Selenskij ordnet per Dekret Gleichschaltung der Medien und Verbot von Parteien an

Es ist Krieg, da muss für strategische Kommunikation gesorgt werden, um die Menschen bei der Stange zu halten. Die Säuberung der Medien und der Opposition hat allerdings schon früher begonnen.

 

Auch in der Ukraine ist es nun endgültig Schluss mit der Pressefreiheit, mit der es sowieso nicht weit her ist, da zumindest alle Fernsehender Oligarchen gehören, die sie auch für politische Zwecke einsetzen. Schon letztes Frühjahr hatte die ukrainische Regierung einige oppositionelle Fernsehsender ohne Gerichtsbeschluss verboten, weil sie angeblich russische Propaganda verbreiten. Sie gehören einem Abgeordneten der Oppositionsplattform, in Wirklichkeit vermutlichen dem Oligarchen Medwedschuck. Im Dezember war die Medienlandschaft weiter von den Sendern Pershij Nesaleshniy und UkrLiv gesäubert worden.

Das oppositionelle Online-Nachrichtenmagazin Strana wurde ebenfalls letztes Jahr per Präsidentendekret wegen prorussischer Propaganda verboten,  Chefredakteur Ihor Guschwa war sschon ins Ausland geflohen, nachdem der Geheimdienst SBU 2017 mehrmals die Redaktion durchsucht und Computer auf der Suche nach angeblichen Staatsgeheimnissen beschlagnahmt hatte, und hat 2018 in Österreich Asyl erhalten. Strana war und ist eine der populärsten Nachrichtenseiten und berichtet kritisch sowohl  über Poroschenko als auch Selenskij. Für Selenskij wurde Strana offenbar zu unangenehm, die Kenneichnung als prorussisch diente schon lange vor dem Krieg als Mittel, kritische Medien mundtot zu machen.

Wolodymir Selenskij, der durch den Fernsehsender 1+1 des Oligarchen Ihor Kolomoiski groß geworden und dessen Präsidentschaftskandidatur von ihm gefördert wurde, hatte letztes Jahr ein Anti-Oligarchengesetz durchgesetzt, um Oligarchen, die Fernsehender besitzen, von politischer Betätigung aussperren zu können. Das im November 2021 in Kraft getretene Gesetz wurde auch Anti-Poroschenko-Gesetz genannt. Der frühere Präsident und Oligarch ist nicht nur im Clinch mit Kolomoiski, sondern auch der größte politische Konkurrent von Selenskij. Wegen des Gesetzes hatte Poroschenko letztes Jahr seine beiden Sender Prjamij und den 5. Kanal zumindest pro forma verkauft, um weiterhin gegen Selenskij bei der Präsidentschaftswahl antreten zu können.

Poroschenko hatte vor dem Krieg gute Chancen, da der Stern von Selenskij zu sinken begann. Der versuchte mit einer Anklage wegen Hochverrat seinen Gegner auszuschalten, weil während dessen Präsidentschaft 2014/2015 unter der Vermittlung des Oligarchen Achmetow, der deswegen schon lange im Hausarrest sitzt, einen Kohledeal mit den Volksrepubliken“ stattgefunden hatte, anstatt wesentlich teurere Kohle aus Südafrika zu kaufen.

Poroschenko trat als antirussischer  Scharfmacher gegenüber Selenskij auf und soll jetzt seine einstigen Sender angewiesen haben, den mehr oder weniger von Selenskij ausgesprochenen Verzicht auf eine Nato-Mitgliedschaft und die Verhandlungen mit Russland über einen Neutralitätsstatus zu torpedieren. Zweck soll es gewesen sein, schreibt Strana, Leute von Poroschenko als Berater oder als Mitglieder der Verhandlungsdelegation mit den Russen einzuführen (ein Mitglied der ersten ukrainischen Delegation wurde schon mal ermordet, wahrscheinlich vom Geheimdienst.

Das gefiel der Selenskij-Regierung nicht und wurde dann zum Anlass, zumindest die Fernsehsender buchstäblich gleichzuschalten. Selenskij setzte gestern den Beschluss des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates in ein Dekret №152 / 2022 zu einer „einheitlichen Informationspolitik“ unter dem Kriegsrecht um. Alle nationalen Sender, die vor allem Nachrichten als Programm haben, werden zu einer einzigen „Informationsplattform der strategischen Kommunikation“ zusammengelegt und müssen nun rund um die Uhr dasselbe senden, genannt „#UArazom marathon“. Damit schließt sich die Ukraine Russland an, wo die Medien allerdings nur über die „Militäroperation“ nach offiziellen Quellen berichten müssen. Die Ukraine, die sich als Bastion der Freiheit und Demokratie gibt, geht in der Gleichschaltung einen Schritt weiter. Umsetzen soll den eigenen Beschluss der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat (der 2014 das militärische Vorgehen gegen die Protestierenden des Anti-Maidan durch die „Antiterroroperation“ (ATO) beschlossen und damit den Boden für die Abspaltung zu verantworten hat).

Und weil man schon dabei war, erließ Selenskij gleich noch ein Dekret über die „Suspendierung bestimmter politischer Parteien“. Umsetzen soll das Verbot der 10 Parteien, die nicht unbedingt für den  heroischen Krieg eintreten, das Justizministerium. Natürlich sind prorussische Parteien wie die Oppositionsplattform, Nashi oder der Oppositionsblock dabei, aber etwa auch die Partei des Journalisten und Bloggers Anatolij Scharij und linke Parteien wie Derzhava oder die Sozialistische Partei. Im Krieg wird jeder, der nicht mit uns ist, zum Feind.

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3 Kommentare

  1. Sind das nun „Fake News“ – denn in den aktuellen „seriösen“ (hüstel) Medien, wurde nicht davon verlautbart. (Ironie:AUS)

    Ich bewahre mir immer eine kritische Distanz zu ALLEN Meldungen, allerdings habe ich immer ein ungutes Gefühl, wenn die „Propaganda der Guten“, sich trauernd euphorisch die moralische blau-gelbe Flagge umhängt.

    Gleichschaltung? Nur in Russland? Nun auch in der „westlich demokratischen Ukraine“? Zum Glück gibt es bei uns ja noch „Meinungsfreiheit“. Oder doch nicht?

  2. Diese Art von Verbiegung demokratischer Grundprinzipien hat Tradition. Während des 1. Weltkrieges war das Creel Committee (1917-1919) damit beauftragt, eine Pressezensur rund um die Kriegsberichterstattung auszuüben. Die Folge bestand in einer verleumderischen Propaganda gegen die Kriegsgegner abseits jedes seriösen Journalismus. In geringfügig abgeschwächter Form wiederholte sich das Spiel unter dem von F. D. Roosevelt ins Leben gerufenen Office of War Information während des 2. Weltkrieges.
    Leider ist das nicht das einzige Gebiet, auf welchem die selbstgerechten demokratischen Staaten seit über 100 Jahren ein Defizit an konsistenter demokratischer Praxis vor sich herschieben. Denn während die Wahlverfahren mit anachronistischen Wahllokalen, Stimmzetteln aus Papier, undurchsichtigen Kandidatenaufstellungen und inhaltlich flachen Plakatwahlkämpfen eigentlich von der Zeit überholt sind, haben es die mit der dicken Brieftasche geschafft, ihre Instrumente der Einflussnahme, also ihre privaten Medien, Suchmaschinen, Sozialen Netzwerke usw. stets auf dem allerneuesten technischen Stand zu halten.
    Insofern geht es im Ukrainekrieg nicht, wie Biden meint, um die Verteidigung westlicher Werte, sondern, wie es der Verteidigungsminister offen aussprach, darum, „Russland so zu schwächen, dass es keinen Krieg mehr führen kann“.

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