Großbritannien setzt auf hybride Kriegsführung und Spezialeinheiten

Royal Marines. Bild: Open Government Licence

Das traditionelle Militär rutscht auch in der Konfrontation mit den Hauptgegnern Russland und China in den Hintergrund, verdeckte Operationen von kleinen Einheiten werden die Sicherheitslage aber instabiler und gefährlicher machen.

Unter Boris Johnson unterzieht sich Großbritannien einem nationalen Pandemie-Experiment. Trotz enorm steigender Infektionszahlen, die durch die Delta-Variante und der Aufhebung von Beschränkungen verursacht werden, sollen nun am Freedom Day am 9. Juli fast alle noch verbliebenen Beschränkungen irreversibel wegfallen. Ob Großbritannien aus der zu erwartenden Infektionswelle geschwächt hervorgehen wird, wie viele warnen, oder schnell eine Herdenimmunität erreicht, muss man absehen. Peinlich ist für die britische Regierung, dass Boris Johnson mit Finanzminister Sunak und Gesundheitsminister Javid in Quarantäne gehen muss. Versucht wurde zuerst, das für Johnson und Sunak als Versuch zur Telearbeit bei Regierungsbehörden auszugeben. Pro Tag werden jetzt über 50.000 Neuinfektionen registriert, die Zahl der Toten steigt allerdings erst langsam.

Nach Willen von Johnson soll jedenfalls Großbritannien, das möglicherweise bald kleiner werden könnte, wenn die Schotten die Unabhängigkeit durchsetzen, wieder wie einst zu einer Großmacht werden, zu einem „Global Britain“, zu einer superpower und einer „Kraft des Guten“, klimapolitisch will man Vorreiter sein. Das soll politisch und wirtschaftlich sowie nicht zuletzt militärisch geschehen, was mit der 2020 beschlossenen Erhöhung des Militärbudgets der Modernisierung der Atomwaffen, der Einrichtung eines Cyber- und eines Weltraumkommandos belegt wird.

So hat Großbritannien militärpolitisch Schulter an Schulter mit den USA einen Umorientierung zum Indo-Pazifik und gegen China beschlossen, obgleich für das Erste Russland der Hauptgegner bleibt. Der längerfristige Schenk nach Asien soll auch durch die Fahrt des neuen und einzigen britischen Flugzeugträgers Queen Elizabeth in das Südchinesische Meer demonstriert werden, um China zu drohen, für die freie Seefahrt einzutreten und sich mit den Gegnern Chinas in der Region stärker zu verbinden. Der Flugzeugträgerverband, der die „größte Konzentration an See- und Luftstreitkäften darstellt, die Großbritannien während einer Generation  verlässt“, ist bereits in den Indischen Ozean eingefahren.

Militärisch setzt „Global Britain“ auf neue Techniken sowie eine hybride Kriegsführung mit Beeinflussungsoperationen durch kleinere, wendige Spezialeinheiten, weswegen traditionelle Kriegsführung mit großen Verbänden in den Hintergrund tritt und die Zahl der Armeesoldaten schrumpft.

Wie die britische Times unter Berufung auf Brigadegeneral Mark Totten, der die Leitung einer 4000 Mann starken Spezialeinheit der Royal Marines (Future Commando Force) übernehmen soll,  berichtet, sollen gemäß dieser Doktrin nun Spezialeinheiten offenbar bei Special Air Service (SAS) und Special Boat Service (SBS) aufgebaut werden, die verdeckte und riskante Aktionen gegen Großmächte wie China und Russland ausführen sollen. Sie könnten beispielsweise politisch heikle Aufgaben wie die Schulung der Marine von Staaten um das Südchinesische Meer ausführen. Die Future Commando Force ist eine schnelle Eingreifstruppe, die weltweit zum Einsatz kommen soll.

Offenbar ist man stark  auf den Seekampf orientiert, will auch die Geheimdienste Russlands und Chinas überwachen, aber zudem gegen Terrorismus und Söldner vorgehen. Es geht um komplexe Aufgaben, die den Einsatz von Experten verlangen. Gedacht ist auch, dass die Spezialeinheiten enger mit dem britischen Auslandsgeheimdienst MI6 zusammenarbeiten.

Das ist alles nicht neu, zeigt aber, dass die Kriegsführung in eine neue Richtung geht, die erst einmal weniger riskant aussieht, aber schneller bewaffnete Konflikte auslösen und zu Kriegen führen kann. Dass die britische Regierung risikobereit ist, hat sie Ende Juni demonstriert, als sie den Zerstörer HMS Defender mehrere Kilometer in die von Russland beanspruchten Gebiete an der Krim provokativ und mit eingebetteten Journalisten als Berichterstatter hat fahren lassen. Man hatte mit einem aggressiven Verhalten der Russen gerechnet, aber wohl nicht damit, dass der Zerstörer nach Aufforderungen, den Kurs zu ändern, dann auch zur Warnung ein Kampfflugzeug Bomben abwarf und ein Schiff der Küstenwache Warnschüsse abgab.

Erst daraufhin drehte man schnell ab. Die geistige Lage der Akteure ist eigentlich noch beunruhigender, was die Pläne für verdeckte Einsätze der Spezialeinheiten betrifft. Man hatte erörtert, welche Route das Schiff nehmen soll und wie Russland reagieren würde. Wäre man nicht, so die Überlegung, in die von Russland beanspruchten Hoheitsgewässer vor der Krim eingefahren, hätte das feige aussehen können. Und das kann sich „Global Britain“ natürlich nicht leisten, weshalb man als Halbstarker auftreten musste.

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