„Einzeln wurden Ausrufe getätigt, bei denen das Wort ‚Freiheit‘ zu hören war“

Bild: Ivan Radic/CC BY-2.0

 

Die Berichte von Polizei und Behörden zu den bundesweiten Corona-Demonstrationen sind vom Gedanken des Staatsschutzes geleitet und erinnern in ihrer Kleinkariertheit an die Stasi-Berichte in der DDR 1989.

 

„Aktuell ist festzustellen, dass vergleichbare Versammlungsaktivitäten bundesweit stark zunehmen“

„…dass die Gefahr von unangemeldeten Versammlungen virulent ist“

„Guerillataktiken werden thematisiert“

„Gefahr des Gruppentanzens“

„Auch wenn Sie nichts sagen, sagen Sie doch etwas“

„Es ist davon auszugehen, dass die Durchimpfungsrate innerhalb der Versammlungsteilnehmer deutlich unterhalb der des Bundesdurchschnitts liegt“

„…wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs, also die Einwirkung auf Personen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch angedroht“

O-Ton Polizei und Behörden

Corona geht ins dritte Jahr. Nahezu täglich finden Hunderte von Demonstrationen, Umzügen, Spaziergängen, Kundgebungen statt mit Hunderttausenden von Teilnehmern im ganzen Land. Politik und etablierte Medien verschweigen und meiden sie, so gut es geht. Und das, obwohl sich die Polizei müht, die Kontrolle über die Proteste zu behalten. Sie verfolgt Kommunikationen im Internet oder auf Messengerdiensten, versucht Orte und Zeitpunkte der Aktionen herauszufinden, sucht nach Organisatoren, Hintermännern und „Rädelsführern“. Erstellt zusammen mit den lokalen Behörden Lage- und Einsatzberichte und liefert das Material für flächendeckende tausendfache Demoverbote.

Denken und Handeln der Ordnungsinstanzen sind geprägt von Gefahrenabwehr und Staatsschutz, von Feindkategorien. Was die Ordnungshüter pflegen, könnte man gut und gerne als Verschwörungsvermutungen bezeichnen. In ihrer Sicht werden die Coronaproteste nicht getragen von Bürgern und Bürgerinnen aus der Mitte der Gesellschaft, die verantwortlichen Berufen nachgehen, Ärzte oder Erzieherinnen sind, Ladenbetreiber oder Pflegekräfte, sondern von irgendwelchen dubiosen Kräften im Hintergrund, oder solchen, die die Demonstrationen unterwandern. Von „Durchwandern“ sprach einmal ein Bürgermeister. Wer so denkt, ist in gewisser Weise Opfer seiner eigenen Vorurteile. Das, was man Corona-Kritikern seit zwei Jahren anhängt, Verschwörungserzähler zu sein, pflegt man selber.

Dazu gehört, prinzipiell mit Unterstellungen zu arbeiten. „Spontan ist diese Versammlung nicht“, sagte ein leitender Polizeibeamte zu Leuten, die sich montagabends auf dem Rathausplatz einer Stadt eingefunden hatten, um einen sogenannten Spaziergang durchzuführen. Und weiter: „Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass das kein spontaner Spaziergang ist, sondern dass das schon lange von Ihnen vorbereitet ist. Sie machen eine Kundgabe. Auch wenn Sie nichts sagen, sagen Sie trotzdem etwas. Indem Sie zusammen laufen, indem Sie mit einer Kerze laufen, ist das eine politische Kundgebung.“

Wer, wie ein aktuelles Mitglied der Bundesregierung, die Inanspruchnahme des Grundrechtes auf Versammlung „Erpressung“ nennt, der hat nicht nur ein gebrochenes Verhältnis zur Demokratie, sondern bestreitet auch die inhaltliche Notwendigkeit von Kritik. Selbst, wer sowohl von der potentiellen Gesundheitsgefahr betroffen ist, als auch von der realen Politikgefahr, hat Ruhe zu geben und still zu Hause zu sitzen.

Die Polizeiberichte über die Demonstrationen sind zu Dokumenten geworden

Nicht nur, weil die Polizeiberichte Grundlage zahlreicher städtischer Allgemeinverfügungen sind, mittels denen ein Grundrecht wie das der Versammlungsfreiheit auf dem kalten Verordnungswege kassiert wird. Jokerargument: Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Exekutive hat mit dem Einverständnis der Legislative die Grundrechte regelrecht verramscht. Kein Bundesverfassungsgericht garantiert mehr ihre Existenz. Ob sie gelten oder nicht, entscheiden inzwischen einfache Leiter von Ordnungsämtern. Sie greifen auf Konstruktionen zurück, die in den diversen Versammlungsgesetzen seit langem niedergeschrieben sind. Mit ihnen werden die Grundrechte regelrecht eingehegt und können scheinbar legal außer Kraft gesetzt werden. Jetzt kommen diese Konstruktionen flächendeckend zur Anwendung, wie bei einer großen Übung.

Die Polizei- und Amtsberichte sind zugleich aber auch Dokumente des Protests. Unfreiwillige Chroniken des anwachsenden Widerstandes auf der Straße und der „Kultur“ der Auseinandersetzung in Corona-Zeiten. Beginnen wir in der Hauptstadt vor einem Jahr.

Berlin, Februar 2021. Die Versammlungsbehörde der Polizei verbietet bei Kundgebungen das Abspielen von Musik, weil sonst die Gefahr des Gruppentanzens drohe.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage ergeht gemäß § 15 Abs.1 VersG der folgende Bescheid:

  1. Das Abspielen und Vortragen musikalischer Beiträge während Ihrer Versammlung wird untersagt.
  2. Die sofortige Vollziehung dieses Bescheides wird angeordnet.

Der Schwellenwert von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Personen (7-Tages-Inzidenz) stellt nach herrschender Meinung die Grenzen für eine Kontrollierbarkeit der Pandemie im Hinblick auf die Auslastung des Gesundheitswesens und eine Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten dar. Zurzeit liegt dieser Wert bundesweit bei 81,  in Berlin bei 72 Fällen pro 100.000 Einwohnern.

Seit 2. Januar 2021 treten Sie als Anmelder der wöchentlichen Versammlungen auf dem Alexanderplatz auf. Seitdem ist auch ein deutlicher musikalischer Anteil zu verzeichnen gewesen. Hierbei hat sich gezeigt, dass die Teilnehmenden mit Beginn des Musikanteils in der zweiten Hälfte der Versammlungen zu Tanzen anfangen. Der vorgegebene Mindestabstand wird dabei größtenteils nicht eingehalten.

Versammlung am 2. Januar 2021: Nach Beginn einer Musikdarbietung wurde eine sog. Polonaise durchgeführt, wobei die Mindestabstände durch die Teilnehmenden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr eingehalten wurden.

Versammlung am 9. Januar 2021: In der Zeit von 14:06 – 16:00 Uhr beinhaltete die Versammlung diverse Redebeiträgen. Mit erneutem Einsetzen der Musikbeiträge im Zeitraum von 16:00 – 17:31 Uhr tanzten die Versammlungsteilnehmenden und das Abstandsgebot wurde ab diesem Zeitpunkt, wie bereits in der Vorwoche nicht mehr eingehalten. Sie als Versammlungsleiter hatten nach Einsetzen der Musik kaum noch Einfluss auf die Versammlungsteilnehmenden und beteiligten sich zwischenzeitlich sogar am Tanzen. Durch die Musikbeiträge erfolgte weiterhin ein immer größerer Zulauf zur Versammlung. Aufgrund des Versuchs der Teilnehmenden wiederum eine Polonaise zu starten, mussten die Musikbeiträge schließlich seitens der eingesetzten Polizeikräfte unterbunden werden.

Ihr am 14. Januar 2021 übersandtes ausführliches Schutz- und Hygienekonzept geht auf die Problematik des „Gruppentanzens“ nicht ein.

Allgemeinverfügung des Landkreises Germersheim (Rheinland-Pfalz) vom 17. Dezember 2021. Das Amt bezieht sich bei seinen Verboten auch auf die bundesweiten Demonstrationen.

  1. Hiermit werden die Veranstaltung von und Teilnahme an folgenden öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel auf dem Gebiet des Landkreises Germersheim verboten:
  2. a) Untersagt wird das am Sonntag, den 19.12.2021, um 17:00 Uhr geplante und beworbene, aber nicht angemeldete sog. „Rhein Candle Light“.
  3. b) Untersagt wird der am Montag, den 20.12.2021, um 18:00 Uhr geplante und beworbene, aber nicht angemeldete sog. „Montagsspaziergang“ in Wörth am Rhein ausgehend vom Alten Rathaus.
  4. c) Untersagt wird der am Montag, den 20.12.2021, um 18:30 Uhr beworbene, aber nicht angemeldete sog. „Montagsspaziergang“ in Germersheim ausgehend vom Nardiniplatz.
  5. d) Untersagt wird der am Montag, den 20.12.2021, um 19.00 Uhr beworbene, aber nicht angemeldete sog. „Montagsspaziergang“ in Kandel ausgehend von der Georgskirche.
  6. e) Jede weitere thematisch vergleichbare, nicht ordnungsgemäß angemeldete und behördlich bestätigte Ersatzversammlung im Landkreis Germersheim wird an den vorbezeichneten Tagen ebenfalls ganztätig verboten.
  7. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1 verfügten Verbote kann unmittelbarer Zwang angewendet werden, der hiermit angedroht wird.

Es ist dabei die Strategie zu versuchen, (…) die – zur Abwehr einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit gebotenen – behördlichen Präventiv-/Steuerungsmaßnahmen der Versammlungsbehörde und Polizei zu unterlaufen sowie die Verantwortlichkeit als Veranstalter / Versammlungsleiter zu verschleiern.

Durch die mediale Berichterstattung infolge der bundesweit stattgefundenen Montagsspaziergänge am 13.12.2021 ist der Hintergrund der „Spaziergänge“ nun auch der breiten Masse der Bevölkerung bekannt. Es bedarf zur Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung nicht zwingend der versammlungstypischen Hilfsmittel wie Reden, Plakate, Banner, Flyer o.ä. Versammlungen sind dabei nicht auf Zusammenkünfte traditioneller Art beschränkt, sondern umfassen vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens (wie Sitzdemonstrationen, Mahnwachen, Schweigemärsche, Straßentheater und Menschenketten) bis hin zu nonverbalen Ausdrucksformen. Die vielfältigen Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit im gesamten Bundesgebiet haben gezeigt, dass die zuweilen behauptete Rechtstreue bei solchen Veranstaltungen letztlich nur als Lippenbekenntnis zu werten ist und im Gegensatz dazu vielmehr mit zunehmender Vehemenz gegen staatliche Infektionsschutzmaßnahmen verstoßen wird. In jüngster Zeit zeigt sich bundesweit, aber auch in Rheinland-Pfalz und im Landkreis Germersheim, eine deutliche Zunahme hinsichtlich nicht angezeigter „Spaziergänge“, die durch die Gleichzeitigkeit von akkurater Planung und vermeintlicher Spontanität geprägt sind: Man trifft sich zielgerichtet und scheinbar spontan, um gemeinsam – ohne Plakate und Parolen – und gleichsam performativ, ohne Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen, eine Wegstrecke zu absolvieren. Das soll einen beiläufigen und alltäglichen Charakter haben (um das Versammlungsgesetz zu umgehen) und zugleich soll das kommunikative Anliegen transportiert werden.

Die Ereignisse vom 13.12.2021 haben gezeigt, dass die Gefahr von unangemeldeten Versammlungen – auch in der Südpfalz – virulent ist und dass hierbei aufgrund des hohen Mobilisierungspotenzials eine erhebliche Anzahl von Personen zur Teilnahme bereit ist. So nahmen an den entsprechenden Veranstaltungen am Montag, 13.12.2021 in Wörth ca. 70 Personen, Germersheim ca. 100 Personen, in Kandel 100 Personen, in Bad Bergzabern ca. 250 Personen, in Annweiler ca. 40 Personen und in Landau ca. 200 Personen teil. Aufgrund des Verbotes von entsprechenden Versammlungen am kommenden Montag in der Stadt Mannheim, ist zudem mit einem Ausweichen der potenziellen dortigen Teilnehmer (am 13.12.2021 ca. 2.000 Teilnehmer in Mannheim) auf die entsprechenden Versammlungen im Umkreis zu rechnen. In Mannheim zogen am 13.12.2021 bei einem nicht angemeldeten und unzulässigen sog. Abendspaziergang trotz eines kurzfristig angeordneten Versammlungsverbots nach Schätzungen der Polizei bis zu 2.000 Menschen durch die Stadt. Die Teilnehmer verteilten sich dabei immer wieder in Gruppen zu 400-500 Personen. Die Beteiligten der einzelnen Aufzüge verhielten sich ab ca. 20:00 Uhr äußerst aggressiv gegenüber den eingesetzten Beamten. Durch Polizeiketten wurde immer wieder versucht, eine Umschließung zu gewährleisten. Hierbei versuchten die jeweils aufgehaltenen Menschen, die Polizeiketten zu durchbrechen, was vorübergehend die Freigabe des geschlossenen Einsatzes von Pfefferspray und Hiebwaffe durch den Polizeiführer zur Folge hatte.

Aktuell ist zudem festzustellen, dass vergleichbare Versammlungsaktivitäten bundesweit stark zunehmen: Am 13.12.2021 haben Tausende Menschen in zahlreichen Städten gegen Coronamaßnahmen protestiert. Allein in Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich rund 7.000 Menschen in mindestens zwölf Städten an teils nicht angemeldeten Veranstaltungen, davon etwa 2.900 in Rostock. Der Protest richtete sich vor allem gegen eine mögliche Impfpflicht, vielerorts wurde aber auch eine Spaltung der Gesellschaft durch die Einschränkungen beklagt. In Thüringen protestierten laut Polizei landesweit rund 6.000 Menschen bei 26 Versammlungen gegen die Coronamaßnahmen. Größtenteils seien es illegale Zusammenkünfte gewesen, sagte ein Sprecher. Bei einer nicht genehmigten Versammlung in Berlin kam es zu Verstößen gegen das Masken- und Abstandsgebot. Es wurden Platzverweise erteilt. Später am Abend kehrten die Protestler zurück. In Magdeburg versammelten sich etwa 3.500 Menschen, im nordrhein-westfälischen Gummersbach rund 500. In Sachsen ging die Polizei am Abend in mehreren Orten gegen Proteste vor: In Freiberg kesselte die Polizei rund hundert Menschen in der Nähe eines Supermarktparkplatzes ein, bevor sie die Protestierenden doch weitergehen ließ – denn aufgrund der Nähe zu den Geschäften sei nicht festzustellen gewesen, wer Teilnehmer oder Kunde der Märkte war, sagte ein Sprecher der Polizei. In Dresden zählte die Polizei in der Innenstadt rund hundert Protestierende.

In einigen baden-württembergischen Städten haben am Wochenende (10. – 12.12.2021) Tausende gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. (…) In Baden-Württemberg gab es laut Landesinnenministerium 22 Versammlungen mit Tausenden Teilnehmenden, die einen Bezug zur Pandemie hatten. Die Polizei stellte demnach rund 650 Verstöße gegen die Corona-Verordnung fest, darunter knapp 300 Verstöße gegen die Pflicht zum Tragen einer Maske. Eine Demonstration fand am Samstagabend (11.12.2021) in Reutlingen statt. Dort demonstrierten laut Polizei bis zu 1.500 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen. Bei der Versammlung zogen Menschen mit Kerzen durch die Stadt und riefen zum „Widerstand“ auf. Laut Polizei blockierten die Demonstrierenden Straßen, die Stimmung sei „aggressiv“ gewesen. Die Demonstrierenden versammelten sich am Abend am Bürgerpark und zogen von dort aus über das Tübinger Tor weiter in Richtung Marktplatz. Aufforderungen zum Tragen einer Maske seien ignoriert worden, hieß es von der Polizei. Infolgedessen wurde die Versammlung durch das Amt für öffentliche Ordnung aufgelöst. Trotzdem zog im Anschluss eine Gruppe weiter in Richtung Karlstraße und Zentraler Omnibusbahnhof. Beim Versuch der Beamten, die Versammlung zu stoppen, seien Demonstrierende gewalttätig geworden. Die Polizei setzte daraufhin nach eigenen Angaben Pfefferspray und Schlagstöcke ein.

In Hinblick darauf, dass diese Versammlungen gerade darauf abzielen, hoheitliche Maßnahmen zu unterlaufen und zu umgehen und im sog. Querdenker-Milieu, als Corona-Maßnahmen-Gegner, explizit Guerillataktiken thematisiert [werden], wäre eine Beschränkung der Verbote auf Teile des Gebietes des Landkreises (wie den bereits in Telegram beworbenen Orten) nicht gleichermaßen geeignet. Es besteht die Besorgnis, dass die betreffenden Personen, bei denen eine zunehmende Enthemmung und Radikalisierung festzustellen ist, andernfalls auf andere (nicht erfasste) Örtlichkeiten ausweichen und gleichsam ein „Katz-und-Maus-Spiel“ mit der Versammlungsbehörde, der Ordnungsbehörde und der Polizei treiben.

Stadt Karlsruhe, 19.12.2021. Sie verhängte ein vorsorgliches Verbot für einen Zeitraum von sechs Wochen. Das galt auch für eine zurückgezogene Demoanmeldung.

  1. a) Untersagt wird die für den 20.12.2021 auf dem Marktplatz in der Zeit zwischen 18:00 und 19:00 Uhr zunächst angezeigte, aber wieder von den Anmeldenden zurückgezogene und nicht behördlich bestätigte Versammlung auf dem Marktplatz. b) Untersagt wird jede nicht angezeigte und nicht behördlich bestätigte Ersatzversammlung der unter Ziff. 1.a) genannten Versammlung auf der Gemarkung der Stadt Karlsruhe.
  2. c) Untersagt werden alle mit generellen Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehenden, nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatzversammlungen auf der Gemarkung der Stadt Karlsruhe unabhängig vom Wochentag und unabhängig davon, ob einmalig oder wiederkehrend stattfindend.
  3. Die Allgemeinverfügung tritt, soweit sie nicht zuvor aufgehoben wird, am 31.01.2022 außer Kraft.

 

 Stadt Esslingen, 30. Januar 2022. Ihre Allgemeinverfügung gilt für einen Zeitraum von vier Wochen.

  1. Untersagt werden innerhalb des als Anlage beigefügten Planausschnitts alle nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen mit generellen Aufrufen zu „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ oder ähnlichen Versammlungen unabhängig vom Wochentag, die sich gegen die Regelungen der CoronaVO richten. Der beigefügte Plan ist Bestandteil dieser Verfügung.
  2. Die Allgemeinverfügung tritt, soweit sie nicht zuvor aufgehoben wird, am 28.02.2022 außer Kraft.

Im Dezember 2021 und Januar 2022 haben folgende Versammlungen im Zusammenhang mit den sogenannten „Spaziergängen“ in Esslingen am Neckar stattgefunden. Zu dem im Internet beworbenen „Lichterspaziergang“ am 13. Dezember 2021 trafen sich anfänglich im Maillepark zirka 60 Personen, um durch die Fußgängerzone in Richtung Rathausplatz zu laufen. Einzeln wurden Ausrufe getätigt, bei denen das Wort „Freiheit“ zu hören war. Ein einheitlicher Sprechchor kam nicht zustande. Banner oder ähnliche Gegenstände waren nicht ersichtlich. Die Spaziergänger führten teilweise Kerzen und Lichter mit sich. Masken wurden nur vereinzelt getragen. Abstände wurden weitestgehend eingehalten. Die teilnehmende Personenzahl schwoll in der Spitze auf geschätzte 150 Personen an.

Nach Aufruf im Messengerdienst Telegram versammelten sich am 20. Dezember 2021 zunächst ca. 400 Personen auf dem Rathausplatz Esslingen zu einem „Lichterspaziergang“. Nach Bekanntgabe, dass es sich hierbei um eine nicht angemeldete Versammlung handelt und sich kein Versammlungsleiter zu erkennen gab, wurden den Versammlungsteilnehmern seitens des Polizeivollzugsdienstes Auflagen zum Infektionsschutz erteilt. Die Teilnehmer starteten in der Folge ihren „Spaziergang“ unter Mitführung vereinzelter Transparente und Kerzen über die Innere Brücke, Kronenhof, Bahnhofstr., Unterer Metzgerbach, Innere Brücke, Ritterstr., Strohstr. Webergasse zurück zum Rathausplatz. Während des Spaziergangs bekamen sie starken Zulauf, so dass in der Spitze 600 Personen an dem Spaziergang teilnahmen. Nachdem sie sich wieder am Rathausplatz eingefunden hatten, wurden einige Weihnachtslieder und das Lied „Freiheit“ gesungen. Im Anschluss löste sich ein Teil der Versammlung auf und ca. 200 Personen gingen über die Webergasse zum Neckarforum, wo der Gemeinderat tagte. Hier verweilten sie für ca. 15 Minuten, ohne die Sitzung zu stören und die Gruppe löste sich dann sukzessive auf. Am 27. Dezember 2021 versammelten sich zirka 200 Personen auf dem Rathausplatz zu einem über den Messengerdienst Telegram organisierten „Lichterspaziergang“ und lauschten zunächst dem dortigen Glockenspiel. Über Lautsprecher hat die Polizei auf das bestehende Versammlungsverbot der Stadt Esslingen hingewiesen und die Auflösung der Versammlung bekanntgegeben. Daraufhin setzte sich ein Großteil der Gruppe in Bewegung und zog im Rahmen eines Aufzuges durch die Innenstadt Esslingen. Ein Versammlungsleiter gab sich nicht zu erkennen. Vereinzelt wurden Kerzen, rote Lichter und Transparente mitgeführt. Zwei Personen trugen ein rotes Stirnband um die “rote Linie“ zu symbolisieren.  Der Mindestabstand wurde nahezu durchgängig unterschritten. Durch die eingesetzten Polizeibeamten wurden einzelne Personen angehalten und ihre Identität festgestellt. Insgesamt wurden 37 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Zudem wurden 37 Platzverweise ausgesprochen.

Für den 24. Dezember 2021 wurde bei der Stadt Esslingen eine Versammlung mit Aufzug zum Thema „Omicronischer Gottesdienst“ angezeigt. Die behördlich bestätigte Versammlung verlief ohne besondere Vorkommnisse. Durch den Aufzug durch die Innenstadt kam es nur zu kurzfristigen Verkehrsbehinderungen. Die Auflagen wurden größtenteils eingehalten. Ein festgestellter kurzfristiger Auflagenverstoß (zu laute Lautsprecheranlage) wurde umgehend nach Hinweis geheilt.

Die als „Spaziergänge“ deklarierten und beworbenen Versammlungen wurden nicht bei der Stadt Esslingen angemeldet. Die Kenntniserlangung erfolgte ausschließlich durch die Verfolgung der Bewerbung in den einschlägigen Internetkanälen. In den sozialen Netzwerken traten keine Personen erkennbar als Verantwortliche/ Veranstalter auf, die man im Vorfeld zum Kooperationsgespräch hätte einladen können. Festzustellen ist auch in den Versammlungslagen, dass eine Kooperation von Seiten der Versammlungsteilnehmer abgelehnt wird. Diesbezügliche Ansprachen durch den Polizeivollzugsdienst vor Ort werden ignoriert. Insgesamt wird die Ablehnung der Hygienemaßnahmen in den Versammlungslagen offen gelebt. Ferner ist davon auszugehen, dass die Durchimpfungsrate innerhalb der Versammlungsteilnehmer deutlich unterhalb der des Bundesdurchschnitts liegt. Hieraus ergibt sich eine erhebliche Gefährdungslage für unbeteiligte Dritte und die Esslinger Bevölkerung.

Filderstadt, 26. Januar 2022. In der entsprechenden „Allgemeinverfügung“, unterzeichnet von Oberbürgermeister Christof Bolay, wird „unmittelbarer Zwang“ inkl. „Waffengebrauch“ angedroht.

  1. Die Teilnahme an allen öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel auf der Gemarkung der Stadt Ostfildern, die mit generellen Aufrufen zu Abendspaziergängen“, „Montagsspaziergängen“ oder „Spaziergängen“ in Zusammenhang stehen, nicht angezeigt sind und gegen die Regelungen der Corona-Verordnung gerichtet sind, wird an allen Wochentagen untersagt.
  2. Für den Fall der Nichtbeachtung des Verbots nach Ziffer 1 wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht.

An allen Montagen seit Jahresbeginn fanden in Ostfildern in den Stadtteilen Scharnhauser Park und Parksiedlung versammlungsrechtlich nicht angemeldete „Montagsspaziergänge“ statt. Am 3. Januar 2022 nahmen etwa 20 Personen daran teil, am 10. Januar 2022 ungefähr 30 und am 17. Januar 2022 rund 100 Personen. Mund-Nase-Bedeckungen wurden von den Teilnehmern ganz überwiegend nicht getragen. Zu den „Spaziergängen“ wird unter dem Begriff „Ostfildern Spaziert – für Demokratie, freie Impfentscheidung, Frieden und Freiheit, Kinder und Kindeskinder, gemeinsam gegen Spaltung, Achtung und Respekt“ durch Aushänge im öffentlichen Raum sowie über soziale Medien und Messengerdienste eingeladen.

Am 24. Januar 2022 versammelten sich ungefähr 140 Personen auf dem Stadthausplatz zum „Montagsspaziergang“. Bei dem „Spaziergang“ kam es zu Behinderungen und Gefährdungen des Straßenverkehrs. Vor allem auf dem Westrandweg mussten rund 20 Passanten und Radfahrer auf die angrenzenden unbeleuchteten und unebenen Grünflächen ausweichen, da die Aufzugsteilnehmer die gesamte Breite der Wege in Anspruch nahmen . Beim Überqueren der Fahrbahn bei der Fußgängersignalanlage Rinnenbachstraße/Parkstraße betraten mehrere Versammlungsteilnehmer die Fahrbahn, als das Signal für Fußgänger „rot“ anzeigte und gefährdeten durch ihr Überqueren der als Landesstraße klassifizierten, stark befahrenen Rinnenbachstraße sich selbst und die anderen Verkehrsteilnehmer. Aufgrund der oben erwähnten Aufrufe zu „Ostfildern spaziert“ ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es an den kommenden Montagen oder auch an anderen Wochentagen zu weiteren derartigen Versammlungen in Form von Aufzügen im Scharnhauser Park und in der Parksiedlung oder auch in anderen Stadtteilen Ostfilderns kommen wird. Gleichzeitig muss aufgrund des bisher wöchentlichen Anstiegs der Teilnehmerzahlen damit gerechnet werden, dass diese auch künftig weiter steigen werden und sich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit deshalb und wegen des aktuellen Anstiegs der Infektionszahlen durch weitere derartige, nicht angemeldete Versammlungen erhöhen würde.

Durch das offensichtlich gezielte, gleichzeitige Veranstalten von Versammlungen zum Protest gegen die Corona-Schutz-Maßnahmen im gesamten Einzugsgebiet des Polizeireviers Filderstadt und darüber hinaus in ganz Baden-Württemberg – aktuell montagabends – überschreitet deren Anzahl (am 24. Januar 2022: sieben) und Größe (am 24. Januar 2022: rund 450 „Spaziergänger“) die zahlenmäßige Kapazität an Polizeibeamten, die vom Polizeirevier zur Begleitung und Sicherung dieser versammlungsrechtlichen Aufzüge eingesetzt werden kann. Somit kann die Sicherheit der Teilnehmer und des Straßenverkehrs nicht mehr in ausreichendem Maß gewährleistet werden.

Um sicherzustellen, dass das Versammlungsverbot eingehalten wird, wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs, also die Einwirkung auf Personen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch angedroht. Dies ist verhältnismäßig. Es ist erforderlich, da mildere Mittel, die die potenziellen Versammlungsteilnehmer von der Durchführung der verbotenen Versammlungen abhalten würden, nicht ersichtlich sind.

 

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Ein Kommentar

  1. Na klar ist es Gewalt, wenn die Versammlung verboten ist. Wer richtig Gewalt anwendet kann schon daran gesehen werden, wenn ein durchschnittlicher Demonstrant neben einen durchschnittlich ausgerüsteten Polizisten gestellt werden. Wovor herrscht hier Angst, dass es wie in der DDR gehen könnte, da wurden nicht angemeldete Demos im Western gefeiert. Nawalny soll sogar ein Volksheld deshalb sein.
    Eine „Sache“ geht mir nicht ein.
    „In ihrer Sicht werden die Coronaproteste nicht getragen von Bürgern und Bürgerinnen aus der Mitte der Gesellschaft, die verantwortlichen Berufen nachgehen, Ärzte oder Erzieherinnen sind, Ladenbetreiber oder Pflegekräfte, sondern von irgendwelchen dubiosen Kräften im Hintergrund, oder solchen, die die Demonstrationen unterwandern. Von „Durchwandern“ sprach einmal ein Bürgermeister.“
    Unterstellt mal es wären Bürger und Bürgerin aus der Mitte der Gesellschaft, wären dann alle Demos „in Ordnung“. Sind die, unterstellt, dubiosen Kräfte aus dem Hintergrund (wovon) oder solchen das Unterwandern, nicht Mitglieder der Gesellschaft und unterliegen der Gleichen Rechten und Pflichten wie jedes Mitglied der Gesellschaft? Zu guter Letzt, welcher Beruf ist nicht ein Verantwortungsvoller, für den der den Beruf betreibt?
    Die Demos mögen ja kritisiert werden, zu Recht oder Unrecht, es bleibt das, mit allen Mitglieder der Gesellschaft respektvoll umzugehen ist. Wo will der Staat mit den Leuten, wie in Talkshows herumposaunt, betreiben?

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