Wird Afghanistan zum Sammelgebiet von Islamisten

Präzise getroffen, aber´in einer engen Wohnumgebung sind „Kollateralschäden“ kaum zu vermeiden oder werden in Kauf genommen. Bild: Tolonews

Schon jetzt sollen sich 10.000 ausländische Islamisten im Land aufhalten, darunter IS-K, die auch Verbindungen zu den Taliban haben. Als Islamisches Emirat wird es etwa attraktiv für Islamisten aus Syrien oder aus den Nachbarländern sein.

In Kabul wurde gestern vom Pentagon mit einer Kampfdrohne ein Fahrzeug in die Luft gesprengt, mit dem IS-K, der afghanische Ableger des Islamischen Staats angeblich einen Anschlag in der Nähe des Flughafens ausführen wollte. Nachdem Pentagon soll auf die erste Explosion eine zweite erfolgt sein, was zeige, dass das Fahrzeug mit Sprengstoff beladen war.

Nach dem Pentagon soll niemand zu Schaden gekommen sein, Augenzeugen berichteten, dass Zivilisten, darunter auch Kinder, getötet worden seien. Manche sprechen von neun Kindern, aber das lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen, allerdings hat auch CNN die Behauptung aufgegriffen. Das Pentagon will das überprüfen, eine oft geäußerte Leerformel. Aber sollten wieder einmal Zivilisten und Kinder bei einem Drohnenanschlag getötet worden sein, wird dies das Ansehen der USA weiter verschlechtern.

Vor einem Anschlag hatte bereits US-Präsident Joe Biden gewarnt. Ob das US-Militär dabei mit den Taliban kooperiert hat, weiß man nicht, beide Seiten mussten interessiert sein, dass ein Anschlag wie der der letzte verheerende nicht noch einmal geschieht. Wenn es eine Kooperation gab, dann musste dies Khalil Haqqani vom Haqqani-Netzwerk stattfinden, auf den die USA ein Kopfgeld von 5 Millionen US-Dollar ausgesetzt haben. Das wäre also politisch heikel. Die Taliban hatten jedenfalls den Flughafen bereits weiträumig abgesperrt, um zu verhindern, dass sich wieder wartende Menschenmassen dort versammeln können.

Schon zuvor hat das Pentagon als Rache auf den Anschlag, der 13 Marines ihr Leben kostete, einen Drohnenangriff in Nangarhar ausgeführt, bei dem zwei IS-K-Mitglieder getötet worden sein sollen, die mit der Planung des Anschlags zu tun hatten.  Biden hatte erklärt, man werde die Verantwortlichen jagen und zur Verantwortung ziehen. Das könne man auch mit einem Krieg aus der Ferne mit, wie es neuerdings gerne heißt, „Over the horizont“-Angriffen. Das soll heißen, die USA können auch Krieg in einem Land führen, ohne mit Bodentruppen und Stützpunkten präsent zu sein. Man fliegt Angriffe mit Drohnen, Flugzeugen oder Raketen von einem anderen Land oder von Kriegsschiffen aus. Allerdings hat bereits Abdulhaq Wasiq vom Taliban-Politbüro erklärt, dass die USA nach den Doha-Abkommen keine Luftangriffe in Afghanistan ausführen dürfen. Überdies würden die USA die Präsenz des IS in Afghanistan übertreiben.

Aber nach dem Erfolg der Taliban und dem IS-K, ihren globalistischen Konkurrenten, muss man damit rechnen, dass Afghanistan attraktiv für islamistische Kämpfer und Gruppen werden wird, zumal vermutlich die Taliban nicht gewährleisten können, dass keine anderen islamistischen Gruppen sich im Land aufhalten.

Schon jetzt soll es in Afghanistan um die 10.000 ausländische Kämpfer geben, darunter geschätzte 2000 IS-K-Kämpfer und vielleicht ein paar hundert als-Qaida-Mitglieder. Manche Gruppen sollen sich mit den Taliban verbündet haben, die wiederum die Gefängnisse geöffnet und dabei nicht nur Taliban-Mitglieder, sondern auch ausländische Kämpfer befreit haben, die nun wieder mitmischen.

Man sollte nicht vergessen, dass der Krieg gegen das Taliban-Regime 2001 zur Verbreitung von al-Qaida im Irak und in Syrien geführt hat, der Irak-Krieg hat den islamistischen Terrorismus weiter gefördert und brutaler gemacht. Der Sieg über den Islamischen Staat im Irak und in Syrien hat nicht zu dessen Auslöschung geführt, im Irak wird nun aus dem Untergrund heraus gekämpft, in Syrien hält der Westen mitsamt der Türkei die schützende Hand über die Islamisten in Idlib, wo vor allem der al-Qaida-Ableger HTS agiert, der Türkei haben sich viele Islamisten angeschlossen, die nun in den türkisch besetzten Gebieten Syriens leben und diese kontrollieren.

Wenn jetzt die Taliban die westlichen Mächte aus Afghanistan vertrieben haben, könnte das Islamische Emirat zur Attraktion der islamistischen Abenteurer werden, die auf der Suche nach einem neuen Kalifat sind. Sultan al-Kanj schrieb in Al-Monitor, dass der HTS den Erfolg der Taliban gefeiert hat. Das sei auch bei Gruppen der Fall gewesen, die HTS feindlich gesinnt sind. Während HTS ähnlich wie die Taliban eher nationalistisch orientiert sind, könnten die stärker globalistisch ausgerichteten Gruppen für sich mehr Chancen in Afghanistan sehen.

Auch wenn die Taliban dort versuchen werden, sich als Staatsmacht zu etablieren und schon aus Rücksicht auf die Nachbarländer keine ausländischen Terrorgruppen zu beherbergen, dürfte ihnen dies kaum gelingen, weil die Grenzen zwischen den islamistischen Gruppierungen zu unscharf sind, ständig Wechsel stattfinden und die überschüssigen jungen Männer auf Abenteuer und Kampf aus sind. Viele ausländische Kämpfer in Syrien kommen aus afghanischen Nachbarländer wie Usbekistan oder Tadschikistan, aber auch aus Russland oder Chine. Die Taliban haben gezeigt, dass der bewaffnete Kampf erfolgreich sein kann, aber ihr Sieg dürfte auch dazu führen, dass sie die staatliche Kontrolle nur bedingt innehaben, wie dies auch bei der gestürzten und geflohenen Regierung der Fall war, wo schon lange große Teile von den Taliban kontrolliert wurden und sich eben der IS-K trotz Militärpräsenz des Westens ausbreiten konnte.

Es wird vermutlich viel Anlass für die Amerikaner geben, den Krieg aus der Ferne in Afghanistan mit „Over-the-horizon“-Angriffen und -Strategien zu proben. Dabei werden keine US- oder Nato-Soldaten sterben, man wird also nicht näher hinschauen, was da passieren wird. Gut möglich, dass Russland und China auch von ihrem Taliban-Schmusekurs abkommen und auch militärisch im neuen islamistischen Staat mitmischen. Und gut möglich ist, dass dann erneut Angriffe auf den Westen (und Russland und China) vom neuen islamistischen Herzland geplant und ausgeführt werden. Der Islamische Staat hat schon gezeigt, wie das geht. Dem Spruch „Nichts ist gut in Afghanistan“ ist nach 20 Jahren Krieg nichts hinzuzufügen, der offenbar alles nur schlechter gemacht hat – nicht nur in Afghanistan, sondern auch in der Region, im Nahen Osten und in Afrika

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