Maschine zur Selbsttötung: das „finale Vehikel“

Die Todeskapsel. BIld: Exit International

Philip Nitschke, Gründer von Exit International, soll in der Schweiz für die „Sarco“-Kapsel zur Suizidhilfe ohne rezeptpflichtige Substanzen eine Genehmigung erhalten haben.

Wer sich mit dem Ende des eigenen Lebens beschäftigt und nicht zu sehr religiös ist, um sich mit dem Schicksal abzufinden, wird überlegen, ob und wie er oder sie es selbst beenden könnte, wenn es ihm oder ihr nicht nur vor Schmerzen oder Qualen unerträglich wird, sondern auch die Aussichten auf ein zu sehr behindertes, dementes oder eingeschränktes Leben, das mehr ein Dahinvegetieren zum Tode ist. Aber auch wenn den Menschen zugemutet, für sein Leben weitgehend selbst verantwortlich zu sein, werden sie normalerweise vom Staat gehindert, ihren Tod selbst in die Hand zu nehmen und sich Hilfe zu suchen, um sich möglichst schmerzlos und in Würde selbst das Leben zu nehmen.

In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 wird festgehalten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf selbstbestimmtes Sterben als Ausdruck der persönlichen Autonomie einschließt. Dies allgemein, nicht nur bei bestimmten Krankheiten oder Krankheitsverläufen. Das Recht beinhalte auch, Hilfe bei anderen zu suchen. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verhindere faktisch, eine von Suizidwilligen ausgewählte Hilfe in Anspruch zu nehmen. Damit ist der § 217 Strafgesetzbuch nicht verfassungskonform, der pauschal Sterbehilfe verbietet:

„1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.“

Aber der Staat kann weiterhin strafrechtlich eingreifen, allerdings strikt  „auf den Schutz der Selbstbestimmung (beschränkt), der durch Elemente der medizinischen und pharmakologischen Qualitätssicherung und des Missbrauchsschutzes ergänzt werden kann“.

In der Schweiz, wo schon länger die Selbstbestimmung der Menschen mehr geachtet und in sehr engen Schranken assistierte Selbsttötung und organisierte Sterbehilfe möglich ist, hat nun der Australier Philip Nitschke, der in den Niederlanden lebt, eine neue Maschine entwickelt, mit der Menschen sich selbst töten können, ohne dass der Helfer aktiv eingreifen und den Vorgang auslösen muss. Bekannt wurde der ehemalige Arzt, als er in den 1990er Jahren eine Maschine entwickelte, mit der Todeswillige eine tödliche Injektion durch ein verbundenes Notebook auslösen konnten (Deliverance machine). Damit hat nicht der Arzt aktiv Sterbehilfe geleistet. Vier Menschen hatten sich der Maschine bedient, danach verbot Australien diese Sterbehilfe. Nitschke gründete Exit International und gab in Australien seine Approbation zurück, weil gefordert wurde, er müsse die Sterbehilfe und die Werbung für sie einstellen, um Arzt bleiben zu können. Für ihn ist das Recht auf einen selbstbestimmten schmerzfreien Tod nicht beschränkt auf todkranke Menschen, sondern ein allgemeines Menschenrecht.

Philip Nitschke

Jetzt hat Nitschke eine neue Methode entwickelt, die nicht auf der Einnahme von flüssigem Natrium-Pentobarbital beruht, das beispielsweise die in der Schweiz anerkannte Organisation  Exit verwendet. Die Sarco-Kapsel, die mit einem 3D-Druckerhergestellt wird, wurde von der Schweiz als Todesmaschine anerkennt. Die Methode ist, den Innenraum der luftdicht abgeschlossenen Kapsel schnell mit Stickstoff zu fluten und den Sauerstoff zu reduzieren. Das soll nicht unangenehm sein, verspricht Nitzschke, und ganz schnell gehen: „Die Person fühlt sich ein wenig desorientiert und kann sich auch leicht euphorisch fühlen, bevor sie das Bewusstsein verliert. Der ganze Vorgang dauert etwa 30 Sekunden. Der Tod tritt durch Hypoxie und Hypokapnie ein, also durch einen Mangel an Sauerstoff bzw. Kohlendioxid. Es gibt keine Panik, kein Erstickungsgefühl.“

Der Vorteil der Kapsel sei, dass sie an beliebigen Orten aufgestellt werden kann, auch in freier Natur. Der Sterbewillige legt sich in die Kapsel, beantwortet einige Fragen und kann dann, wenn er will, den Knopf drücken, um den Sterbevorgang einzuleiten. Ein Sarco-Modell wurden in der Ausstellung „Suizid – Let’s talk about it!“ des Museums für Sepulkralkultur in Kassel ausgestellt. Aber noch scheint die Ästhetik nicht zu gefallen, die Kapsel soll schließlich auch ein Kunstobjekt für den Abgang werden, für eine „Reise zu einem neuen Ziel“. Es müsse auch noch eine Kamera integriert werden, um eine informierte Zustimmung zu belegen. Die Auslösung soll auch durch Augenbewegung oder Sprachbefehl möglich sein, um körperlich Behinderte die Benutzung zu ermöglichen. Überdies soll ein KI-gestützter Online-Test entwickelt werden, um die „geistige Leistungsfähigkeit“ des Sterbewilligen festzustellen. Das heißt auf jeden Fall, man muss Sterbehilfe präventiv in Anspruch nehmen, bevor man dement wird. 2022 soll Sarco in der Schweiz verfügbar sein.

Der Teil der Kapsel, in die sich der Sterbewillige legt, soll auch als Sarg dienen können. Man ist umweltbewusst, die 3D-Druck-Maschine ist aus einem Holzamalgam, das biologisch abbaubar sein soll, so dass sich Endlichkeit mit Endlichkeit paart. Und jeder auf der Welt soll das Prinzip des Todesfahrzeugs, das still steht, verstehen können. Es ist eine Geschäftsidee, Nitschke investiert Geld zur Entwicklung und er will daran verdienen. Aber für einen selbstbestimmten Tod ist das allemal besser als die staatliche Finanzierung von tödlichen Waffen für das Militär, vor allem von Massenvernichtungswaffen. Das macht deutlich, wie schief die herrschende Moral ist: Sie will die souveräne Entscheidung eines Individuums verhindern oder erschweren, aus dem Leben zu gehen, während Milliarden in die Entwicklung von Waffen investiert werden, um Menschen zu töten.

Ja, wir wären glücklich, wenn es solche Maschinen gäbe, mit denen man sich schmerzlos von der Welt verabschieden könnte, wenn man dies will. Wir sind keine Computerspielexistenzen, die beliebig nach dem Tod wieder neu antreten können. Manchmal reicht uns auch das Leben, wir haben genug davon und wollen den Schrecken, die auf uns zukommen, nicht ausgesetzt sein. Humanes Sterben muss eine Gesellschaft akzeptieren, die auf die Freiheit der Bürger setzt. Auch damit kann sich Geld verdienen lassen. Höchste Zeit, dass wir auch Maschinen haben, um den Tod zu optimieren, nicht nur, um das degradierte Leben zwanghaft zu verlängern.

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2 Kommentare

  1. Sieht auch fast aus wie ein Escape Pod, wie man es manchmal in Sci-Fi-Filmen sieht. Nur.. damit „Geld zu verdienen“, finde ich schwierig. Die Leute, die diese Geräte bauen sollen natürlich bezahlt werden. Aber ich traue dem Kapitalismus/Kommerz nicht zu, dauerhaft dafür zu sorgen, dass nicht bald auf Linienbussen oder im Web massive Werbekampagnen gefahren werden. Insbesondere im Hinblick auf das im Weltkontext vorhandene exponentielle Bevölkerungswachstum werden sich entsprechende Begehrlichkeiten vergrössern.

    1. Busunternehmen etc. können sich aussuchen welche Werbung sie zeigen.
      Fahren sie für den ÖPNV, haben auch die noch mitzureden.
      Auch Stöer, JC Decaux etc. sind nicht blind, haben Angestellte die das sehen.
      Da geht es um etwas dass jeder Lizenzfrei selber drucken können soll.
      Keine Angestellten dieses Mannes.
      „Dr. Death“ aus Australien will angeblich die 3D-Druck-Dateien online stellen.
      Was ich etwas seltsam finde, er meint man könne es sich selbst drucken, um sich dann damit zu töten.
      Daran finde Ich nur den Aufwand seltsam, den man betreiben würde.
      Denn es reicht ja auch ein Gefrierbeutel über dem Kopf und Schlauch mit Helium oder Stickstoff rein. Das denke ich mir nicht aus, das nennt sich „Exit-Bag“.
      Oder eine bestellte Atemmaske.
      Das Teil hier sehe Ich als Politische Kunst. Er will damit das Thema Suizid und das Recht eines JEDEN auf Suizid öffentlich machen.
      Ohne das Recht des Staates oder Ärzten etc. den Grund zu beurteilen.
      Wenn sich ein 25-jähriger das Leben nehmen will, weil er keinen Bock auf 50 Jahre Ausbildungsberuf (kein erfüllender Studienberuf) hat, ist auch das OK.
      Ich würde gerne so ein Ding bauen. Die angeblich herunterladbaren Dateien fand Ich noch nirgends. Und dann meint er nicht nur ganz selbstverständlich jeder der sich selbst töten wolle könne das Ding dafür vorher bauen, es hat auch eine Größe die es nicht erlaubt es auf dem Heim-3D-Drucker herzustellen.

      Ich könnte einen drucken, vor den Kölner Dom, Jobcenter etc. stellen, und Reaktionen mit der Kamera einfangen. Wenn ihn wirklich jemand nutzen will, soll auch das möglich sein.

      Wenn alle Teile gestückelt wären, könnte man sie zusammen mit Aceton (löst ABS etc. an) zusammen stecken, und so auch mit einem Anet A8 oder anderen Druckern mit max. um 25x25x25cm so ein Teil herstellen.

      „Insbesondere im Hinblick auf das im Weltkontext vorhandene exponentielle Bevölkerungswachstum werden sich entsprechende Begehrlichkeiten vergrössern.“

      Was soll denn das bedeuten?
      Dass so ein Teil dazu führen könnte, dass Staaten Menschen töten wollen?
      Wohl kaum. Das wäre auch ohne möglich.

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