IS-Rückkehrer: der „letzte harte Kern“

IS-Frauen im Gefangenenlager von al Hol in Syrien, das von den kurdischen SDF verwaltet wird. Screenshot von al-Jazeera-YouTube-Video

 

Was tun mit den IS-Rückkehrerinnen? In Schweden wirft die Anreise von drei Frauen, welche mit dem „Islamischen Staat“ in Verbindung standen und ihren sechs Kindern aus Syrien viele Fragen auf.

Die drei Frauen wurden anfangs von der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Kriegsverbrechen festgehalten. „Es gibt Personen in Schweden, die unter Verdacht stehen, Kriegsverbrechen begangen zu haben, und auch in den kurdischen Lagern“, sagte Innenminister Mikael Damberg.  Niemand von diesen solle sich „sicher fühlen“.

Die letzten IS-Rückkehrer werden nach Schweden kommen

Die kurdische Verwaltung der Gefangenenlager in Nordostsyrien will in diesem Monat alle Inhaftierten aus Schweden wieder zurück schicken. Es soll sich um über zehn weitere „IS-Frauen“ und über zwanzig Kinder handeln. Diese stellen den schwedischen Staat vor eine „Herausforderung“, Sanna Klinghoffer, eine Reporterin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens SVT. Nach ihrer Einschätzung komme nun der „letzte harte Kern“, der sich bislang nicht um eine Rückkehr nach Schweden bemüht habe.

Zwar versprach der sozialdemokratische Innenminister, dass jeder Fall untersucht werde, doch in der bürgerlichen Opposition regt sich Unmut. „Wenn man wirklich um Schwedens Sicherheit besorgt ist, steht man nicht aktiv Personen bei, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, und holt sie nach Schweden“, kritisierte Johan Forssell, der Rechtsexperte der bürgerlichen Partei „die Moderaten“.

Von Seiten der rotgrünen Regierung wird darauf hin gewiesen, dass die Betroffenen die schwedische Staatsbürgerschaft hätten. Die bürgerliche Opposition verlangt jedoch, dass diese den Betroffenen in Abwesenheit entzogen hätte werden könne. Auch aus der Polizei sind solche Stimmen zu hören.

Den drei Frauen, welche nach Verhören auf freiem Fuß sind, wurden die Kinder bereits entzogen, die von Ersatzfamilien betreut werden. Gegen sie wird weiterhin ermittelt.

Eine Gefahr für Schweden?

Etwa 300 Personen sind nach Angaben der Behörden seit 2012 aus Schweden in den Irak oder nach Syrien gereist um auf Seiten des sogenannten „Islamischen Staates“ an Kriegshandlungen teilzunehmen oder diese zu unterstützen.

Damals gab es noch keine rechtliche Handhabe in Schweden, sogenannte „Kriegsreisen“ unter Strafe zu stellen; die Rückkehrer können darum für das Ausreisen ohne konkrete Beweise für eine Straftat nicht belangt werden. Ein entsprechendes Gesetz ist erst seit 2016 in Kraft. Allerdings sitzen bereits einige der über 150 Rückkehrer in Gefängnissen ein, da die schwedischen Behörden ihnen Verbrechen in Nahost nachweisen konnten.

Ob es sich bei den IS-Schwedinnen um Konvertiten oder um Personen mit einem muslimischen Migrationshintergrund handelt, ist bislang unbekannt. Von kurdischer Seite wurde einer Frau das Agitieren für den Islamischen Staat innerhalb des Lagers vorgeworfen.

Der Islamforscher Marco Nilsson warnt in der liberalen Zeitung „Göteborg Posten“, dass die rückkehrenden Frauen die Dschihadkultur verbreiten könnte, was die größte Gefahr für Schweden bedeuten würde. Der Einfluss der Frauen, neben den Kindern auch auf die Männer,  sei bislang unterschätzt worden.

Wie auf eine mögliche IS-Propaganda reagiert werden kann, scheint noch unklar. Die Behörden haben Probleme, in die inneren Kreise der Salafisten einzudringen. Aussteigewillige melden sich kaum.

Die rotgrüne Minderheitsregierung will noch diesen Herbst die Antiterrorgesetze verschärfen, wohl auch, um nicht als zu passiv dazu stehen. Zudem betonte die schwedische Außenministerin Anne Linde, dass sich Schweden nie bemüht habe, die IS-Mitglieder aus den Lagern zu holen.

Doch mit der Diskussion um die Sicherheit der Schweden punkten erneut die bürgerlichen Parteien, welche mit den rechtspopulistischen „Schwedendemokraten“ ein Bündnis riskieren wollen, um die rotgrüne Minderheitsregierung abzulösen. Der Chef der Rechten, Jimmie Akesson, nahm den 11. September zum Anlass, um vor der schwedischen Naivität angesichts des Islamismus zu warnen.

Zwei skandinavische Nachbarländer agieren in dieser Frage strenger

Auch Norwegen wird von der kurdischen Verwaltung aufgefordert, die verbleibenden vier Frauen in den Lagern bei sich aufzunehmen, wogegen sich Oslo sträubt. Nach norwegischer Gesetzeslage können diese für die Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung mit sechs Jahren Gefängnis belangt, werden.

Dänemarks Regierung hat im Mai dem Antrag von drei Frauen stattgegeben, diese mit ihren Kindern ins Land zu lassen – die Kinder seien im Lager gefährlicher, da sie sich dort radikalisieren könnten. Umgesetzt wurde dies jedoch noch nicht.

Drei „IS-Frauen“ wurden in Abwesenheit die dänische Staatsbürgerschaft entzogen. Die Betroffenen werden von den Kurden in die Herkunftsländer Marokko, Iran und Sudan abgeschoben.

Nach Gesprächen zwischen Vertreter der Kurden, den USA und der EU zeigen immer mehr westliche Staaten Bereitschaft, ihre Staatsbürger zurück zu holen. Allerdings gibt es ein formales Problem: Viele Länder monieren, dass sie keine Ansprechpartner hätten – rein rechtlich wäre die Regierung in Damaskus der Ansprechpartner, doch die wird vom Westen geschnitten.

Finnland hat dies so gelöst, dass mit Jussi Tanner ein Diplomat vor Ort ist und offiziell mit der kurdischen Verwaltung verhandelt und auch mit dem finnischen Geheimdienst vor Ort in Verbindung steht. Im vergangenen Jahr gab es im finnischen Parlament und in der Öffentlichkeit eine heftige Debatte, ob auch Mütter und nicht nur Kinder zurückgeholt werden sollen. Im Dezember bekamen erstmals zwei Mütter mit finnischer Staatsangehörigkeit und ihre sechs Kinder die Bewilligung zur Rückfahrt.

m-barn-och-kvinnor-i-al-hol/

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