Guantanamo forever

Zellenblock in Camp 5. Bild: DoD

Zwar sind nach 20 Jahren nur noch 39 Gefangene im Lager, darunter die Fünf, die für die 9/11-Anschläge verantwortlich gemacht werden. Aber deren ausstehende Verurteilung ist ein Dilemma.

In den USA ist der 2001 gestartete Globale Kampf gegen den Terror (GWOT) noch immer nicht beendet, obgleich die Truppen aus Afghanistan von US-Präsident Joe Biden abgezogen wurden und die aus dem Irak folgen sollen. In Syrien will Washington noch einen Fuß haben, in Somalia, Jemen oder Nordafrika ist man weiter beschäftigt. Und dann gibt es da noch die große Wunde für das Image der USA: das Gefangenenlager Guantanamo in Kuba, das den zynischen Umgang der Nation mit Menschenrechten offengelegt hat.

Hier  wurden willkürlich die angeblich gefährlichsten islamistischen Kämpfer außerhalb der amerikanischen Rechtsordnung verschleppt, eingesperrt und gefoltert. Nicht nur in die Kriege, sondern auch in das Gefangenenlager Guantanamo sind Milliarden an Steuergeldern geflossen. Um die 400 Millionen US-Dollar kostet der Betrieb jetzt noch jährlich. 60 Millionen werden alleine jährlich für die simulierte Gerichtsbarkeit verprasst.

Insgesamt waren um die 800 Männer und einige Kinder – bezeichnet als die Schlimmsten der Schlimmen – inhaftiert, zu Beginn in Käfigen. Einige der Gefangenen begingen Selbstmord, was der damalige Kommandant Harry Harris  als Teil der „asymmetrischen Kriegführung“ bezeichnete. Es kam zu Hungerstreiks, Gefangene wurden zwangsernährt. Die meisten Gefangenen wurden inzwischen in ihre Heimatländer oder andere Staaten, die sie aufnahmen, entlassen, manche kehrten auch ins Schlachtfeld zurück. Aber nach bald 20 Jahren konnte Guantanamo nicht geschlossen werden, da der Kongress die Auflösung immer wieder blockierte und verhinderte, dass die verbliebenen Gefangenen in die USA überstellt werden, um sie dort vor Gericht zu stellen.

Am 19. Juli wurde wieder ein Gefangener nach Marokko entlassen. Der Vorgang zeigt, wie langsam die Mühlen mahlen. Schon 2016 empfahl der Periodic Review Board (PRB), dass Abdul Latif Nasir aus Marokko, 2002 in Afghanistan unter dem Verdacht, ein Taliban- oder al-Qaida-Kämpfer zu sein, gefangen genommen, entlassen werden sollte. Ein Verbrechen hatte man ihm nie vorgeworfen bzw. vorwerfen können. Jetzt nahm Marokko ihn auf, welche Gegenleistung erbracht wurde, ist nicht bekannt. 2018 war der letzte Gefangene in ein Gefängnis in Saudi-Arabien verlegt worden.  Ahmed Muhammed Haza al-Darbi hatte sich in einem Deal für schuldig erklärt, an dem Anschlag auf einen französischen Öltanker 2002 mitgewirkt zu haben und gegen Abd al-Rahim al-Nashiri auszusagen. Er wurde dafür zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, konnte aber dann zumindest aus Guantanamo gelangen und seine unbegrenzte Haftzeit begrenzen.

 

Die US-Regierung hat angekündigt, die Zahl der noch Gefangenen weiter zu reduzieren und letztlich das Lager zu schließen. Aber der Eindruck ist, dass unter Biden nicht viel geschehen wird. Es soll Gras über die Sache wachsen, die mit völlig schief gelaufenen Kriegen und einem ebenso absurden Kampf gegen den Terrorismus verbunden ist, der diesen genährt und failed states hinterlassen hat. Der neue kalte Krieg gegen die neuen und alten bösen Staatsmächte Russland und China beginnt, den Krieg gegen den Terrorismus zu überdecken und zu  verdrängen.

Jetzt sind noch 39 Menschen inhaftiert. Davon können eigentlich 10 weitere freigelassen werden, 17 weitere können sich überprüfen lassen. 2 wurden bereits verurteilt, 10 sind seit vielen Jahren vor einer sogenannten Militärkommission, einem Sondertribunal, angeklagt, darunter  die „Guantanamo Five“ (Khalid Scheich Mohammed, Ramzi Binalshibh, Ali Abdel Asis Ali, Mustafa Ahmed al-Hausaui und Walid bin Attasch), die für die 9/11-Anschläge verantwortlich gemacht werden. KSM hat zwar vieles zugegeben, aber er wurde mit Waterboarding gefoltert. Möglicherweise waren die Geständnisse so erzwungen, ausschließen lässt sich nicht, dass er als Drahtzieher, der die Anschläge geplant habe,  in die Geschichtsbücher als Märtyrer eingehen will. Das könnte auch für die Übrigen zutreffen, die 2008 Geständnisse ablegen wollten und sich zur Mittäterschaft bekannten. Beweise sind rar, der Kongress hatte den Versuch von Barack Obama abgelehnt, Guantanamo zu schließen und die Angeklagten vor ein Zivilgericht zu stellen, das auch die Todesstrafe verhängen kann. Donald Trump hat schließlich eine Executive Order erlassen, nach der Guantanamo unbegrenzt bestehen bleiben sollte. Er hegte auch die Absicht, neue Gefangene nach Guantanamo zu schicken. Joe Biden hat angekündigt, das Lager schließen zu wollen. Aber das hat offenbar keinen hohen Stellenwert, was auch damit zu haben wird, dass es Obama in den acht Jahren seiner Präsidentschaft bei mehrmaligen Versuchen die Schließung nicht durchsetzen konnte. Seitdem kommt der Prozess, der seit 2011 wieder vom Militärgericht weitergeführt oder eher verschleppt wird, nicht weiter.

Selbst wenn es angesichts der angewendeten Folter und der fragwürdigen Beweislage Urteile mit Todesstrafen geben sollte, dürfte sich der Prozess mit den zu erwartenden Einsprüchen noch Jahre oder Jahrzehnte hinschleppen. Vorgeschlagen wurde auch von einem ehemaligen Kommandenten etwa, den Guantanamo Five anzubieten, ein Geständnis abzulegen, um damit die Todesstrafe in eine lebenslängliche Haft umzuwandeln. Aber auch das würde schon das Image der USA schädigen und Guantanamo als verbrecherische Schande erweisen. Um das Gesicht zu wahren, kommt ein normaler Prozess nicht in Frage, der auch das „Risiko“ eines Freispruchs für die angeblichen Drahtzieher von 9/11 beinhalten würde. Selbst ein lebenslänglich kann nicht erwogen werden, da man mit den Bösen nicht verhandelt, die Todesstrafe scheint verhängt werden zu müssen, um 9/11 zu sühnen und die amerikanische Politik freizusprechen. Auch nach 20 Jahren traut sich die Politik nicht, einen Schlussstrich zu ziehen, der auch juristisch an der Zeit wäre, da mit dem Ende des Kriegs in Afghanistan die Begründung in der noch immer nicht beendeten Kriegsbewilligung die Rechtfertigung für die Inhaftierung derjenigen entfallen ist, die nicht wegen 9/11 angeklagt sind.

Im September soll der Prozess gegen die  5 Angeklagten weitergehen. Überraschend hat der Chefankläger und Brigadegeneral Mark S. Martins, der die Stelle seit 2011 innehatte und bis 2023 im Amt bleiben sollte, am 7. Juli seinen Rücktritt eingereicht und wird am 30. September aufhören. Hintergrund könnte sein, dass er im Fall Abd al-Rahim al-Nashiri ein Geständnis zugelassen hat, das unter Folter von der CIA erpresst worden war. Es gab offenbar Streit mit Anwälten des Weißen Hauses. Danach haben die verbliebenen Staatsanwälte eine Kehrtwende vollzogen und verlangen nun selbst die Streichung der erpressten Aussage. Auch der Chefverteidiger, der Brigadegeneral John G. Baker, wird im November aufhören. Schon mehrere Richter sind zurückgetreten, im Augenblick gibt es für diesen Fall keinen Militärrichter.

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