Religiöser Rat: „Den Feind vernichten, damit er weniger Zeit hat, Böses zu tun“

Bild: Ukrayinska Pravda

Der Ukraine-Krieg ist nach Priestern auch ein religiöser oder ein metaphysischer Krieg, die Argumente sind wirr, auch die Oster-Friedensbotschaft von Papst Franziskus erschüttert das Vertrauen in die Vernunft.

Am Ostersonntag wurde vom ukrainischen Online-Nachrichtenmedium Ukrayinska Pravda ein denkwürdiges Interview mit dem Priester der Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche  Viktor Marinchak, Rektor und Professor der Nationalen Universität Charkiw und der Ukrainische Orthodoxe Kirche (Kiewer Patriarchat) veröffentlicht. Die Ukrainische Orthodoxe Kirche (Kiewer Patriarchat) hat sich 2018 von der Russisch Orthodoxen Kirche als unabhängig erklärt und vom Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., anerkannt.  Bekannt wurde Viktor Marinchak 2013 als „Führer des Maidan-Geistes“, er leitete die Gebete beim Schewtschenko-Denkmal auf dem Maidan in Kiew.

Die Osterbotschaft des Priesters klingt nicht sonderlich christlich und gipfelt im Mord als vermeintlicher Rettung des Bösen vor sich selbst. So titelt Ukrayinska Pravda: „Der russische Soldat sollte nicht gehasst, sondern vernichtet werden. Zu seinem eigenen Besten, damit er weniger Zeit hat, Böses zu tun.“

Hass sei natürlich, wie halte er es damit, wird Marinchak gefragt. Hass, so der Priester könne die Seele verbrennen, aber nicht bei Menschen wie ihm, der den Krieg erlebt hat. Hass könne man gegenüber einem Freund oder einem Bruder empfinden, der zum Feind wird. Um nicht Hass zu empfinden, müsse man verstehen, dass es der Daseinszweck des Feindes ist, das ukrainische Volk zu unterwerfen, Kinder zu töten, Mädchen zu vergewaltigen und Krankenhäuser zu zerstören: „Ein wahrer Feind ist ein Feind, der nichts Menschliches an sich hat – ein Erdbeben, ein Tsunami, eine Seuche, eine Pest, eine Virusinfektion. Aber diese Dinge erzeugen keinen Hass.“ Sie müssen einfach gestoppt, bekämpft, zerstört werden.

Die Ukrainer hätten sich geirrt, als sie „die Russen wie Brüder und einen russischen Soldaten wie einen Menschen behandelten, sie müssen dazu übergehen, ihn als Unmensch wahrzunehmen“. Letztlich schlägt der Priester vor, Russen wie ein Ungeziefer ohne Emotion zu töten, dabei aber die Gewissheit zu haben, diesen damit etwas Gutes zu tun: Als Feind gehe es darum, ihn „nicht zu hassen, sondern einfach zu zerstören, weil er selbst beschlossen hat, Satan zu dienen, und dies mit Freude, Inspiration und sadistischem Vergnügen tut. Zu seinem eigenen Vorteil zu zerstören – damit er weniger Zeit hat, Böses zu tun.“

Man müsse den Willen Gottes akzeptieren und glauben, dass alles einen Sinn ergibt. Es habe in der Geschichte der Ukraine einige Revolutionen gegeben, nach der Orangen Revolution die Maidan-Revolution, die anti-imperialistisch gewesen und deswegen gegen Russland gerichtet war: „Und jetzt haben wir einen letzten, entscheidenden Krieg mit dem bösen Imperium. Es geht darum, ob die ukrainische Nation und der ukrainische Staat überleben werden oder nicht. Der Feind will uns zerstören.“ Aber der Krieg hat auch etwas Gutes: „Ich schätze katastrophale Umstände sehr hoch ein. Sie erfordern eine klare Identität: wer ist wer.“ Man könne zur Ukraine jetzt sagen: „Dies ist ein heldenhaftes Volk, ein Volk des Sieges, ein Volk, das im Kampf gegen einen gebackenen Feind nicht nur zum Subjekt seiner eigenen Geschichte wurde, sondern zum Anführer im Kampf für die Werte der Freiheit, der Wahrheit und des Lichts. So sieht uns die Welt jetzt.“

Marinchak lehrt auch die russische Sprache. Das könne helfen zu verstehen, warum Russland „zu Putins, Kommunisten und Nazis des einundzwanzigsten Jahrhunderts geworden ist – nicht nur zu Barbaren, sondern zu Dienern des Teufels.“ Es ist offenbar ein religiöser Krieg der hier ausgefochten wird. Es kämpfen die Gottgefälligen und Lichtgestalten gegen die Bösen und Teufel. Irgendwie kommt dann am Ende doch noch etwas ein wenig Versöhnliches: „Wir wollen leben. Unsere Nachbarn wollen uns tot sehen. Dies lässt viel Raum für Kompromisse.“

Ein Krieg mit metaphysischer Bedeutung

Der Ukrainer steht nicht alleine damit, den Krieg religiös aufzuladen und Partei zu ergreifen. Der Patriarch Kirill von der Russisch-Orthodoxen Kirche hatte am Tag vor dem Beginn des russischen Angriffskrieges Putin zum Tag des Verteidigers des Vaterlandes gratuliert und die angeblichen militärischen Tugenden sowie den Nationalismus gefeiert. Militärdienst wird dann perverserweise zur Nächstenliebe und Güte verklärt:

„Heute ehren wir die Leistung derjenigen, die einen verantwortungsvollen Militärdienst leisten, die Grenzen ihres Heimatlandes bewachen und sich um die Stärkung seiner Verteidigungsfähigkeit und nationalen Sicherheit kümmern. Tapferkeit und Mut, Mut und Entschlossenheit, glühende Liebe zum Vaterland und Bereitschaft zur Selbstaufopferung – diese Eigenschaften haben unser Volk seit Jahrhunderten ausgezeichnet, nachdem es durch die Schmelztiegel vieler Prüfungen gegangen ist und seinen Charakter und seine Standhaftigkeit in ihnen gehärtet hat. Die Russisch-Orthodoxe Kirche hat sich immer bemüht, einen bedeutenden Beitrag zur patriotischen Erziehung ihrer Landsleute zu leisten, indem sie im Militärdienst eine aktive Manifestation der evangelischen Nächstenliebe, ein Beispiel der Treue zu hohen moralischen Idealen der Wahrheit und Güte sieht.“

Das war schon eine Art Segen für den Krieg und die Soldaten, die gegen die Ukrainer ziehen. Am 6. März erklärte der Patriarch den Krieg in der Ukraine zu einem metaphysischen Kampf gegen die amoralischen westlichen Werte, es geht um das „Heil des Menschen“. Irgendwie gehe es um einen „Test“  oder eine Prüfung gegenüber der Sünde, dem übermäßigem Konsum und einer falschen Freiheit. Das Böse wird dann in der Gay Pride Parade, der Schwulenparade, konkretisiert, die Anerkennung von LGBTQ ist für ihn schon länger des Teufels, die Homo-Ehe eine gefährliche Sünde. Für Gott sei Homosexualität eine Sünde, die, wenn sie akzeptiert wird, die menschliche Zivilisation beenden wird. Der Gedankengang ist oft ebenso wirr wie der des ukrainischen Priesters und Professors.

„Alles, was ich sage, hat mehr als nur eine theoretische Bedeutung und mehr als nur eine spirituelle Bedeutung. Um dieses Thema wird heute ein regelrechter Krieg geführt. Wer greift heute die Ukraine an, wo acht Jahre Unterdrückung und Vernichtung von Menschen im Donbass, acht Jahre Leiden, und die ganze Welt schweigt – was bedeutet das? Aber wir wissen, dass unsere Brüder und Schwestern wirklich leiden; mehr noch, sie leiden vielleicht wegen ihrer Treue zur Kirche. Und so rufe ich heute, am Sonntag der Vergebung, einerseits als euer Hirte alle auf, Sünden und Vergehen zu vergeben, auch dort, wo es sehr schwierig ist, wo Menschen miteinander kämpfen. Aber Vergebung ohne Gerechtigkeit ist Unterwerfung und Schwäche. Die Vergebung muss also mit dem unabdingbaren Recht einhergehen, auf der Seite des Lichts zu stehen, auf der Seite der Wahrheit Gottes, auf der Seite der göttlichen Gebote, auf der Seite dessen, was uns das Licht Christi, sein Wort, sein Evangelium, seine größten, dem Menschengeschlecht gegebenen Bündnisse offenbart.“

Und das Licht und Gott stehen nach dem Patriarchen eben auf russischer Seite. Man müssen den „orthodoxen Menschen im Donbass“ beistehen und besten, dass bald Frieden einkehrt. Nachvollziehen lassen sich solche verqueren Gedankengänge auf beiden Seiten des Ukraine-Kriegs nicht.

„Friede sei mit Euch“

Und was sagt Papst Franziskus? In seiner Osteransprache beschwört er erst einmal, dass Jesus wirklich vom Tod wiederauferstanden ist, der verkündet: „Friede sei mit Euch.“ Davon zeugen irgendwie seine „glorreichen Wunden“ auf seinem „glorreichen Leib“. Daraus leitet Franziskus ab, der sich nicht wirklich auf einer Seite positionieren und den Krieg der einen oder der anderen legitimieren will, dass die Menschheit bereit sein soll, auf den Krieg zu verzichten. Aktuell bat er darum:

„Werde der leidgeprüften Ukraine, die durch die Gewalt und die Zerstörung des grausamen und sinnlosen Krieges, in den sie hineingezogen wurde, so sehr gelitten hat, Frieden zuteil. Gehe bald eine neue Morgendämmerung der Hoffnung über dieser schrecklichen Nacht des Leidens und des Todes auf! Möge man sich für den Frieden entscheiden. Man höre auf, die Muskeln spielen zu lassen, während die Menschen leiden. Bitte, bitte, gewöhnen wir uns nicht an den Krieg, setzen wir uns alle dafür ein, von unseren Balkonen und auf den Straßen mit lauter Stimme den Frieden zu verlangen! Frieden!“

Frieden kann man schon verlangen, aber es geht um Interessen, da wäre es auch für einen Papst vielleicht sinnvoll, konkrete Vorschläge für eine Friedenslösung zu machen. Ob die Ukraine nur in den Krieg „hineingezogen“ wurde oder mit zur Eskalation beigetragen hat, wäre für die pragmatische Entwicklung einer  Friedenslösung eine wichtige Frage.

Franziskus stellt sich verständlicherweise auf die Seite der Opfer: „In meinem Herzen trage ich all die vielen ukrainischen Opfer, die Millionen von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen, die auseinandergerissenen Familien, die allein gelassenen alten Menschen, die zerstörten Leben und die dem Erdboden gleichgemachten Städte. Ich habe den Blick der Waisenkinder, die vor dem Krieg fliehen, vor meinen Augen.“ Franziskus verweist aber auch auf die anderen Kriege und Konflikte, die derzeit vom Ukraine-Krieg in den Hintergrund rutschen und durch die ebenfalls Menschen leiden.

Zu sagen hat Franziskus allerdings nicht mehr als Friedensbeschwörungen, die nichts bewirken. „Christus, der Sieger über Sünde, Angst und Tod“, könne uns ermutigen, „nicht dem Bösen und der Gewalt nachzugeben. Brüder und Schwestern, lassen wir uns vom Frieden Christi überwältigen! Der Frieden ist möglich, der Frieden ist eine Pflicht, der Frieden ist die vorrangige Verantwortung aller!“ Das ist, sorry, für einen Atheisten erbauliches Geschwätz.

 

Ähnliche Beiträge:

11 Kommentare

  1. Und die deutschen Kirchenoberen tragen auch nur zur weiteren Geistesverwirrung bei, wenn sie etwa etwa Waffenlieferungen für zielführend halten. Wenns draufan kommt, versagen die christlichen Kirchen – aus anderem Blickwinkel kann man auch sagen, es sei auf sie Verlass – auf die kläglichste und erbärmlichste Weise.

    Aber am schlimmsten ist schon der Ukrainer, der die Gegner entmenschlicht und damit jeder erdenklichen Untat Tür und Tor öffnet.

    1. Und damit paßt er doch hervorragend zu der neuen Demokratie, die der Westen mit Geld und Waffen in diesem Land geschaffen hat.

      Derzeitige Ergebnisse u.a. :

      https://consortiumnews.com/2022/04/20/zelenskys-hardline-internal-purge/

      Das qualifiziert bestimmt zur beschleunigten Aufnahme in die EU, wie ja bereits versprochen. Fehlt eigentlich nur noch der Friedensnobelpreis für den neuen Weltstar und die Aufforderung, die jetzigen EU-Länder sollten sich daran ein Beispiel nehmen.

  2. Pfaffengesocks, sollte man ohnehin keine Stimme geben. Egal, welcher Konfession auch immer. Wer sich auf „Gott“ beruft, abreitet mit völlig unseriösen Mitteln. So auch der Papst: „Er betet für den Frieden“. Gut, wir geben dir vierzehn Tage Zeit. Sollte sich bis dahin keine Besserung ergeben haben: SÄKULARISATION NOW! Denn entweder hate das besten nicht gewirkt – dann brauchen wir ihn nicht – oder „Gott“ will keinen Frieden: Ebenfalls: Für so einen „Gott“ ist kein Platz in unserer WElt.

  3. Der religiöse Wahn ist immer noch präsent. Er wird aber heute durch den Wahn der Ideologien ergänzt. Werte geleitet, und noch mehr Waffen. Sogenannte Freiheit, der metaphysische Wahn und die damit verbundene Intoleranz ist immer noch in den Köpfen, vor allem in den Köpfen der Regierenden. Dabei geht es doch, frei nach Helmut Schmitt, nur ums Fressen, also um ein gutes Leben, wie immer das für den Einzelnen auch aussieht.

  4. Jedem klar denkenden Menschen müsste auffallen, dass da „mit Gott“, nichts stimmen kann: Jede Seite kannte Waffensegnungen – und jede Seite glaubte, für die „richtige“ Sache zu kämpfen.

    Ja was nun? Für welche Seite entscheidet sich der „Allmächtige“, der seine „Schäflein“ abschlachten lässt?

    1. Wie der Name schon sagt: Wenn Kirchen- und Religionsvertreter vom Allmächtigen träumen, dann nehmen sie zwar Maß an dem wie Macht in Wirklichkeit vorkommt, sehen aber ein Wesen am Werk, das dann doch ein bißchen mehr an Macht auf die Beine stellt, als in der Wirklichkeit überhaupt vorkommt. Wer sich zu dieser Supermacht bekennt, adelt (so die etwas einfältige Folgerung der Pfaffen) sein eigenes Handeln im Kampf gegen das Böse – Sinnstiftung fürs erfolgreiche Gemetzel könnte man auch sagen. Das Besondere im Fall von Marinchak und dem auswechselbaren Kirill ist der stramme Rassismus, den sich die beiden ausdenken. Die Friedensforderung des Papstes lässt die Frage offen, wer (und unter welchen Bedingungen), das zustandebringen soll. Oder ist da insgeheim auch so ein Allmächtiger gefordert, der in der Lage ist, die bösen Kräfte auszulöschen?

  5. Rein zufällig lesen die Kirchenoberen aus ihren Texten genau das raus, was aktuell von ihren jeweiligen Regierungen verlangt wird. Offenbar zählt es mehr sich an die reale, weltliche Macht anzupassen, als religiösen Offenbarungen und Werte zu folgen.

  6. Nun ja, es demonstriert das Dilemma aller Religiösen, wenn sie auf einer weltlichen Seite stehen wollen oder müssen. Umso schlimmer, wenn sie noch ihre eigene reaktionäre Agenda vertreten, in der sich der Kiewer und der Moskauer Oberpfaffe wohl nichts geben. Beide sind homophob und intolerant. Aber der Kiewer ist ganz offenbar auch noch Faschist. Da gibt es keine Äquidistanz.

  7. Was soll denn der Papst sagen? Für Atheisten ist das doch alles erbauliches Geschwätz. Was sagen die säkularen Humanisten? Atheistisches erbauliches Geschwätz!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert