebt dabei ein Steuersatz von 21 Prozent vor.

Die USA drängen bereits im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf ein multilaterales Abkommen für eine Digitalsteuer. Man arbeite aber bereits an der Mindest-Unternehmenssteuer mit den in 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern (G20‑Gruppe), erklärte die US-Finanzministerin vor dem Beginn des Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. „Es geht darum sicherzustellen, dass Regierungen über stabile Steuersysteme verfügen, die genügend Einnahmen generieren, um in wichtige öffentliche Güter zu investieren und auf Krisen zu reagieren, und dass alle Bürger die Last der Staatsfinanzierung fair teilen.“

Das sind neue Töne aus Washington, die zum Beispiel Sven Giegold hoffen lassen, dass dem ruinösen weltweiten Steuerwettbewerb endlich ein Ende gesetzt wird. Der Grünen‑Finanzpolitiker sieht nun „eine historische Chance“, um den „Steuersenkungswettlauf bei Unternehmenssteuern“ zu beenden. „Schluss mit dem Steuerdumping!“, twitterte er. Er forderte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf, den Vorschlag der US-Finanzministerin aufzugreifen und sich „für 21% als globalen Mindeststeuersatz einsetzen!“ Yellen habe die Hand ausgestreckt, jetzt müsse sie Europa nur ergreifen.

Billionen für die Infrastruktur

Die Finanzministerin beklagt den seit 30 Jahren andauernden Steuerwettbewerb um die niedrigsten Unternehmenssteuersätze. In diesen Wettbewerb war auch die Vorgängerregierung unter Trump eingestiegen. Der hatte die Steuern auf Unternehmensgewinne von 35 auf 21 Prozent gesenkt. Die Biden-Regierung will den Steuersatz nun wieder auf 28 Prozent anheben, also deutlich über den geplanten weltweiten Mindeststeuersatz. Biden will Geld für seine Pläne in die Kassen bekommen, schließlich sollen mehr als zwei Billionen US-Dollar fließen, um die Wirtschaft in der Coronavirus-Krise wieder anzukurbeln.

Mit 620 Milliarden sollen Straßen und Brücken repariert werden. Für gut 300 Milliarden Dollar sollen alte Wasserleitungen ausgetauscht werden, das Breitbandinternet soll ausgebaut und das Stromnetz an die Anforderungen von extremeren Wetterereignissen angepasst werden. Mit 300 Milliarden Dollar sollen alte und neue Sozialbauten renoviert und besser isoliert werden, das Energiesystem soll langfristig umgebaut werden, um Antworten auf die Klimakrise zu finden. Unter anderem sollen Dieselbusse im Nahverkehr durch E-Busse ersetzt werden und eine halbe Million Ladestationen für Elektroautos bis 2030 gebaut werden. Als Ziel wird formuliert, „bis spätestens 2050 eine zu 100 Prozent saubere Energiewirtschaft und eine Netto-Null-Emission“ zu erreichen. Wie das erreicht werden soll, bleibt derweil aber völlig unklar. Es zeichnet sich im Infrastrukturprogramm bestenfalls nur in schwachen Ansätzen ab.

Klar ist aber, dass Biden, anders als sie Vorgänger Trump, seine Maßnahmen nicht über eine weiter explodierende Verschuldung finanzieren will. Deshalb sollen nicht nur die Unternehmensgewinne stärker besteuert werden, sondern insgesamt sollen Reiche in den USA wieder stärker besteuert werden, deren Steuern unter Trump massiv gesenkt worden waren.

Schon im Januar hatte Yellen als designierte Finanzministerin einen Vorstoß gewagt und sich für eine höhere Besteuerung von Reichen eingesetzt, um die Kosten für die Pandemie stemmen zu können. Sie hatte zur Bekämpfung der Krise auch dafür geworben, zu klotzen statt zu kleckern. „Ohne weitere Maßnahmen riskieren wir eine längere und schmerzlichere Rezession und dann eine längere Heilung der Wirtschaft“, hatte sie bei ihrer Anhörung im Finanzausschuss des Senats erklärt. Auch in diesem Rahmen hatte sie sich schon für höhere Unternehmenssteuern ausgesprochen. Sie plädierte schon damals dafür, dass Reiche ihren „fairen Anteil“ an den Kosten übernehmen sollen.

IWF für höhere Steuern für Reiche

Interessant ist, dass sie bei ihren Vorschlägen ausgerechnet vom Internationalen Währungsfonds (IWF) sekundiert wird, der sonst eher mit gegenteiligen Vorstellungen und einer neoliberalen Deregulierung geglänzt hat. Deshalb versuchen Länder, wie zum Beispiel Portugal, sich möglichst schnell aus der IWF-Umklammerung zu entziehen, um politischen Spielraum zu gewinnen.  Doch nun spricht man sich auch im IWF plötzlich für höhere Steuern für Reiche aus. David Amaglobeli, Vitor Gaspar und Paolo Mauro warnen in ihrem Beitrag mit dem Titel: „Jedem eine faire Chance geben“, dass es darüber geholfen werden könne, „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ zu schaffen, wird indirekt vor dem Zerfall und vor Unruhen gewarnt.

Die Covid-Pandemie habe den „Teufelskreis der Ungleichheit“ verschärft und die schwächsten Gruppen am härtesten getroffen, hört man nun aus der Finanzinstitution. Ein wenig Feminismus wurde auch eingearbeitet und festgestellt, dass „Frauen in den von COVID-19 betroffenen Sektoren wie dem Gastgewerbe und dem Einzelhandel tendenziell überrepräsentiert sind“ und damit von der Pandemie „besonders betroffen“ sind. Das gelte vor allem in ärmeren Ländern. Das alles sind neue Töne aus einem IWF, der zum Beispiel mit seinen Austeritätsprogrammen in Griechenland zur massiven Verarmung breiter Schichten genauso beigetragen, wie bei der Ausblutung des Gesundheit- oder Bildungssystems.

Um den Teufelskreis zu durchbrechen und jedem eine faire Chance auf Wohlstand zu geben, wird nun festgestellt, dass „Regierungen den Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen – wie Gesundheitsversorgung (einschließlich Impfungen) und Bildung – verbessern und die Umverteilungspolitik stärken“ müssten. Hohe Sozialausgaben seien aber nur dann wirksam bei der Armutsbekämpfung, „wenn sie eine angemessene Unterstützung bieten und die ärmsten Schichten der Gesellschaft abdecken“, wird erklärt.

Doch für die Verbesserung beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen werden natürlich auch zusätzliche Ressourcen benötigt. Die könnten je nach den Gegebenheiten des Landes durch die Stärkung der allgemeinen Steuerkapazität aufgebracht werden. Viele Länder könnten Vermögens- und Erbschaftssteuern erhöhen oder einführen oder auch die Steuerprogression anheben, um hohe Einkommen stärker zu besteuern. Einige Regierungen hätten auch Spielraum, um die Spitzensteuersätze anzuheben, während andere die Beseitigung von Schlupflöchern bei der Besteuerung von Kapitaleinkommen konzentrieren könnten. Darüber hinaus könnten auch temporär eine Abgabe für Haushalte mit hohen Einkommen eingeführt und die Unternehmensbesteuerung reformiert werden.

Man darf gespannt sein, ob es sich um eine Minderheitsmeinung handelt oder sich etwas gesunder Menschenverstand angesichts der Tatsache durchsetzt, dass Portugal nach der Finanzkrise etliche der nun angesprochenen Ziele deswegen erreichte, weil es die IWF-Programme nicht umgesetzt hat.  Stattdessen erhöhte die Linksregierung Löhne und Renten, weitete Sozialleistungen wieder aus und baute die Arbeitslosigkeit massiv ab. So wurde viel Geld in die Kassen gespült, womit aus einem Defizit sogar ein Haushaltsüberschuss wurde.

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