„Novomatic zahlt alle“

Novomatic Geschäftszentrale Gumpoldskirchen. Bild: Erich Hussmann

Täglich grüßt das Murmeltier in Wien und verkündet immer neue spektakuläre Beschuldigungen. Eine Hausdurchsuchung beim amtierenden Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bedeutet einen weiteren Höhepunkt.

Bei den zahlreichen Korruptionsaffären in Österreich ist der Überblick schnell verloren. Glücklicherweise gibt es gewisse „Fixsterne“, die immer wieder auftauchen und eine gewisse Orientierung geben. Ein solcher ist der Glücksspielkonzern Novomatic, der nun erneut ins anrüchige Rampenlicht rückt. Von dem Konzern meinte einst der frühere FPÖ-Chef HC Strache im Ibiza-Video: „Novomatic zahlt alle“.

 

Tatsächlich ist die Verwobenheit des Konzerns mit den Spitzen der österreichischen Politik unübersehbar. Mitglieder aller Parteien nutzten die „Drehtür“ in den Konzern und waren dort nach ihrer aktiven Zeit in der Politik in der einen oder anderen Form untergekommen. Ob es allerdings je strafrechtlich relevante Gefälligkeiten von aktiven Politikern gab, ist meist sehr schwer nachzuweisen und beschäftigt die Ermittlungsbehörden für viele Jahre. Bis zu einer Verurteilung muss deshalb betont werden: „Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.“ Ein längst berüchtigter Stehsatz in der österreichischen Politik.

„Bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz“

Die jüngsten Erkenntnisse über die Beziehung von Novomatic zur ÖVP müssen als zumindest kurios bezeichnet werden. SMS-Kommunikationen aus dem Jahr 2017 wurden bekannt, in denen der einstige Vorstandsvorsitzende Harald Neumann an Gernot Blümel kurz und bündig schrieb, er würde um ein Gespräch mit Kurz bitten, weil „erstens wegen Spende und zweitens wegen einem Problem das wir in Italien haben“.

Knapper könnte Korruption kaum formuliert werden. Blümel geriet wegen dieses inkriminierenden SMS nicht etwa in Rage, sondern leitete die Anfrage mit Küsschen-Smiley weiter. Man ist solcherlei anscheinend in der ÖVP gewohnt.

Das „Problem in Italien“ bezog sich wohl auf 60 Millionen Euro Steuernachzahlungen, die von einer italienischen Tochtergesellschaft der Novomatic gefordert wurden und die den Börsengang des Mutterkonzerns gefährdeten. Wenig später war die Summe auf ein Drittel runtergehandelt. Welche Rolle dabei die ÖVP und ihr damaliger Außenminister Sebastian Kurz gespielt haben ist ungeklärt.

Strafrechtlich relevant ist in Korruptionsfällen nicht allein die nachgewiesene Zahlung und erbrachte „Leistung“ durch Beeinflussung von Behörden, sondern auch schon die offenkundige Empfänglichkeit für Angebote dieser besonderen Art. Und hier dürfte die Luft dann langsam dünn für die „türkise Bewegung“ der ÖVP werden.

Der Finanzminister Gernot Blümel wird jetzt als Beschuldigter in der Untersuchung geführt. Dieses Faktum und die bei ihm durchgeführte Hausdurchsuchung dürfen als neue Qualität gelten, denn so etwas hat es lange nicht mehr gegeben. Blümel hält die Vorwürfe für leicht zu entkräften, denn in der ÖVP gebe es die von ihm und Sebastian Kurz befolgte Regel, niemals Geld von Glücksspielkonzernen zu nehmen.

Seit der Ibiza-Affäre ist das Bemühen um eine bessere Kontrolle der Parteienfinanzierung in Österreich groß und ergebnislos. Der Rechnungshof kann die Parteifinanzen nicht überprüfen, die Parteien prüfen sich vielmehr selbst mittels beauftragter Wirtschaftsprüfer. Ein ungeheuerliches Privileg, das sich Steuerzahler vielleicht auch wünschen würden.

Umgekehrt wirkt nun die Aussage der ÖVP, kein Geld von Novomatic erhalten zu haben, wenig überzeugend, wenn der Beleg dafür die eigene Überprüfung der eigenen Bücher sein soll. In der eilig einberufenen Pressekonferenz am 11.2 2021 im Finanzministerium wurde der Minister am Schluss gefragt, ob es, wenn schon keine Zahlungen direkt an die ÖVP erfolgten, dann doch zumindest Spenden an ÖVP-nahe Vereine gegeben habe. Die Frage blieb unbeantwortet. Blümel verließ den Saal.

 

Für den Finanzminister ist die Untersuchung grundsätzlich unverständlich. Er wollte doch lediglich einem österreichischen Unternehmen helfen, das in Schwierigkeiten geraten sei. Ein ganz normaler Vorgang mithin.

Allerdings lässt er hierbei geflissentlich unter den Tisch fallen, von welcher Natur die Geschäfte von Novomatic sind. Das entsetzliche Unglück der Spielabhängigen ist im Zusammenhang mit dem Konzern nie Thema. Zwar besteigt die ÖVP gerne das moralisch hohe Ross und betont eben, niemals Geld von Glücksspielfirmen zu nehmen, findet dann zugleich aber auch nichts dabei,einem solchen Unternehmen bei Steuersachen im Ausland zu helfen.

Auch Novomatic bestreitet alle Zahlungen. Aus dem sehr aufschlussreichen internen SMS-Verkehr der Novomatic geht allerdings hervor, dass man um das damals geringe Spendenaufkommen für die ÖVP wusste und die Firmenleitung muss sich die Frage gefallen lassen, weshalb dies überhaupt ein relevanter Diskussionspunkt für die Chefetage gewesen sein kann.

Auswirkungen der neuen Enthüllungen

Die Affäre zieht nun ihre Kreise und die politische Bewertung ist für die Opposition bereits abgeschlossen. Blümel müsse sofort zurücktreten, weil ein Beschuldigter als Minister untragbar sei. Offen sei jetzt die Frage, wie viele rote Linien noch überschritten werden können und ob der Minister vielleicht die Amtsgeschäfte auch aus der Untersuchungshaft weiterzuführen gedenke.

Für die ÖVP und Minister Blümel liegt die Zwickmühle darin, dass ein Rücktritt wie ein Schuldeingeständnis wirken würde, ein Verbleiben im Amt ihn aber blockiert. Die Opposition wird das Thema nicht fallen lassen und sie hat gute Argumente an der Hand. Wie kann ein Finanzminister, der für die Überwachung des Glücksspiels Sorge zu tragen hat, arbeiten, wenn er selbst dem Verdacht unterliegt, von einem Glücksspielkonzern bestochen worden zu sein?

 

Wie lange können die Grünen die Taktik des Wegduckens  noch durchhalten?

Für die Opposition mag die Sache einfach sein, für den ÖVP-Koalitionspartner, die Grünen, ist es dafür umso schwerer. Ihr Parteichef Werner Kogler wirkt längst wie eine Landschildkröte, die am liebsten den Kopf überhaupt nicht mehr aus dem Panzer strecken würde.

Der hitzig geführte Streit um den Innenminister Karl Nehammer und dessen Abschiebungen von in Österreich geborenen und im Land aufgewachsenen Kindern hat die grüne Partei schwer beschädigt. Bei einem Misstrauensantrag gegen den Minister blieben die Grünen aus Protest gegen Nehammer der Regierungsbank fern. Da aber die ÖVP eine namentliche Abstimmung durchgesetzt hatte, waren die Grünen gezwungen, dem Innenminister jenes Vertrauen auszusprechen, das sie nicht mehr in ihn haben.

Andernfalls wäre die Koalition geplatzt und das hätte wohl der ÖVP in die Karten gespielt. Deshalb ertragen die Grünen lieber stillschweigend die schillernden Korruptionsfälle der ÖVP und auch die beeindruckenden „Beweise“ für deren Wirtschaftskompetenz. Gerade erst musste die ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck eingestehen, eine Million für das „Kaufhaus Österreich“ ausgegeben zu haben, womit heimischen Wirtschaftstreibenden ein besserer Handel im Internet ermöglicht werden sollte. Es zeigte sich aber leider zum Überraschen der Ministerin, dass Amazon nicht mit einer Homepage besiegt werden kann.

Der grüne Vizekanzler Werner Kogler hatte vor der Koalition einst getönt, der „halbe ÖVP-Vorstand müsste sich im Häfen [wienerisch für Gefängnis] treffen“. Nun will er aber als interimistischer Justizminister nicht der Justiz und ihren Ermittlungen vorgreifen. Es ist fraglich, wie lange die Grünen diese Taktik des Wegduckens noch aushalten können.

Die ständigen Korruptionsaffären zeichnen ein trauriges Bild des Landes. Es wird zwar allseits und unaufhörlich nach Reformen und mehr Transparenz gerufen, in der Praxis zeigt sich aber, wie schwer diese umzusetzen sind. Zumindest gibt es seit dem Jahr 2009 eine eigene Ermittlungsbehörde für Korruption.

Der Verdacht gegen Blümel muss groß sein

Von der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wird die schöne (und sicherlich unwahre) Anekdote erzählt, dass man in den dortigen Räumlichkeiten das Übermaß an Akten nur mehr auf dem Boden stapeln könne. Nach einer Weile seien die Mitarbeiter*innen vor der schwerwiegenden Entscheidung gestanden, die Aktenberge am Boden entweder so zu platzieren, dass sich die Türen zu den Büros nicht mehr öffnen oder nicht mehr schließen lassen. Da ersteres bedeutet hätte, durch das Fenster zur Arbeit gehen zu müssen, entschied man sich zu letzterem.

Die Behörde selbst ist seit längerem im Kreuzfeuer und unter großem politischem Druck, der sich jüngst in einer Anzeige an eine Journalistin entlud, die angeblich den Ruf der Behörde geschädigt habe. Die Wiener Staatsanwaltschaft konnte aber nicht einmal einen Anfangsverdacht finden.

Die offensichtliche Nervosität der Behörde ist gut nachvollziehbar. Nachdem bereits im Jahr 2018 eine Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz durchgeführt wurde, die zu keinem nennenswerten Ergebnissen führte, dürfte allen Beteiligten klar sein, wie gefährlich eine solche Maßnahme ist und wie schwer sich die WKStA selbst schädigen würde, wenn bei Finanzminister Blümel nichts gefunden würde. Der Verdacht muss also groß und wohlbegründet sein. Somit lässt sich zu diesem Zeitpunkt bereits sicher sagen, dass diese neuerliche Affäre das Ende von Karrieren bedeuten wird, es ist nur noch nicht klar, welche es treffen wird.

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