Kriegsbefürworter spielen Atomkriegsgefahr herunter

Iskander-M-Kurzstreckenrakete, die u.a. mit einem EMP- und einem Nuklearsprengkopf ausgerüstet werden kann. Bild: Mil.ru

Ralf Fücks und seine Mitstreiter im „Offenen Brief“ meinen, Abschreckung schrecke die Gefahr einer atomaren Eskalation ab, ein Russlandexperte gibt vor zu wissen, warum Russland keine Atomwaffen einsetzen wird

 

Die Ukraine kann im Kampf gegen Russland weiter aufgerüstet und unterstützt werden, einen Atomkrieg wird es nicht geben, erklärte Christo Grozev der Daily Times, die ihn als Experten für russische Angelegenheiten bezeichnet und der es deswegen ja wissen muss. Der Bulgare Grozev ist vor allem deswegen bekannt, weil er Mitarbeiter von Bellingcat ist. Dort ist er zuständig für „Sicherheitsbedrohungen, extraterritoriale geheime Operationen und die ‚weaponization‘ von Informationen“, also für Informationen, die waffenförmig gemacht werden, was das immer genauer heißen mag, aber zum Renner geworden ist, um den öffentlichen Diskurs einzuschränken bzw. die Informationswaffen des Gegners durch eigene Bombardements abzuwehren.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat kurz nach Beginn des Einmarsches der russischen Truppen in die Ukraine die Abschreckungskräfte, zu denen auch die für Atomwaffen zuständigen Einheiten gehören, in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Das ist Stufe 2 von vier und bedeutet noch nicht, dass Atomwaffen scharf gemacht werden, sondern dass die Truppen in Bereitschaft sein müssen. Stufe 1 ist normal, Stufe 3 bedeutet militärische Gefahr, die Atomwaffen werden einsatzbereit gemacht, Stufe 4 wäre Eintritt in den Atomkrieg.

Zu Beginn des Kriegs hatte Putin schon gewarnt: „Wer auch immer versucht, sich uns in den Weg zu stellen oder gar Bedrohungen für unser Land und unser Volk zu schaffen, er muss wissen, dass Russland sofort reagieren wird, und das wird Konsequenzen haben, wie Sie sie in Ihrer gesamten Geschichte noch nie gesehen haben.“ Im April soll ein erfolgreicher Test der neuen russischen Langstreckenrakete Sarmat stattgefunden haben, die nach Putin von keinen Raketenabwehrsystemen abgefangen werden kann. Am 27. April warnte Putin in einer Rede vor Parlamentariern unmissverständlich, ohne explizit von Atomwaffen zu sprechen:

„Ich möchte noch einmal betonen: Wenn jemand beabsichtigt, von außen zu intervenieren und eine strategische Bedrohung für Russland zu schaffen, die für uns nicht akzeptabel ist, sollte er wissen, dass unsere Vergeltungsschläge blitzschnell sein werden. Wir verfügen über die dafür notwendigen Mittel, die derzeit niemand sonst für sich beanspruchen kann. Wir werden nicht nur damit prahlen, wir werden sie auch einsetzen, wenn es nötig ist. Und ich möchte, dass alle wissen: Wir haben alle Entscheidungen in dieser Angelegenheit getroffen.“

Vermutlich wurden auch die amerikanischen Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft versetzt. Sowohl Russland als auch die USA behalten sich ein atomares Erstschlagrecht vor. Alexey Zaitsev, ein Sprecher des Außenministeriums erklärte, Russland würde in der Ukraine keine taktischen Atomwaffen einsetzen. Moskau halte daran fest, dass ein Atomkrieg nicht ausbrechen dürfe. Lawrow wies zurück, er habe „nukleares Säbelrasseln“ betrieben, wie US-Verteidigungsminister Austin sagte, Russland sei stets dem Prinzip gefolgt, dass es zu keinem Atomkrieg kommen dürfe.  Er gab aber zu bedenken, dass der ukrainische Präsident bedauerte, auf Atomwaffen verzichtet zu haben, und dass Polen sich bereit erklärte hatte, US-Atomwaffen zu stationieren. Andererseits hat Russland in Kaliningrad gerade demonstrativ Simulationsübungen für das Starten von mit Nuklearsprengköpfen ausrüstbaren Iskander-Raketen durchführen lassen.

Die Befürworter der unbedingten militärischen Unterstützung der Ukraine mit immer mehr Waffen und mit militärisch wichtigen Informationen, um einen Sieg über Russland zu erringen oder, wie es in einem Offenen Brief lapidar heißt, „die Kriegsfähigkeit Russlands maximal zu schwächen“, spielen die nukleare Bedrohung entsprechend herunter.

Mitunter wird gesagt, obwohl man Putin dauernd Irrationalität und Größenwahnsinn unterstellt, dass er dann letztlich doch noch rational handeln und nicht zu Atomwaffen greifen wird, auch wenn es um den Sieg über Russland oder dessen maximale Schwächung geht, wie US-Verteidigungsminister Austin das amerikamische Kriegsziel nannte. Voodoo-Zauber ist in dem von Ralf Fücks initiierten Offenen Brief die alternativlose vorgeschlagene Vermeidung eines Einsatzes von Atomwaffen: „Der Gefahr einer atomaren Eskalation muss durch glaubwürdige Abschreckung begegnet werden.“ Auch eine solche Abschreckung ist Teil der Eskalation und mindestens ein Beitrag zum Eintritt in eine Dynamik, die oft genug schon in Kriegen geendet hat und dieses Mal in einen Atomkrieg münden kann, in dem alle zu Verlierern werden. Der grüne Falke Fücks warf denn denjenigen, die einen Atomkrieg vermeiden wollen, Furcht vor, was natürlich gar nicht im neuen militärisch-heroischen Zeitalter geht, in dem das Risiko gefeiert wird.

Grozev, um zum Beginn zurückzukommen, hat nun eine weitere Beruhigung für die Aufrüster parat, die die Ukrainer auch für sich kämpfen lassen, aber nicht selbst an die Front gehen wollen. Er will nämlich wissen, sagte er Daily Mail, dass Putins Umgebung seinem etwaigen Befehl nicht folgen würde, Atomwaffen gegen die Ukraine oder den Westen einzusetzen. Viele aus dem inneren Zirkel der Kremlmacht, aus Militär- und Sicherheitskrisen und von den Oligarchen, würden nämlich glauben, dass Putin schwer erkrankt sei oder am Sterben sei. Als Zeichen wird in der Daily Mail bewertet, dass er sich mitunter an einer Tischecke festklammert. Grozev:

„Ich denke, es ist nicht so wichtig, ob er im Sterben liegt oder schwer krank ist, wichtig ist, dass die Menschen um ihn herum das denken. Das ändert die Formel, das ist ein Faktor, der darüber entscheidet, wie loyal die Menschen ihm gegenüber sein sollten. Ich glaube, dass dieser Faktor – dass die Menschen, die ihm nahe stehen, denken, dass es ihm gesundheitlich nicht gut geht – das Risiko verringert, dass sie seinem Befehl, Feinde zu töten, gehorchen, wie sie es in der Vergangenheit getan haben. Aus demselben Grund ist es unwahrscheinlich, dass jemand den Atomknopf drückt, weil er weiß, dass, wenn er in drei oder sechs Monaten nicht mehr da ist, wer ihn vor einem Prozess in Nürnberg schützen wird.“

Dann kann man beruhigt weiter schwere oder alle Waffen in die Ukraine liefern, die Soldaten ausbilden, den Streitkräften direkt im Kampf helfen und zur direkten Kriegspartei werden.

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8 Kommentare

  1. Was man zurzeit aus den Medien aufgetischt bekommt ist wie ein 35-Gang-Essen – nicht endendwollende Propaganda. Russland hat schon verloren, der Wirtschaftskrieg ist extrem wirkungsvoll, Putin ist ein Nazi und nun noch Grozev von Bellingcrap, der weiss, dass der Nazi im Sterben liegt.

    Besonders beelendend die definitive Selbstabschaffung – sorry für die Anleihe bei Sarazin – der parlamentarischen Linken. In der Schweiz denkt die SPS gerade über die umstandslose Enteignung russischer Milliardäre nach, das eingefrorene Geld soll für Reparationenszahlungen an die Ukraine verwendet werden. Nicht dass die Milliardäre es besser verdienten, aber die sonst völlig verbürgerlichten Schweizer Sozialdemokraten kriegen sich vor Russenfresserei nicht mehr ein und rennen der Kriegspartei voraus.

    Was die Gefahr eines Atomkrieges betrifft – ja, die ist hoch, es ist absolut möglich, dass es dazu kommt, wenn Russland durch einen nato-Staat direkt angegriffen wird. Gewiss nicht in der Ukraine. Das ist doppelt Propaganda. Erstens soll es heissen, Putin sei wahnsinnig, zweitens, er komme in der Ukraine in solche Bedrängnis, dass er sich nicht mehr anders zu helfen wisse. Dafür gibt es nicht das mindeste Anzeichen, die ukrainische Armee wird massakriert, tagtäglich. Sie verliert deutlich schneller an Hardware, als nachgeliefert wird. In Reportagen berichten zuweilen auch gewisse westliche Medien, wie es bei den Ukrainern wirklich aussieht. Etwa Politico oder der Christian Science Monitor.

    Aber die erzeugte Stimmung ist, wie schon gesagt beelendend. Es ist traurig, zuzusehen, wie z. B. die Klimajugend sich vor den nato-Karren spannen lässt. Irgendwann, wenns gilt, die Scherben zusammenzuwischen, kommt die Ernüchterung, aber dann ist es zu spät.

  2. Hinsichtlich der Atomkriegsgefahr warnte Lawrow vor dem steigenden Risiko einer UNBEABSICHTIGT ausgelösten Kettenreaktion.
    Die NATO erhöht dieses Risiko allerdings absichtlich mit der Förderung von Angriffen aus der Ukraine auf russisches Staatsgebiet, die systematisch gesteigert werden sollen, wenn der Ukraine auf eigenem Staatsgebiet die militärische Niederlage droht.

    T-Online präsentiert dazu stolz eine Liste bereits erfolgter kleinerer „Vorfälle“ nicht nur im Grenzgebiet zur Ukraine, sondern überall in Russland:
    https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_92138980/brandserie-in-russland-nachricht-lautet-wir-koennen-euch-ueberall-treffen-.html

    Focus erläutert, wie die USA diese Strategie seit 2015 aktiv vorbereiten:
    https://amp.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/asymmetrische-kriegsfuehrung-wie-in-afghanistan-westen-trainiert-ukrainische-guerillas-fuer-kampf-gegen-putins-truppen_id_94400495.html

    Zitat:
    „(…) bekannt ist, dass die Green Berets, Spezialkräfte der US-Army, seit Wochen die ukrainischen Soldaten trainieren. Ebenso wie der Special Air Service, der SAS, eine Spezialeinheit der British Army. Beide Einheiten sind spezialisiert auf Sabotage-Operationen hinter feindlichen Linien. Über die unübersichtlichen Frontlinien im Donbass und am nördlichen Grenzverlauf können so Guerilla-Einheiten nach Russland geschleust werden, um strategische Ziele ins Visier zu nehmen.“

    Bekanntermaßen bestehen „die ukrainischen Soldaten“ auch aus „Regimentern“ wie Asow, die auf die physische Zerstörung Russlands eingeschworen und in ihrem Verhalten völlig unberechenbar, anscheinend auch nicht kontrollierbar, sind.
    Sie zu Übergriffen auf russisches Territorium auszubilden und auszurüsten, kann katastrophale Folgen haben.

  3. Was ist eigentlich für den grünen Fücks so furchtbar an Putin und seinem Angriffskrieg?

    Der Angriffskrieg kann es ja nicht sein. Angriffskrieger waren fast alle ehemaligen US-Präsidenten, viele Nato-Mitglieder und ja, auch Schröder war Angriffskrieger und ebenso „die Grünen“.

    Aber bei den Russen ist das ganz schlimm und er möchte dafür auch einen Atomkrieg in Kauf nehmen? Würde ihn das glücklich machen, weil Putin dann in die Nähe von Mrs. Allbright käme, und er ihn bewundern müsste?

    Ich verstehe nicht, was da in den Köpfen der „Grünen“ vorgeht und warum irgendjemand diese Leute für kompetent hält.

  4. Wir, die arbeitenden Menschen, lassen uns seit jeher von Psychopathen beherrschen!
    Früher mussten Sie uns Ketten um den Hals legen, heute haben sie und eine „Ausbildung“ verpasst und wir laufen frei durch die Gegend, allerdings nicht ohne wenigstens 40 Stunden in der Woche als Nutztier und wohl ebenso 40 Stunden als Konsumobjekt präsent zu sein. Den Rest der Zeit schlafen wir, bzw. träumen von Freiheit und Reichtum.

    Jene die nicht vom Reichtum träumen, haben sich zumindest von einem Trigger befreien können, doch es sind wohl eher wenige.
    Das Fatale aber ist, kaum ein Mensch verweigert sich diesem Wahnsinn, die wenigen die es tun, begehen meist Selbstmord, da sie das als konsequent und als einzige Möglichkeit betrachten.

    Wer sollte also bleiben, der den Psychopathen in ihrem Veitstanz Einhalt gebietet?
    Richtig, NIEMAND!

    Im Gegenteil, wir morden uns gegenseitig, sobald auch nur einer von diesen Irren mit dem Finger auf die Karte Krieg zeigt! (…. und das gilt leider für alle Hordenverbände dieser Welt – wer hier glaubt Putin mit seinen Verrückrten Freunden wäre weniger verrückt als die NATO-US-Banden, die China Bande oder was auch immer für eine Bande, der wird, sofern er es erlebt, dass eine andere Bande hochkommt, enttäuscht werden!)

    Es ist unendliche Male ausgesprochen worden, der Mensch ist das furchtbarste Wesen auf diesem Planeten, einzig, letztlich will es doch kaum einer wirklich glauben, oder glaubt ihr es und seid ganz zufrieden damit?
    Oder sind alle die hier posten Obdachlose, die sich diesem System irgendwo in den Wäldern verweigern und zum posten in eine Bibliothek gehen, um sich mal kurz umzuschauen, kurz einen Gedanken zu formulieren und ihn uns hier mitzuteilen?

    Ich bin leider noch gut gebettet, mir geht es, als lebte ich im Paradies, doch sobald ich auf die Welt der Menschen sehe, weiß ich, ich bin Teil eines widerlichen Monstrums, das alles zu verschlingen droht.
    So genieße ich dennoch mein Leben, …… Mensch und Dreckskerl der ich bin!

  5. Zu den Autoren der Offenen Briefe: Leute wie Fücks, Koenen und Schlögel sind ehemalige Maoisten (KBW, KPD usw.), die bereits früher gegen den russischen „Sozialimperialismus“ zu Felde zogen. Sie hatten auch damals keinen Problem mit Kriegen und haben u.a. die Roten Khmer bejubelt. Eigentlich haben sie sich gar nicht groß geändert.

  6. Bevor der Ukrainekrieg ausbrach hat Russland in Kontakt mit NATO+USA ermittelt dass man nicht leben konnte mit der potentiellen Drohung einer Instellation von Natowaffen an der oestlichen Grenze der Ukraine,4 minuten Flugzeit von Moskou.Als Loesung hat man vorgeschlagen die Ukraine nicht in die Nato aufzunehmen,also zu neutralisieren.Dies wurde sowohl von der Nato als von USA verweigert.Man hat die Ukraine zum Krieg verurteilt,der dann auch tatsaechlich angefangen hat.NATO ist ein Instrument zur Sicherheit von den beteiligten Laendern.Wenn die Nato aber zu einer Bedrohung von wichtigen Staaten auf demselben Kontinent fuehrt und man verweigert jede Loesung ist die Sicherheit fuer ALLE weg.Deshalb hat die Natoverweigerung zum Krieg gefuehrt.Ueber Putin werden viele Maerchen ezaehlt,aber er wird bestimmt keine Zugestaendnisse um die Sicherheit seines Landes machen.

  7. bei mir wird auf dieser Seite in den Werbeannoncen rechte Spalte von buchkomplizen als buchtipp „Heller als Tausend Sonnen“ von Robert Jungk angezeigt. Das war in den 50ern ein Bestseller, wichtiges Buch für die damalige Anti-Atombewegung. Der Titel wurde 2016 neu aufgelegt von rowohlt. Wer hat wohl das Vorwort für die Neuflage verfasst? Richtig, Mr. Habeck.

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