Corona-Proteste werden zu Berliner Polizeidesaster

Polizei wird überrannt. Screenshot von Twittervideo

Tausende halten sich nicht an mutwillige Demonstrationsverbote – Ein Demonstrant stirbt, ein anderer wurde vermutlich ernsthaft verletzt.

 

Bei den Corona-Protesten am Wochenende in Berlin ist nach Auskunft der Polizei ein Mann kollabiert und verstorben, ein anderer wurde – vermutlich – ernsthaft verletzt. Der Verstorbene war zuvor von der Polizei kontrolliert und seine Identität festgestellt worden. Er soll obduziert werden. Bei einem anderen Zwischenfall wurde ein Mann verletzt, als er bei einem Konflikt mit Beamten in eine Glasfront fiel, beziehungsweise gestoßen wurde. Die Polizei verschweigt diesen Vorfall. Die Presse weiß nichts davon oder interessiert sich nicht dafür.

Wer glaubt, die politischen Probleme des Corona-Ausnahmezustands mit der Polizei lösen zu können, erfuhr am Wochenende in Berlin eine gründliche Lektion. Dasselbe gilt für eine größenwahnsinnige Polizei, die meint, ihre Macht beliebig missbrauchen zu können. Die Polizeistrategie, Anti-Lockdown-Proteste einfach wegverbieten zu wollen, wurde zum Desaster. Über weite Strecken verlor die eigentlich erfahrene Berliner Ordnungsmacht die Kontrolle über die aus ganz Deutschland angereisten Demonstrationswilligen.

Die Polizei hatte für das Wochenende sämtliche Demonstrationen verboten, die von Querdenken-Aktivisten oder bekannten Lockdown-Gegnern angemeldet wurden oder die in den Augen der Polizei zum Umfeld der Corona-Protestbewegung zu zählen sind. Darunter ein Umzug für die Öffnung von Clubs und Kultur oder eine Kundgebung für „kompetente, ehrliche und gemeinwohlorientierte Bundestagsabgeordnete“. Die Frage, woher man wisse, dass diese Veranstalter zum Querdenken-Umfeld zählten, beantwortete die Polizei mit nicht näher bezeichneten „eigenen Erkenntnissen“. Insgesamt wurden für Samstag und Sonntag 21 Demonstrationen verboten.

Mehrere angemeldete Kundgebungen von Gegnern der Corona-Kritiker-Bewegung waren dagegen erlaubt. Allerdings fanden nicht alle statt. Möglichweise handelte es sich um Scheinanmeldungen, um bestimmte Plätze zu blockieren, darunter den Rosa-Luxemburg-Platz.

Die Strategie der Polizei zielte auf Verbot plus Verhinderung. Schon vor dem Wochenende wurden Busse mit angeblich eindeutigem Protestklientel angehalten und zurück geschickt. Die Anreisenden erhielten für die gesamte Hauptstadt „Platzverweis“. Dennoch kamen Tausende aus ganz Deutschland in Berlin an, nicht nur aus großen Städten wie Köln, Dortmund oder München, sondern auch aus kleinen Gemeinden, wo sich in den letzten Monaten unbemerkt von der Öffentlichkeit, weil ignoriert von der lokalen Presse, an jedem Wochentag und Woche für Woche lokale Basisdemonstrationen für das Ende des Lockdowns entwickelt hatten, wie beispielsweise im baden-württembergischen Brackenheim.

Nach Einschätzung der Berliner Polizei waren es, wie man aus ihren Kreisen erfuhr, am Sonntag insgesamt mehr Teilnehmer als letztes Wochenende beim Christopher-Street-Day. Gegenüber der Presse sprach der Polizeipressesprecher von 5000 widerrechtlich Demonstrierenden. Im Polizeifunk wurden dagegen höhere Zahlen gehandelt.

Methode „Platzverweis“

Auch in Berlin wandte die Polizei die Methode „Platzverweis“ an. Menschen, die aussahen, als könnten sie Corona-Maßnahmen-Kritiker oder „Querdenker“ sein, wurden aus dem Innenstadtbereich verwiesen. Sie erhielten vorkopierte Zettel mit den Straßennamen, in deren Bereich sie sich nicht mehr aufhalten durften.

Einen solchen Checkpoint gab es auch an der Kreuzung Unter den Linden/Glinkastraße. Passanten, die zum Bandenburger Tor wollten, mussten eine Polizeikette passieren. Die Beamten nahmen Stichproben vor und fragen Einzelne wo sie herkämen und wo sie hinwollten. Bei Verdacht auf Demonstrationsbereitschaft wurden die Menschen aufgehalten und zurückgeschickt. Dabei kam es um die Mittagszeit zu einem Zwischenfall. Nach Angaben mehrerer Augenzeugen stieß ein Polizeibeamter einen Mann in eine Glasscheibe des Aeroflotgebäudes. Die Scheibe zersplitterte. Sowohl an den Scherben als auch auf dem Gehweg waren später deutliche Blutspuren zu erkennen. Der Verletzte wurde mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Passanten erzählten, er sei ohnmächtig gewesen. Die Spurensicherung der Polizei war vor Ort. Nach Auskunft der Polizeipressestelle erlitt der Mann nur oberflächliche Schnittverletzungen. Er habe Widerstand gegen eine Polizeimaßnahme geleistet und sei dabei rückwärts in die Scheibe gefallen. Die Scheibe hatte immerhin eine Dicke von etwa einem Zentimeter, die Menge des verlorenen Blutes entsprach etwa der eines Trinkglases.

Trotz Versammlungsverbotes kam es den ganzen Tag über an mehreren Stellen in der Stadt zu Demonstrationen von Corona-Kritikern mit mehreren hundert bis mehreren tausend Teilnehmern. Auch auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor war demonstrieren untersagt. Dennoch füllte sich der beliebte Platz im Laufe des Vormittags mit Touristen sowie Demonstrationswilligen. Um die Mittagszeit entschied die Polizeiführung, den Platz zu räumen.

Polizeiketten schoben die Menge Meter für Meter aus dem Platz hinaus und in den Boulevard Unter den Linden. Dabei kam es zu zahllosen Diskussionen und zunächst verbalen Auseinandersetzungen zwischen Passanten und Beamten. Als die Beamten begannen, sich Einzelne herauszugreifen und sie dabei auch misshandelten, lud sich die Atmosphäre immer mehr auf. Irgendwann drehte sich die Menge um und begann einen Marsch über die mehrspurige Straße Richtung Alexanderplatz. Viele Passanten schlossen sich an. Menschen in den Straßencafés spendeten Beifall. Die Polizei versuchte, die Menge zu überholen und neue Polizeiketten aufzubauen. Das scheiterte wiederholt. Auch eine Mauer aus Mannschaftswägen nützte nichts. Die Polizei war komplett überfordert. Erst in Höhe des neuen alten Schlosses teilte sich die Menge und der Zug zersplitterte.

Im Laufe des Tages kam es bis zum Abend zu mehreren solcher Aktionen. Das war ein neuer Ton. Die Marschierenden waren, wie bei vielen herauszuhören war, angetrieben davon, sich nicht mehr alles gefallen zu lassen. Eineinhalb Jahre Corona-Ausnahmezustand haben seine Spuren hinterlassen. Hinzu kommt die programmatische Ungleichbehandlung. Während andere Demonstrationen erlaubt sind, während sich Passanten und Touristen eng an eng bewegen, während der Lockdown bereits im Frühjahr sozusagen auf privater Ebene gebrochen worden war, werden „regierungs- und maßnahmen-kritische“ Proteste wiederholt verboten und unterdrückt.

Das anmaßende Machtgetue der Hauptstadt-Polizei ist Ergebnis eines fundamentalen Politikversagens. Die SPD-LP-Grüne Regierungskoalition hat der – immerhin bewaffneten – Truppe nicht etwa Zügel angelegt, sondern sie im Gegenteil von der Leine gelassen. Das ist am Wochenende gescheitert.

 

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