Marokko bricht wegen Westsahara-Konflikt Beziehungen zu Deutschland ab

Bir Lehlou in der Westsahara. Bild: Jørn Sund-Henriksen/CC BY-SA-3.0

 

Dass zum 45. Jahrestag die Fahne der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) an der Bremer Bürgerschaft wehte, bringt Rabat offenbar besonders auf.

Ein internes Schreiben des marokkanischen Außenministers Nasser Bourita an alle Mitglieder der Regierung fordert den Abbruch aller Kontakte mit der deutschen Botschaft in Rabat. Das Schreiben wurde an verschiedene Nachrichtenagenturen durchgestochen. Die Ministerien und alle ihnen unterstellten Einrichtungen werden angewiesen, „jegliche Kontakte, Interaktionen oder Kooperationen mit der deutschen Botschaft in Marokko und mit den mit ihr verbundenen deutschen Kooperationseinrichtungen und Stiftungen unter allen Umständen und in jeder Form auszusetzen“.

Es gibt in dem Schreiben keine klaren Hinweise darauf, was den Zorn in Rabat gegen Berlin und die Botschaft erzeugt hat. Bourita spricht nur von „tiefen Missverständnissen in grundlegenden Fragen“. Dem Auswärtigen Amt in Berlin ist unklar, was Rabat zu dem drastischen Schritt veranlasst hat. Die Bundesregierung sehe keinen Grund für eine Beeinträchtigung der guten diplomatischen Beziehungen zu Marokko. Man habe die marokkanische Botschafterin in Berlin zu einem dringenden Gespräch und um Erläuterung des Vorgangs gebeten.

Man darf davon ausgehen, dass es die marokkanische Regierung selbst war, die das diffus verfasste Schreiben als Warnung an Deutschland geleakt hat, um Druck auf die Bundesregierung zu machen. Allseits wird davon ausgegangen, dass der Konflikt über die von Marokko völkerrechtswidrig weitgehend besetzte und annektierte Westsahara im Hintergrund steht, die reich an Bodenschätzen ist. Auslöser für das neue Verhalten könnte sein, dass am 27. Februar die Fahne der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) an der Bremer Bürgerschaft wehte. Die hatte getwittert: „#OnThisDay vor 45 Jahren wurde die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) ausgerufen. Doch bis heute beansprucht Marokko das Gebiet, die Menschen leben als Flüchtlinge in Lagern. Daran erinnert heute die Bremische Bürgerschaft mit #WestSahara #Bremen #FlaggeZeigen.

Dass zwei Tage danach die Beziehungen abgebrochen werden, ist ein klares Indiz dafür. Bekannt ist, dass Marokko sehr gereizt auf jede Solidarität mit den Sahrauis reagiert. So hatte Marokko zum Beispiel zu einem Ikea-Boykott aufgerufen, weil auch Schweden die DARS anerkennen wollte.  Das Selbstvertrauen des autokratischen Regimes ist darüber gewachsen, dass Schweden eingeknickt ist und nicht als erstes europäisches Land die DARS anerkannt hat. Anerkannt wurde das Vollmitglied der Afrikanische Union im Laufe der Jahre von insgesamt 85 Ländern.

Besonders gestärkt wurde Marokko aber über die einseitige Entscheidung durch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der kurz vor seinem unrühmlichen Abgang im vergangenen Dezember plötzlich den Anspruch Marokkos über die Westsahara anerkannt hatte.  Im Gegenzug will Marokko dafür seine Beziehungen mit Israel normalisieren. Damit hatte Trump den kurz zuvor nach 40 Jahren Waffenstillstand erneut aufgeflammten Krieg zwischen der Befreiungsfront Polisario und Marokko angeheizt.

Fast 40 Jahre hatten die Sahrauis, die zu einem guten Teil in Wüstenlagern leben, darauf gewartet, dass die UN-Mission (Minurso) nach dem Waffenstillstand von 1991 das im Waffenstillstandsabkommen vereinbarte Referendum über die Unabhängigkeit organisiert. Doch die Minurso brachte das nicht zustande, das Referendum wurde von Marokko systematisch hintertrieben. Angesichts ständiger marokkanischer Provokationen platzte den Sahrauis schließlich im vergangenen November der Geduldsfaden. Nachdem Marokko militärisch gegen eine Straßenblockade in der entmilitarisierten Zone vorgegangen ist, nahm die Polisario den bewaffneten Kampf wieder auf.  Diese Straße, über die Ressourcen aus der Westsahara nach Mauretanien transportiert werden, dürfte es eigentlich auch nicht geben.

Seit langem bietet das marokkanische Regime der Westsahara nur noch eine begrenzte „Autonomielösung“ an, die auch von Trump unterstützt wurde. Der neue US-Präsident Joe Biden hält sich in der Frage bisher bedeckt. Zwar hat Biden zu Beginn seiner Amtszeit einige Entscheidungen von Trump zurückgenommen, doch die Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara zählte nicht dazu.

Dass Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan kürzlich in einem Statement die weitere Normalisierung diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Ländern betonte, lässt vielmehr vermuten, dass der Westsahara-Kurs von Trump nicht rückgängig gemacht wird. Begünstigt wird das auch dadurch, dass in der EU ein dröhnendes Schweigen zur völkerrechtswidrigen Politik des Handelspartners Marokko herrscht und Brüssel in der Westsahara über massive Menschenrechtsverletzungen hinwegsieht.

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