Finnland – Nato-Beitritt wahrscheinlich      

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto am 24. Januar 2022. Bild: Nato

Seit seiner Staatsgründung im Jahre 1917 setzte Finnland auf Neutralität. Nun scheint sich eine Entscheidung für eine Nato-Mitgliedschaft anzubahnen.

Die in Helsinki gut vernetzte Zeitung „Ilthalehti“ berichtete am Freitag, dass die finnische sozialdemokratische Premierministerin Sanna Marin und ihre Partei einen Beitritt befürworten.

Die 36-Jährige hat vor der Invasion Russlands eine Mitgliedschaft abgelehnt, wurde danach jedoch undeutlicher in ihren Aussagen und räumte „eine Veränderung der sicherheitspolitischen Lage Finnlands“ ein.

Seit Dienstag tagt das Parlament zu diesem Thema, was durch die Unterschriften von proatlantischen Bürgerinitiativen erzwungen wurde. Entscheidend für den Umschwung war wohl auch eine Pro-Nato-Haltung bei der Gewerkschaft und ein Umfrageergebnis vom vergangenen Montag, bei dem sich erstmals eine Mehrheit von 53 Prozent für das proatlantische Bündnis aussprach.

In Finnland ist die Öffentlichkeit wie in anderen europäischen Ländern über die russische Aggression alarmiert. Das Land erlebte selbst zwei Angriffe des östlichen Nachbarn, im Jahre 1939 und 1944, die das Land mit einer gut organisierten Abwehr (1944 zudem mit deutscher Unterstützung) sowie Verhandlungen und Eingeständnisse stoppen konnte. Doch der Dialog mit Russland als Element der finnischen Sicherheitspolitik fällt derzeit nun weg.

Finnlands Staatpräsident Sauli Niinistö hat sich bereits auch in dieser Frage mit dem US-Präsidenten Joe Biden am Freitag in Washington ausgetauscht. Der Konservative gilt als gefragter Putin-Experte. Er rät nun in der Nato-Frage einen „kühlen Kopf zu bewahren“.

Die Partei des Staatsoberhaupts, die liberal-konservative „Nationale Sammlungspartei“, ist die einzige, die sich geschlossen für die NATO-Mitgliedschaft ausspricht. Dabei geht sie nicht so aggressiv im Ton vor wie etwa die Nato-Befürworter in Schweden. Dies hat vor allem mit der Parlamentskultur in Finnland zu tun, wo etwa das Wort „Lüge“ verboten ist, und mit der langen Neutralitätspolitik.

Ansonsten gehen die Meinungen quer durch die Parteien, allerdings könnte bei einem Beitritts-Gesuch die Linkspartei aus der Regierungskoalition aussteigen, an der noch die Bauernpartei, die Grünen und die Schwedische Volkspartei beteiligt sind. Die 200 Mitglieder des Parlaments haben über einen Antrag zu entscheiden.

Diese Tendenzen in Finnland haben auch Auswirkungen auf das ebenfalls allianzfreie Schweden. Denn beide Länder haben verabredet, einen möglichen Beitritt gemeinsam zu unternehmen. Helsinki wie Stockholm haben sich auch seit der Ukraine-Krise 2014 zu einer verstärkten Partnerschaft mit der Nato entschlossen, was sich unter anderem in Manövern in der Ostsee manifestierte. Schweden und die beiden Nato-Länder Dänemark und Großbritannien haben zudem gestern eine gemeinsame Übung von Luftstreitkräften und Marine im Ostseeraum begonnen.

Doch Schweden hat nicht wie Finnland die „Nato-Option“ eingeführt – eine grundsätzliche Bereitschaft der Politik, bei Gefährdung der Sicherheitslage eine Nato-Mitgliedschaft anzustreben, sowie das Militär an die Anforderungen des Nordatlantikpakts anzupassen.

Die regierenden schwedischen Sozialdemokraten argumentieren weiterhin, dass die Allianzfreiheit dem Staat mehr Handlungsfreiheit und größere Möglichkeiten in der Entspannungspolitik beschert – auch ein Erbe Olof Palmes, der als Premierminister in den Siebziger Jahren, Schwedens Image von der „Humanitären Großmacht“ und die Idee des „Dritten Weges“ etablierte. Die Außenministerin Ann Linde hat noch Mitte Februar erklärt, dass das Land nicht der beitreten will (Schweden will nicht in die Nato).

Die Regierungschefin Magdalena Andersson hat letztens mehrfach versichert, die Zusammenarbeit mit der Nato zu intensivieren.

Doch der Knackpunkt ist Artikel 5, der Bündnisfall, wenn die Mitgliedstaaten einem bedrohten Land der Nato bei einem Angriff eines Drittstaaten beistehen müssen.

Die konservative und liberale Opposition fordert den Beitritt, am Freitag sind auch die rechten „Schwedendemokraten“, die immerhin die drittgrößte Fraktion im Parlament ausmachen, umgeschwenkt und wollen das Land in der Nato sehen.  Schweden hat im Unterschied zu Finnland keine unmittelbare Grenze zu Russland; allerdings gilt die Insel Gotland als strategisch entscheidender Ort in der Ostsee, weshalb Stockholm im Januar dorthin Truppen sowie Panzer schickte.

Eine Schnellschuss-Umfrage meint, dass 51 Prozent einen Beitritt wünschen, vor kurzem waren es nur 39 Prozent.

Bereits im Januar hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den beiden Ländern versichert, dass deren Mitgliedsanträge „sehr rasch“ bearbeitet würden. Der Norweger hat am Freitag versichert, das der Nordatlantikpakt den Dialog mit beiden Ländern intensivieren werde: „Kein Land, kein Kontinent kann damit (die russische Aggression) allein zurechtkommen.“ Vertreter der beiden Länder dürften nun an allen Treffen des Verteidigungsbündnisses teilnehmen.

Eine Reaktion Russlands hat nicht lange auf sich warten lassen. Die Kreml-Sprecherin Maria Sacharow hat kürzlich Schweden und Finnland „ernsthafte militärpolitische Konsequenzen“ angedroht, sollten sie dem nordatlantischen Bündnis beitreten.

Russische Militärexperten halten einen Atomkrieg mit der Nato wahrscheinlicher, sollte Finnland, das eine 1300 Kilometer lange Grenze mit dem östlichen Nachbar verbindet, dem Nordatlantikpakt beitreten. Von Finnland abgefeuert wären die ballistischen Raketen um fünf bis sechs Minuten schneller am Ziel. Allerdings bedeutet eine Nato-Mitgliedschaft nicht, dass Finnland auch Atomraketen auf seinem Gebiet stationieren lässt.

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Ein Kommentar

  1. Generell kann man sagen, dass eine nato-freie Welt wesentlich sicherer wäre und speziell auf Finnland bezogen, dass ein nato-Beitritt die finnische Sicherheit beträchtlich senken würde. Putin wird nicht zögern, auch in diesem Fall präemptiv einzugreifen. Und wenn er es für nötig hält, legt er sich auch mit der nato selbst an, das hat er bereits sehr deutlich klar gemacht. Die Gefahr eines atomaren Krieges ist hoch und es ist verrückt, sie mutwillig weiter zu erhöhen. Bei einem solchen Krieg wird es nur Verlierer geben. Und ich z. B. bin, aller Frustration über die Weltenläufte zum Trotz, noch nicht lebensmüde.

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