Muslime und Antisemitismus

Bild: ŠJů/CC BY-4.0

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Antisemitismus und (anti-muslimischem) Rassismus?

Der Anschlag von Hanau, die Mbembe-Debatte wie auch die immer wiederkehrenden, meist hitzigen Diskussionen um den Nahost-Konflikt machen eines klar: Wir brauchen dringend eine fundierte Auseinandersetzung mit den Zusammenhängen zwischen Antisemitismus und (anti-muslimischem) Rassismus. In der Öffentlichkeit ist die Frage, ob und wie diese beiden Phänomene miteinander verglichen werden dürfen, enorm umstritten, was eine sachliche und wissenschaftliche Beschäftigung lange erschwert hat. Sabine Schiffer und Constantin Wagner zeigen in ihrem Buch  „Antisemitismus und Islamophobie. Ein Vergleich“, dass Antisemitismus und Islamophobie zusammenhängen.

 

Der Überfall auf einen Rabbiner in Frankfurt am 07.09.2007 oder auf Rabbi Daniel Alter 2012 in Berlin sind traurige und deutliche Ausdrücke von Antisemitismus in Deutschland. Bereits die Berichterstattung über den Mord an Schlomo Lewin in Erlangen 1980, die dem Mordopfer vorschnell eine mögliche Mossad-Tätigkeit unterstellte, wies auffällige Anzeichen von antisemitischen Einstellungen auf – wie es der Münchener Journalist Ulrich Chaussy herausarbeitete. In letzter Zeit werden zunehmend Angriffe auf Menschen mit Kippa registriert, in jüngerer Zeit in Berlin, wo unter anderem ein arabischer Jugendlicher einen Israeli angriff und beleidigte.

Wenn Menschen aufgrund ihres Äußeren, durch das sie als Juden identifiziert werden, angegriffen werden, sollte dies ein Warnsignal sein, das an Deutlichkeit kaum zu überbieten ist und das auf tiefe antisemitische Einstellungen schließen lässt. Dies sollte allgemein alarmieren – und wissenschaftliche Studien belegen auch ein konstantes antisemitisches Ressentiment, das auch in der sogenannten Einwanderergesellschaft gemessen werden kann. Allerdings bieten die häufig in sozialen Medien vielfach verbreiteten Belege auch die Möglichkeit, vor allem den Antisemitismus zu betonen, der von „den Anderen“ verübt wird, und somit zu suggerieren, dass derlei Einstellungen ansonsten in Deutschland rückläufig wären.

Die Täter sind nicht nur, aber auch junge Muslime. Dies wird gerne als Beleg für die These vom „islamischen Antisemitismus“ gewertet, wie sie etwa Matthias Küntzel vertritt, der dabei gerne suggeriert, dass dies bei Muslimen irgendwie „naturgegeben“ sei. Ähnlich wie der ermordete Pim Fortuyn in den Niederlanden, der auch bereits in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts vor einer „Islamisierung“ warnte, hat Küntzel einen Orientierungsshift von stark links nach stark rechts vollzogen. Er gehört heute zu denjenigen sogenannten Antideutschen, die sogar an Schulen für einen präventiven Krieg gegen Iran werben, weil dieser angeblich Israels Existenz bedrohe.

In der Logik des Antagonismus verbleibend, die davon ausgeht, dass es entweder ausschließlich Opfer von Muslimen oder ausschließlich Muslime als Opfer geben könne, greift er das Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin und Wolfgang Benz an. Dieses bedroht mit der Aufnahme des Themas Islamfeindlichkeit in das Jahrbuch 2009 die künstliche Dichotomie Küntzels. Offensichtlich bedroht mit dem Verlust seines argumentativen Bodens vom „viel antisemitischeren Musli“, behauptet er entgegen der Faktenlage, dass ein Vergleich zwischen Antisemitismus und Islamophobie einer Gleichsetzung gleichkäme – ein leicht durchschaubarer Tabuisierungsversuch. Seine Behauptungen, dass es zum Beispiel keine vergleichbare Schändung muslimischer Gräber gäbe und auch keine Weltverschwörungstheorie, die Muslimen Weltmachtstreben unterstellte, wurden bereits widerlegt. Gerade angesichts der gemeinsamen Erklärung Hamburger Rabbiner und der Schura Hamburg anlässlich einer ebensolchen Grabschändung mutet sein Versuch der Polarisierung zwischen Juden und Muslimen besonders aufgesetzt an.

Physische Attacken auf Juden bilden die Ausnahme, nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich, obwohl dort derlei Angriffe auf dezidiert jüdisch aussehende Bürger viel verbreiteter sind als hierzulande und nicht nur von Muslimen verübt werden. Wolfgang Benz  warnt insgesamt davor, den Verweis auf Antisemitismus unter Muslimen zur eigenen Entlastung zu missbrauchen. Wie allgemein, wird auch in Bezug auf antijüdische Agitation die sprachliche Diffamierung und Vorbereitung solcher Taten unterschätzt. Wenn es um „Wehret den Anfängen!“ geht, muss also genau hier angesetzt werden.

Die zunehmende Islamophobie hat nichts mit einer „jüdischen Weltverschwörung“ zu tun

Auch Leugnungsstrategien sagen viel über ein Ressentiment aus à la „Ich habe nichts gegen Juden, aber …“ Beginnen wir die kritische Betrachtung anhand zweier gängiger Diskurselemente im Reden über Juden bzw. über den Antisemitismusvorwurf Muslimen gegenüber. Mit zwei Mythen lässt sich schnell aufräumen:

Die feststellbare zunehmende Islamophobie hat nichts mit einer immer wieder unterstellten „jüdischen Weltverschwörung“ zu tun und dahinter steckt auch keine sonstige geschlossene konzertierte Aktion. Islamfeindlichkeit speist sich aus vielen unterschiedlichen Intentionen verschiedenster Akteure und einem großen Missverständnis.

Muslime sind nicht „immun“ gegen Antisemitismus im klassischen Sinne, weil sie im „unklassischen Sinne“ selbst Semiten wären.

Letzteres zu behaupten ist ausgemachter Unfug und entspricht einer naiven Projektion zur Selbstberuhigung. Nicht alle Muslime sind „Semiten“, wenn wir diese unglückliche Begriffsübernahme hier heranziehen wollen. Denn der Begriff bezeichnet ja lediglich eine Sprachgruppe, zu der zum Beispiel Türkisch, Persisch und viele Sprachen Afrikas nicht gehören. Welche Folgen die Ethnisierung des Begriffs im antisemitischen Diskurs hatte, ist inzwischen bekannt und sollte deshalb nicht noch einmal wiederholt werden. Eine Umdefinition der Umma (also der Islamischen Gemeinschaft) als Weltgemeinschaft mit unveränderlichen „völkischen“ Merkmalen, wie es die Christliche Mitte schon versucht hat, wäre ein fataler Mechanismus, der an rassenideologische Konzepte anknüpfen könnte.

Außerdem hat eine Selbstbetroffenheit noch nie verhindert, dass man nicht die gleichen diskriminierenden Denk- und Handlungsweisen aufweist wie das kritisierte Gegenüber. Es gehört schon mehr dazu, um parallele Strukturen in der Behandlung des Gegenübers erkennen und anerkennen zu können, gerade weil es sich bei Betroffenen ja um emotional belastete, in der persönlichen Würde verletzte Personen handelt. Dann den Blick auch noch für anderes Leid zu wahren und Mitgefühl für andere diskriminierte Menschen zu empfinden gelingt nur wenigen. Also schützen auch die Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamophobie die Betroffenen nicht vor Ressentiments übereinander.

Manchmal verhindert eine Stimmung des Sich-angegriffen-Fühlens geradezu eine Auseinandersetzung mit der Not anderer: Zu sehr ist man mit den eigenen Emotionen beschäftigt. Wie ein Reflex wird oft die eigene Betroffenheit zur Projektion der Täterschaft in das Gegenüber angewandt, das auch gesamtgesellschaftlich bereits markiert ist, als Bedrohung erscheint und scheinbar übermächtig ist; sich insofern also als Täter „anbietet“. Dieses psychische Reaktionsmuster verbleibt im Bipolaren, in dem es nur ein Opfer und einen Täter geben kann. Und damit ist auch klar, dass Antisemitismus unter Muslimen kein „Markenzeichen“ für „Islamismus“ ist. Die Projektion eigener antijüdischer Reflexe auf „Islamisten“ stellt wiederum eine weitere Projektion zur eigenen Entlastung sich selbstidealisierender Muslime dar.

Eine gruppenspezifische Zuordnung politischer Einstellungen ist schlichtweg nicht möglich

Bringen wir es auf einen (auch von Muslimen häufig genannten) Punkt: Es gibt keine „jüdische Presse“, die schuld an der Schimpftirade auf den Islam sein könnte. Ganz einfach darum, weil es keine „jüdische Presse“ gibt. Aber gerade für derlei Vermutungen und Unterstellungen scheinen immer mehr Muslime heute besonders empfänglich zu sein. Gerne werden Listen von jüdischen Medienmachern und Journalisten zusammengestellt, die dann um das ein oder andere Mitglied eines Thinktanks oder einer Lobbygruppe ergänzt werden. Sie werden als Kronzeugen für die eigene These von einer „jüdischen Anti-Islam-Verschwörung“ herangezogen – mittels genau der Verallgemeinerung, unter der man selbst leidet.

So authentisch die einzelnen auf solchen Listen verzeichneten Namen auch sein mögen, ihre Auswahl verbleibt in der gleichen Logik wie die Verwechslung von Terroristen, die sich auf den Islam berufen, mit „den Muslimen“. Auch hier kann exemplarisch das Beispiel des „jüdischen Medienmoguls“ herangezogen werden: Haim Saban. Der Medienmogul kauft zwei deutsche TV-Sender und gibt als Grund an, dass er die Israel-Berichterstattung positiv beeinflussen wolle. Er ist Jude und schon denken viele: „Aha, die Juden beeinflussen unsere Medien!“ Das ist so vermeintlich plausibel wie falsch. Selbst wenn er persönlich einen Zusammenhang zwischen seiner Haltung und seinem Judesein sieht, diese Sicht ist subjektiv und darf nicht einfach als stellvertretend für alle Juden übernommen werden – ganz einfach, weil nicht alle Juden so denken. Es gibt ebenso jüdische Journalisten und Redakteure, die eine diametral entgegengesetzte Politik verfolgen, etwa Shraga Elam, Moshe Zuckermann und Amira Hass  oder die israelische Zeitung Haaretz. Und außerdem gibt es genügend nichtjüdische Medienschaffende, die genau die gleiche Politik verfolgen wie vielleicht ein Haim Saban – als Beispiel können Kai Dieckmann oder Julian Reichelt von der Bild dienen.

Wir könnten nun ewig fortfahren und die unterschiedlichsten Facetten von Haltungen und Meinungen Einzelner, ob Jude, Christ, Muslim oder Atheist, in dieser Thematik vorstellen. Das zeigt, dass das Merkmal „jüdisch“ in diesem Kontext keine Aussagekraft hat, ebenso wie andere mögliche gruppeneinteilende Merkmale wie Nationalität oder Geschlecht für diesen Kontext. Eine gruppenspezifische Zuordnung politischer Einstellungen ist schlichtweg nicht möglich.

Eine Großzahl von Juden leidet genau unter dem verallgemeinerten Bild von der bedingungslosen Solidarität mit Israel. Initiativen wie Die andere jüdische Stimme aus den Niederlanden, das collectif judéo-arabe aus Frankreich, Peace Now aus den USA und Israel, Shalom aus Deutschland und der AK-Nahost aus Berlin und viele mehr werden zu schnell zur Ausnahme erklärt. Damit wird dann das Stereotyp vom einflussreichen, medienbeeinflussenden Juden aufrechterhalten. Und es wird abgelenkt von anderen wichtigen Zusammenhängen: Etwa von der besonders vehementen christlichen Rechten, die sich die kritiklose Unterstützung Israels zum Primärziel ihrer endzeitlichen Agenda gemacht hat – letztendlich mit antisemitischem Impetus: Denn für Evangelikale hat zwar die Wiederkunft Christi zur Voraussetzung, dass Israel in jüdischer Hand ist, aber genau diese Wiederkunft würde die Vernichtung aller Nichtchristen bedeuten (Armageddon) – also stehen auch die Juden auf der Todesliste. In dieser Anschauung werden sie zum reinen Platzhalter degradiert.

An diesem ausführlich geschilderten Beispiel wird ganz klar: Eine Selbstbehauptung kann keine Analyse ersetzen. In Fällen wie dem Haim Sabans ist der abstrahierende Überblick zu bewahren. Obwohl etwas wahr ist, kann der daraus gezogene Schluss dennoch falsch sein. Es kommt also nicht so sehr auf das Faktum an sich an, sondern darauf, ob das genannte Merkmal – etwa eine Gruppenzugehörigkeit – für den Sachverhalt, um den es geht, wirklich relevant ist. Da sich aber nach wie vor auf „die Wahrheit“ als Rechtfertigungskategorie für Erwähnung von Gruppenbezeichnungen etwa in der Medienberichterstattung berufen wird, erscheint es plausibel, solche Zusammenhänge zu suggerieren – zumal, wie in diesem Fall, die Betroffenen dies selbst als authentische Stimme kundtun.

Im Schließen von einigen auf alle liegt die große Gefahr der falschen  Verallgemeinerung

Übernimmt man jedoch (und das ist eine aktive, selbst zu verantwortende Tat) deren Sicht und deren Aussagen, wie etwa „Ich tue das als Jude, Muslim oder Christ“, dann bedient man damit antisemitische oder ähnlich gelagerte Ressentiments. So wird man schnell zum Handlanger von Maximalisten, stützt deren eigene Verwechslungen und erhebt eventuell gar persönliche Sichtweisen zu volkscharakterisierenden Schablonen.

Dies geschieht Muslimen, die selbst Opfer dieser Übernahme authentischer Stimmen (bestimmter Akteure) sind, in Bezug auf Juden und andere Gruppen ebenso. Es ist aber wahrlich keine Besonderheit von Muslimen, antijüdische Stereotype aufleben zu lassen. Überall auf der Welt werden solche Stimmen laut, die alte antisemitische Karikaturen zu neuem Leben erwecken und antijüdische Verschwörungstheorien kombiniert mit jeweils anderen Begründungen kolportieren. Zumeist speisen sie sich aus einer dünnen Schicht von Fakten, die dann in Bezug auf alle Juden verallgemeinert werden.

Wenn wir erkennen können, dass im Schließen von einigen auf alle die große Gefahr der falschen  Verallgemeinerung liegt, dann ist schon viel gewonnen. Denn „die Juden“ gibt es genauso wenig wie „die Muslime“ oder „den Westen“ und darum gibt es auch keinen Grund, sich gegen eine dieser sehr heterogenen Gruppen aufhetzen zu lassen.

Auch unter Muslimen ist also ein „Pars-pro-toto“-Denken in Bezug auf „die Juden“ feststellbar und durchaus antisemitisches = antijüdisches Denken, wie es seit hunderten Jahren in Europa vorliegt. Taten einzelner, jüdischer Regierungsbeteiligter in den USA oder die israelische Politik, aber auch die Durchschlagskraft eines (häufig vorschnellen) Antisemitismusvorwurfs nähren die Vorstellung von einer „jüdischen Macht“.

Allein die in arabischen Ländern häufig verwendete Bezeichnung „Jahud/Jude“, wenn eigentlich ein Israeli gemeint ist, enthält die Komponente der Verallgemeinerung. Diese Markierung des Jüdischen im politischen Kontext entspricht zwar der Selbstmarkierung des selbsternannten „jüdischen Staates“, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich israelische Politik nicht von der etlicher anderer Staaten unterscheiden lässt. Etwas spezifisch Jüdisches gibt es in dem wie in anderen Zusammenhängen einfach nicht, auch wenn die israelische Verfassungsänderung 2018 es erschwert, dies zu erkennen.

Letztere Komponente des Missverständnisses beleuchtet Yakov Rabkin in seinem Buch Im Namen der Torah von 2007: Er kritisiert das Selbstverständnis des Staates Israel als „jüdischen Staat“ oder „hebräischen Staat“ als politische Strategie zur Vereinnahmung aller Juden sowie als Wiege etlicher Missverständnisse. Gerade der Antisemitismusvorwurf, der gerne von israelischer Seite bemüht werde, gebe dem Konflikt einen „jüdischen“ Impetus. Außerdem kritisiert Rabkin unglückliche Koalitionen, wie etwa die mit der Christian Coalition (Evangelikalen), die zur eigenen Schuldabwehr und aus strategischen Interessen Solidarität mit diesem „jüdischen“ Staatskonzept signalisierten. Dagegen fordert er die absolute Dissoziation von Judentum und dem Staat Israel. Gerade durch diese unheilige Allianz sieht er die Werte des Judentums in Gefahr – ähnlich wie Rolf Verleger. Beide wurden inzwischen von der von einer Rechtsaußen-Regierung geschaffenen israelischen Realität eingeholt.

Hier wird nachspürbar, wie es auch Hellmut Andics durch seine Beschreibungen plastisch werden lässt, auf welche Weise sich aus einzelnen Koinzidenzen eine große Weltverschwörung ableiten lässt – ein wirklich großes Missverständnis mit teils tödlichen Folgen. Eine jüdische Weltverschwörung ist ebenso illusionär wie die Vorstellung einer islami(sti)schen Weltverschwörung, wofür es ja auch einzelne reale Indizien zu geben scheint und worunter die Mehrzahl der Muslime leidet.

Obwohl die islamische Geschichte mit vielen Beispielen der Toleranz und des Miteinanders mit jüdischen Minderheiten aufwarten kann, ist heute ein zunehmender, „islamisch begründeter“ Judenhass vor allem in arabischen Ländern und im Iran feststellbar. Und tatsächlich scheint es einigen zu gelingen, aus Koranstellen oder Hadithen einen lauernden Juden herauszulesen, der in den vergangenen Jahrhunderten nicht zu sehen war. Lange vergessene „Weisheiten“, wie dieser Ausspruch, den einige dem Propheten Mohamed zuschreiben, werden im aktuellen Ressentiment Juden gegenüber wieder ausgegraben:

„Die Stunde der Auferstehung wird nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen. Die Muslime werden sie töten, bis sich der Jude hinter Stein und Baum verbirgt und Stein und Baum dann sagen: „Oh Muslim, oh Diener Gottes! Da ist ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn!“

Nicht nur die Hamas verherrlicht diese lange irrelevante Stelle, auch unter einigen türkischstämmigen Muslimen in Deutschland ist die Zitation zu hören. Auch Harun Yahja (alias Adnan Oktar) tat sich hier mit einigen Schriften hervor. Fundiert zum Thema hat Claudia Dantschke gearbeitet.

Nun schürt auch das unterschiedliche Ansehen von Juden und Muslimen weiteres Misstrauen. Gerne wird geleugnet, dass eine besondere Rücksicht auf bestimmte jüdische Vertreter – wie dem Zentralrat der Juden in Deutschland – der deutschen Geschichte und dem Holocaust geschuldet ist. Stattdessen wird „den Juden“ allgemein und per se eine große Macht zugeschrieben. Nun hat es in der Tat mehr Gewicht, wenn jüdische Vertreter auf Antisemitismus aufmerksam machen, als wenn muslimische Vertreter sich über Islamophobie beschweren – dies liegt aber nicht an den Juden, sondern an den Entscheidungsträgern in Politik und Medien.

Wie kompliziert die Verwicklungen sind, können wir auch an folgender Beobachtung festmachen: Der berechtigte Hinweis auf ein Messen mit zweierlei Maß in Bezug auf die unterschiedliche Bewertung und Behandlung von Antisemitismus und Islamophobie wurde im Karikaturenstreit Anfang 2006 vielfach umgemünzt in ein Hoffähigmachen antijüdischer Karikaturen. Statt die verpönten antisemitischen Karikaturen mit den antiislamischen auf die gleiche Stufe der Kritikwürdigkeit zu stellen und damit deutlich zu machen, wo die Grenzen von Meinungs- und Pressefreiheit liegen, wurde der Konflikt oft dahingehend genutzt, die kluge Einschränkung von Redefreiheit in Bezug auf die Holocaustleugnung und die Diffamierung von Juden „als Juden“ auszuhebeln, also im Falle von Volksverhetzung. Dies stellt einen absolut fatalen Rückschritt dar.

In einer Abbildung aus der saudi-arabischen Tageszeitung Al-Watan etwa soll dieses über Leichen wandelnde Ungeheuer arabischer Provenienz ein israelischer Politiker sein oder gar die israelische Politik anprangern – und tut dies mit dem Einsatz jüdischer Symbolik, wofür Irans Ahmadinedschad das lauteste Beispiel war. Um den Davidstern könnte man noch streiten, weil er in der israelischen Fahne auch eine nationale Bedeutung einnimmt, aber dennoch weltweit auch als Symbol für das Judentum verstanden wird. Die Verallgemeinerung auf „die Religion der Juden“ wird aber eindeutig durch die Anspielung auf den siebenarmigen Leuchter in der Teufelsgabel deutlich.

Leider verfallen viele Muslime auch schnell in Selbstidealisierung, wenn sie jeden Vorwurf von Antisemitismus oder die Bitte um Prüfung desselben mit dem Verweis auf die „judenfreundliche“ islamische Geschichte – im Gegensatz zur christlichen antijüdischen Geschichte – abtun. Wenn man diese Phasen in der islamischen Geschichte auch tatsächlich ausmachen kann, so hat es doch immer beides gegeben: Ablehnung von und Ansehen für Juden, manchmal sogar zeitgleich.

Die Geschichte der Juden unter „islamischer Herrschaft“ (und christlicher) hat der US-amerikanische Wissenschaftler Bernard Lewis differenziert aufgearbeitet. Im Gegensatz zu Bat Ye’or alias Gisèle Littmann kommt er zu dem Schluss, dass die Dhimmitude – also das Minderheitengesetz für die „Buchvölker“ unter muslimischer Gesetzgebung – zumeist eine mehr als erträgliche Existenzgrundlage war, wobei allerdings die jeweilige Behandlung der Dhimmis von der aktuellen Gesamtstimmung abhängig und nicht immer rosig war. Und in Bezug auf die Verwicklung „Israel – Juden“ kommt Klaus Faber im Rahmen seines Vortrags in Mannheim am 14.07.2006 zu folgenden Schlüssen: „Es stimmt, dass Antisemitismus nicht mit der Lösung des Nahostkonfliktes verschwinden wird, aber seinen Aufwind unter Arabern darum ohne diesen erklären zu wollen, greift zu kurz.“

 

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