Das Interesse an militärischen Konflikten steigt mit der Privatisierung des Kriegs

Bei der Evakuierung Mitte August 2021. Bild: USAF

Die Hälfte des Pentagon-Budgets geht bereits an private Anbieter, Tendenz steigend. Mittlerweile ist das Verhältnis von Soldaten zu „contractors“ in Kriegsgebieten bei 1 zu 1,5

Kriege sind wirtschaftliche Unternehmungen, zumal in einem Land wie den USA mit einem riesigen Rüstungs- und Sicherheitskomplex, der Konflikte, Unruhen, Ängste, Wettrüsten und bewaffnete Auseinandersetzungen benötigt, um zu bestehen und zu gedeihen. Das konservative Murdoch-Medium Wall Street Journal (WSJ) hat einen interessanten Bericht darüber veröffentlicht, wer durch den Afghanistan-Krieg, den das Militär  verloren hat, auf der Gewinnerseite stand. Das sind nicht nur Rüstungskonzerne, die Waffen und Ausrüstung liefern, sondern auch Geheimdienste, Thinktanks und Private Sicherheits- und Militärunternehmen sowie Kriegsgewinnler, die die Situation ausbeuten können, um sich zu bereichern.

WSJ lenkt den Blick vor allem auf die „contractors“, also auf die Unternehmen, die Dienste im staatlichen Auftrag übernehmen – und deren Zahl im Zuge des Outsourcing, also der neoliberalen Privatisierung des Militärs, seit Jahrzehnten massiv angestiegen ist. Seit den Afghanistan- und Irakkriegen ist die Zahl der „contractors“, die für das Pentagon arbeiten, explodiert. Im Irak war 2008 die Zahl der „contractors“ bereits so groß wie die der Soldaten. Ähnlich wie bei den Soldaten ist dabei die Zahl derjenigen, die an Kriegseinsätzen direkt beteiligt sind, gering.

2008 waren 187.900 Soldaten in Afghanistan und im Irak, aber 203.660 „contractors“. Als Barack Obama den Großteil der Truppen aus Afghanistan abzog, verblieben noch 9800 Soldaten und 26.000 „contractors“. Am Ende der Amtszeit von Donald Trump vier Jahre später waren es noch 2500 Soldaten, aber 18.000 „contractors“, also schon 1:7, was schon in die Richtung geht, das Kriegsgeschäft völlig an Söldner outzusourcen.

2019 gab das Pentagon nach einem Bericht des Projekts Costs of War an den Universitäten von Boston und Brown bereits 370 Milliarden US-Dollar aus. Das ist mehr als die Hälfte des damaligen Pentagon-Budgets in Höhe von 676 Milliarden US-Dollar und 164 Prozent mehr als 2001. Zwischen den Militärunternehmen und dem Pentagon besteht eine enge Verflechtung, die durch Drehtür-Beschäftigung von ehemaligen Verteidigungsministern, Generälen und anderen Offizieren zementiert werden. Man schanzt sich Aufträge zu und rechnet damit, beim Ausstieg mit lukrativen Verträgen versorgt zu werden.

Kriege waren schon immer ein Geschäft, daher gibt es immer kommerzielle Interessen an Kriegen, Konflikten oder Vorkriegsstimmungen.  Aber eben auch Profiteure, die zufällig Nischen entdecken. Das WSJ verweist auf einen Kalifornier, der in Kirgistan eine Barbetrieben hat, aber dann im Afghanistankrieg Milliarden an Gewinn mit Treibstofflieferungen machte, auf einen Afghanen, der erst einmal die Soldaten mit Bettlaken versorgte, woraus ein Unternehmen mit einem Fernsehsender und einer Fluglinie entstand, oder auf zwei  Army National Guardsmen, die für das Militär in Afghanistan Übersetzer besorgten, was sich zu einem der großen „contractors“ mit Verträgen über fast 4 Milliarden US-Dollar entwickelte

Seit 9/11 hat das Pentagon 14 Billionen US-Dollar ausgegeben, ein Drittel bis die Hälfte ging an Unternehmen, der Hauptanteil von 2,1 Billionen US-Dollar alleine an die 5 US-Rüstungskonzerne Lockheed Martin, Boeing, General Dynamics, Raytheon und Northrop Grumman nach dem Projekt Costs of War. Viele andere Unternehmen machten ihr Geschäft mit dem Bau von Straßen und Schulen, der Ausbildung von Polizisten oder dem Schutz westlicher Diplomaten. Dazu kamen überzogene Preise und Korruption. Man wird sich erinnern, dass die Bush-Regierung für den Irak-Krieg auch damit geworben hatte, dass die Kosten „Peanuts“ sein, dank des Öls schnell refinanziert und US-Unternehmen und diejenigen der Koalition der Willigen gute Gewinne beim Wiederaufbau einfahren würden.  Nur Letzteres traf zu.  Das auch deswegen, weil die Hälfte der Verträge keine Ausschreibungen waren, andere Verträge wurden mit Fixkosten, langfristig oder nur an einen Anbieter vergeben, was Monopole schuf, die für höhere Kosten sorgt.

Im Irak wie in Afghanistan wurde viel Steuergeld verschwendet oder landete ohne angemessene Gegenleistung in offene Hände. John Sopko, Generalinspektor für afghanischen Wiederaufbau, soll die Ausgaben für den Wiederaufbau in Höhe von 146 Milliarden US-Dollar überprüfen und gegen Betrug strafrechtlich vorgehen, in seinen Berichten machte er seit 2016 die zunehmende Korruption als größte Bedrohung für den Aufbau der Regierung und der Sicherheitskräfte verantwortlich.

Ein Bericht von Anfang 2021 zeigt beispielhaft das Missmanagement. Von den untersuchten 7,8 Milliarden wurden lediglich 1,2 Milliarden oder 15 Prozent so wie vorgesehen für neue Straßen, Krankenhäuser oder Fabriken ausgegeben. 2,4 Milliarden wurden für Militärflugzeuge, Polizeiwachen, Landwirtschaftsprogramme oder andere Entwicklungsprojekte ausgegeben, die aufgegeben, zerstört oder für andere Zwecke verwendet wurden. Sopko weist darauf hin, dass der größte Posten der Ausgaben mit 89 Milliarden US-Dollar in den Aufbau der Sicherheitskräfte ging – die es jetzt nicht mehr gibt. Die Ausrüstung und Waffen haben die Taliban übernommen.

Outsourcing kommt nach dem Projekt Cost of Wars nicht billiger, wie gerne nach der neoliberalen Ideologie versprochen wird, aber bietet Politik und Pentagon einige Vorteile für Freiwilligenarmeen: Die Zahl der Menschen, die zu einem Kriegsschauplatz geschickt wird, lässt sich verschleiern, auch die Zahl der verwundeten und getöteten Soldaten, weil „contractors“ nicht wirklich zählen, auch weil die Mehrzahl keine US-Bürger sind. So sind seit 2001 mit 8000 mehr „contractors“ in den Kriegen getötet worden, als US-Soldaten (7000). Beides macht Kriege akzeptabler in der Bevölkerung und schreckt Rekruten nicht so stark ab. Man kann auch den Abzug von Truppen verkünden und gleichzeitig die Präsenz von „contractors“ erhöhen. Und weil „contractors“ bei Militäreinsätzen aufgrund der Monopole und fehlenden Ausschreibungen nicht nur den Unternehmen große Profite einbringen, sondern sie auch überdurchschnittlich verdienen, ruinieren sie den Arbeitsmarkt in den USA und in den Kriegsgebieten.

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Ein Kommentar

  1. Gerade wurde durch eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen bekannt, dass die scheidende Bundesregierung mit Vizekanzler Scholz in den letzten 9 Tagen ihrer Amtszeit Rüstungsgeschäfte im Wert von knapp 5 Milliarden Euro genehmigt hat. Der Kabinettsausschuss mit Angela Merkel, Olaf Scholz und sieben weiteren Ministern hatte Fregatten und Luftabwehrsysteme aus den Rüstungsschmieden ThyssenKrupp Marine Systems und Diehl Defence hauptsächlich an Ägypten bewilligt, dass in den Konflikten in Jemen und Libyen involviert ist. Ein Geschenk an die Rüstungsindustrie und eine Ohrfeige für die Wähler. Dağdelen sprach von einer „schweren Hypothek“ für die Scholz-Regierung.
    Sven Giegold, Staatssekretär in Habecks Wirtschaftsministerium, möchte jedoch einen restriktiven Kurs in Sachen Rüstungsexporte verfolgen und in der neuen Bundesregierung ein Rüstungsexportkontrollgesetz erarbeiten. Sein Hinweis darauf, die neue Regierung habe in den ersten sieben Tagen ihrer Amtszeit nur Rüstungsexportgenehmigungen im Wert von 3.679 Euro erteilt, wirkt als Argument allerdings etwas schwach.
    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/merkel-verabschiedete-sich-mit-ruestungsexport-rekord-17701299.html
    Derweil gibt es schon Forderungen, den Bereich der Rüstungsxporte dem Wirtschaftsministerium und damit Habeck und Giegold zu entziehen und dem Aussenministerium unter Annalena Barbock zuzuordnen. Ob dass einer restriktiven Politik bezüglich Rüstungsexporten dienlicher wäre?
    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-12/ruestungsausfuhren-waffenexporte-merkel-scholz

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