Baerbock: Absichtliches Verwischen der Quellen?

Das eigentliche Skandalon ist, dass die grüne Kanzlerkandidatin in ihrem Buch vermutlich bewusst versucht hat, bei der Aneignung fremder Inhalte Plagiatsvorwürfe zu vermeiden.

 

Wenn sich schon der politische Gegner zurückhaltend oder versöhnlich zeigt, wird es schwierig. Der Gegner wird nicht mehr ernstgenommen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat nun vorgemacht, wie ein fürsorglicher Vater einer Tochter, die daneben gelangt hat, mit einem Tätschler vermeintlich wieder auf die Beine helfen will. Er halte die Kritik für übertrieben, er rate zur Gelassenheit. Viele Bücher seien geschrieben worden“, sagte er der SZ, „bei denen man aus anderen Programmen, aus anderen Konzepten einfach Dinge wiedergibt.“ Und es sei ja auch keine wissenschaftliche Arbeit, da müsse man Quellen auch nicht angeben. Damit wird das Wildern freigegeben.

 

Nun hat Seehofer in seiner Partei den Adeligen von Guttenberg, der hemmungslos in seiner Gier nach einem akademischen Titel Copy&Paste einsetzte, um sich keine eigenen Gedanken machen zu müssen und dennoch narzisstisch als Autor zu brillieren. Baerbock, die grüne Kanzlerkandidatin, ist nicht unbedacht in die Fußspuren anderer PolitikerInnen getreten, die sich durch akademische Titel und Bücher aufwerten wollen. Man fragt sich, warum eigentlich? Ist ein Dr.-Politiker oder eine mit Buch, das mit oder von einem Ghostwriter verfasst wurde, irgendwie besser oder kompetenter.

 

Zweifellos sollte Baerbocks Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ schlicht ihrer Kandidatur eine Grundlage verschaffen und ausweisen, dass da eine Politikerin antritt, die sich ihre eigenen Gedanken macht und nicht nur ein Parteiprogramm vertritt. Es sollte authentisch sein, gerade deswegen hätte Baerbock und diejenigen, die mit ihr das Buch fabriziert haben, darauf achten sollen, dass es auch ein persönliches Buch ist. Aber die Neigung zur Selbstinszenierung und Selbstüberhöhung war offenbar doch zu groß, was schon beim Lebenslauf aufgefallen war, während sie „vergessen“ hat, Einkommen beim Bundestagspräsidenten anzugeben.

Beim Buch hat sie auf Angaben auf Quellen verzichtet. Wer mag ihr dazu geraten haben? Wahrscheinlich dachte man sich bei den grünen Parteistrategen, Quellenangaben sind unsexy, behindern das Lesen und machen nur unnötig darauf aufmerksam, dass das Genie nicht einsam kreativ ist.  Quellen oder Zitate sind aber nicht nur Pflicht bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen, sondern auch ein Muss bei Sachbüchern. Die Angabe, woher man Gedanken und Formulierungen bezieht, ist auch  eine Anerkennung der Leistung von anderen. Wer gleichrangig auftreten will und nicht nur heimlich hamstert, um sich mit fremden Federn aufzuplustern, sollte Zitate als solche kennzeichnen und angeben, woher man bestimmte Gedanken, Inhalte, Fakten bezieht.

Hätte Baerbock mitsamt ihren Ghostwritern nur mit Copy&Paste gearbeitet, könnte man ja noch entschuldigend sagen, sie wussten nicht, was sie taten. Aber sie wussten sehr wohl, was sie machten. Das Prinzip der bislang von Plagiatsjäger Stefan Weber veröffentlichten Stellen ist ja, dass die Formulierungen meist leicht verändert wurden, was darauf schließen lässt, dass ein Bewusstsein dafür vorhanden war, dass Texte mit Plagiatssoftware untersucht werden könnten und man sich schützen wollte. Aber Baerbock und Co. wollten gezielt vermeiden, als Plagiatoren erkannt zu werden. Dummerweise haben sie offenbar darauf verzichtet, die geklauten und anverwandelten Textstücke durch Plagiatsprogramme zu jagen, um zu vermeiden, dennoch aufzufliegen.

 

Baerbock und die Grünen haben bislang desaströs auf die Vorwürfe reagiert, Stefan Weber persönlich angegriffen und versucht, das Vorgehen zu verschleiern und rechtlich gegen die Kritik vorzugehen. Nur keine Selbstkritik, die Bösen sind die anderen. Das kann nicht gut gehen, entsprechend sind die Grünen dank ihrer an der Perfektion und Selbsterhöhung gescheiterten Kanzlerkandidatin in Umfragen eingebrochen. Das scheint jetzt in der Parteizentrale und bei Baerbock angekommen zu sein.

Baerbock sagte der SZ, sie nehme die Kritik „ernst“. Aber es bleibt doch bei Abwehr. Sie habe „bewusst auf öffentlich zugängliche Quellen zurückgegriffen“ (ohne sie zu nennen). Rückblickend meinte sie, es wäre „sicherlich besser gewesen, wenn ich doch mit einem Quellenverzeichnis gearbeitet hätte“. Es wäre nicht besser gewesen, sondern ehrlicher und anständiger. Gerade im Internetzeitalter ist es entscheidend, auf Quellen zu verlinken oder hinzuweisen, anstatt sie darum zu bemühen, die Quellen zu verbergen.

Stefan Weber schreibt daher zu Recht: „Ich vermute stark, dass auf Quellennennungen, die ja auch im Fließtext und nicht in Fußnoten möglich gewesen wären, absichtlich verzichtet wurde, weil die Leser und Rezensenten sich ansonsten gefragt hätten, wo in diesem Buch überhaupt originäre Ideen und Formulierungen von Frau Baerbock zu finden sind. Eine Täuschungsabsicht des Lesers und Rezensenten zeichnet sich somit ab.“

Nicht unbedingt die naive Übernahme fremden Eigentums egal welcher Provenienz, sondern der bewusste Versuch, die Aneignung zu verschleiern, ist das Skandalon (hochpeinlich und zum Fremdschämen der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer bei Lanz dazu). Dazu kommt, was Weber auch anmerkt, dass hier eine Haltung praktiziert wird, mit dem Staubsauger von Suchmaschinen Inhalte einzusammeln, anstatt sich eigene Gedanken zu machen. Während man Bastler, Sammler und Sampler ist, gibt man sich als Schöpfer und kreativen Denker, anstatt sich als Repräsentanten einer Bewegung darzustellen, der das Kollektiv, auf das man sich stützt, auch zu benennen. Das ist auch eine schlechte Führungsqualität. So wird das nichts.

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