Statt russischem Gas amerikanisches Frackinggas?

 

LNG-Tanker. Bild: Christoffer Hjeltnes Støle/CC BY-SA-4.0

Ralf Streck im Gespräch über Energiepreise und -politik. Mit dem vorläufigen Ende von Nord Stream 2 können nun die USA auch noch mehr Frackinggas nach Europa exportieren. Das verursacht so viele CO2-Emissionen, vor allem durch Methan, dass Europa auch wieder auf Kohle umsteigen oder bei dieser bleiben könnte.

Seitdem der Konflikt in der Ukraine schwelt und Russland Truppen vor der Ukraine zusammengezogen hat, wird des Öfteren dieser für die gestiegenen Öl- und Gaspreise verantwortlich gemacht. Stimmt das denn?

Ralf Streck: Das ist ziemlicher Blödsinn. Das wird hoch und runter gekaut in den Medien und ich habe das einfach mal zum Anlass genommen, um nachzuschauen, wie real das ist. Wenn man sich die Zahlen anguckt und mit Aussagen, das kann man so durchgehen. Besonders hervorgestochen ist in den letzten Tagen das RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die hatten da unterstellt, dass Russland quasi ein Geschäftsmodell betreibt, das Kriegstreiberei heißt. Seit Beginn der Krise seien die Preise für russisches Öl und Gas massiv gestiegen. Als ob das nur russisches Gas oder Öl betreffen würde, es betrifft Gas und Öl im Allgemeinen. Und dann schreiben sie: „Rohöl hat sich im Dezember um mehr als ein Drittel verteuert. Beim Erdgas gab es ähnliche Ausschläge, auch wenn sich der Markt zuletzt ein wenig entspannt hat. Putin hat Europa an den Rande eines Krieges geführt. Und die bittere Wahrheit ist: Er hat eine Menge Geld damit verdient.“

Ich dachte, man muss so eine Aussage mal untersuchen. Ich hatte schon im Hinterkopf von früheren Artikeln, dass die USA längst zum weltgrößten Ölproduzenten geworden. Wenn man so eine banale Argumentation überhaupt aufmachen will, dann trifft sie viel besser auf die USA zu. Die Zeitschrift Capital, keine linke oder linksradikale Zeitung, hat festgestellt, dass die Ölproduktion in den USA schon im letzten Jahr dank Fracking auf 12,3 Millionen Barrel pro Tag hochgeschossen ist. Damit lagen die USA deutlich vor Russland mit e11 Millionen oder Saudi-Arabien mit knapp 10 Millionen. Und wenn man sich die Zahlen aus dem letzten OPEC-Bericht für das vierte Quartal 2021 ansieht, dann haben die USA sogar schon 19 Millionen Barrel produziert. Das ist fast doppelt so viel wie Russland, wo die Produktion nur von 11 auf 11,2 Millionen zugenommen hat. Also diese These von der Kriegstreiberei als Geschäftsmodell von Russland ist also zumindest, was das Öl betrifft, einfach falsch.

Könnte man es denn umdrehen? Kriegstreiberei zugunsten von USA, die ja nun vermehrt Gas nach Europa liefern können? Der stellvertretende US-Sicherheitsberater hat kürzlich erklärt, dass Ölexporte aus Russland nicht behindert werden. Man weiß ja, der drittgrößte Erdölimporteur der USA ist Russland. Aber beim Gas gibt es Druck. Kommt die Kriegstreiberei den USA zugute?

Ralf Streck: Solche Entwicklungen haben viele Gründe, das ist vielschichtig und es sind diverse Faktoren im Spiel. Aber wenn man so eine eindimensionale Argumentation aufmachen will, dann stimmt sie sicher für die USA viel mehr als Russland. Das kann man auch am Gas durchexerzieren. Ich habe gedacht,  vielleicht ist das nur beim Öl so, weil die USA ihr Öl weitgehend selbst verbrauchen. Von daher ist es dann gar nicht so dramatisch, wenn die so viel mehr produzieren. Das ist aber auch beim Gas nicht anders. Die USA sind schon vor Covid-19 mit einem Anteil 23 Prozent an der globalen Förderung der größte Gasproduzent gewesen. Mit der Pandemie ist in Russland die Gasproduktion um 10 Prozent eingebrochen, während die USA ihre Gasproduktion deutlich ausgeweitet haben. „Die größten Gasproduzenten der Welt liegen weit auseinander“, schreibt Capital. „Die USA lagen mit 114,6  Milliarden Kubikmeter rund 43 Prozent vor dem zweitplatzierten Russland. Der Anteil an der weltweiten Gasproduktion ist von 23,1 auf 23,7 Prozent angestiegen.“

Das heißt, wenn man fragen will, wer davon profitiert, dann sind es sowohl beim Öl als auch beim Gas die USA. Die These, dass davon vor allem Russland profitiert, ist nicht nur völlig falsch, sondern man muss dann schon sagen, dass überhaupt keine Recherche gemacht wurde und man  einfach nur dumme Sprüche schreibt oder man macht bewusst Propaganda. Das wird aber noch schlimmer, wenn man sich die Entwicklung beim LNG-Flüssiggas anguckt. Sogar die Tagesschau hat darüber berichtet, dass sich die die FlüssiggasiImporte aus den USA nach Europa seit 2018 nahezu verdoppelt haben. Die hohe Nachfrage in Europa hat den USA einen Exportrekord bei Flüssiggas beschert. Zitiert wird von der Tagesschau der Datenanbieter Refinitiv, nach dem im vergangenen Dezember etwa 7,1 Millionen Tonnen Flüssiggas mit 106 Schiffen exportiert wurden. Der frühere Höchststand betrug dim vergangenen Mai 6,5 Millionen Tonnen. Das heißt, die Ausfuhr von Flüssigkeit hat sich um zehn Prozent erhöht und etwa die Hälfte der gesamten US-Exporte geht nach Europa. Auch da haben wir die Situation, dass die USA ihr Fracking-Gas, loswerden müssen. Europa wird zunehmend Importeur. Und da kann man sich dann schon fragen, ob hier eine gewisse Strategie dahinter steht.

Schon unter Trump, als der Ukraine-Konflikt noch gar nicht so hochgekocht war, stand Nord Stream 2 schon  im Visier der USA, auch der Kongresses wollte die Pipeline verhindern. Da liegt der Gedanke nahe, dass, dass dies aus eigenen Energieinteressen heraus geschieht, Man will Russland abkoppeln.

Ralf Streck: Das muss man auch wieder vielschichtig sehen. Natürlich sind Russland die USA Konkurrenten, was die Verkäufe von Energie angeht, als Konkurrenten versuchen sie auch gegenseitig versuchen, dem anderen das Feld streitig zu machen. Dazu kann man zum Beispiel einen Konflikt jetzt in der Ukraine nutzen. Die USA haben es schon geschafft, weitgehend Nord Stream zu blockieren. Das heißt, der Vorteil, den sich Russland über diese Pipeline verschaffen wollte, um Europa mit Gas zu beliefern,  ist blockiert. Und genau in die Bresche springen die USA mit ihrem Flüssiggas rein und wollen da verstärkt lieferes

Allerdings ist es ja immer noch teurer als das Erdgas aus Russland.

Ralf Streck: Natürlich, das ist aus vielen Gründen teurer. Erstens, weil die Frackingmethode nicht billig ist, und zweitens, weil Frackinggas dreckig ist. Es wird ja dauernd gesagt, dass wir klimaschonender vorgehen müssen, dass Gas nur eine Übergangstechnologie ist. Das kann man noch ein Stück weit nachvollziehen, weil man nicht von heute auf morgen schnell die ganze Stromproduktion auf erneuerbare Energien umstellen kann. Gas sehen da manche als eine Übergangstechnologie, aber das kann sicher nicht Flüssiggas sein.

Ich bin da auf sehr interessante Beiträge gekommen. Zum Beispiel hat auf einer gemeinsamen Sitzung von der Böll-Stiftung mit der University of Ithaca in New York der Methan-Experte Robert Howarth, Professor für Umweltforschung,  gesprochen. Er hat sich die Klimabilanz angeguckt. Bekanntlich wird bei der Fracking-Förderung Methan in großen Mengen freigesetzt – und Methan ist ein120-mal schädlicheres Treibhausgas als CO2. Er geht davon aus, dass bei der Frackinggas-Förderung etwa 3,2 Prozent des in dem Gas enthaltenen Methans in die Atmosphäre gelangt, es könnten aber auch bis zu 6 Prozent sein. Das muss noch näher untersucht werden. Das amerikanische Frackinggas würde mindestens 35 Prozent zum weltweiten Anstieg der Methan-Konzentrationen in der Atmosphäre seit 2007 beitragen.

Und dann kommt eigentlich das Interessanteste, warum Frackkinggas für Klimaschutz der absolute Wahnsinn ist. Zur Verflüssigung von Erdgas, das dann vor allem exportiert wird, müssen 20 Prozent des Schiefergases verbrannt werden, um den Druck zu erzeugen. Damit wäre der Treibhausgas-Fußabdruck von Flüssiggas sogar noch größer als der von Kohle. Und deshalb sollte man die LNG-Infrastruktur in Europa nicht weiter ausbauen, forderte Howarth. Wenn wir jetzt auf Flüssiggas umstellen und die von Russland mit der von den USA tauschen sollen, dann könnten aber gleich weiter mit unserer eigenen Kohle heizen, weil das klimamäßig immer noch besser wäre, als dieses Flüssiggas zu verwenden.

Es gibt auch andere Flüssiggas-Produzenten. Katar ist einer der größten. Ist die Klimabilanz bei Katar ähnlich?

Ralf Streck: Das kann ich nicht sagen, weil sich das auf das amerikanische Fracking-Gas bezieht. Ich habe das ja unter dem Gesichtspunkt untersucht, ob die USA oder Russland am meisten profitieren. Bei Katar könnte das anders sein, weil da das Gas anders gefördert wird.

Der Druck muss ja trotzdem erzeugt werden, um das Gas flüssig zu machen. Das würde dann auch in dem Fall zutreffen.

Ralf Streck: Das kann man vermuten. Biden hat zwar mit Katar verhandelt und das Land als Anbieter für Europa in Stellung gebracht hat, aber ich glaube doch eher, dass es der USA um ihre eigenen Gasanbieter geht, vor allen Dingen, weil sie die Gasproduktion ständig ausweiten. Und dann wollen sie natürlich ihr Gas verkaufen. Also ich würde mal vermuten, dass das sowieso nur eine Nebelkerze ist.

Aber was trägt es eigentlich zu der rasanten Preissteigerung bei? Washington soll sich an Saudi-Arabien gewandt und und gebeten haben, die Ölproduktion anzuheben, damit die Weltwirtschaft nicht durch die Preise, die die Inflation vorantreiben, zu Boden geht. Gibt es zu wenig Öl, wird zu wenig gefördert? Und warum springt dann die OPEC oder andere Länder nicht ein?

Ralf Streck: Das ist auch interessant. Immer wenn so eine Situation entsteht, dann gibt es Appell an die OPEC, die Produktion zu erhöhen. Die OPEC hat im Rahmen der Covid-Krise, als der weltweite Bedarf an Rohöl stark gesunken ist,  natürlich die Förderkapazitäten stark verringert. Aber die OPEC steht völlig auf der Bremse, was die Ausweitung der Ölproduktion angeht. Biden natürlich auch. Deswegen ist das Ganze ist eine vielseitige Geschichte.

Natürlich hat auch Saudi-Arabien ein riesiges Interesse daran, dass der Ölpreis auf dem Niveau bleibt, auf dem er jetzt ist. Heute steht er bei 94-95 Euro, Saudi-Arabien braucht, soweit ich dies in Erinnerung habe, ungefähr einen Ölpreis von 80 Dollar, um einen einigermaßen ausgeglichenen Haushalt zu haben. Saudi-Arabien hatte in den letzten Jahren alles andere als einen ausgeglichenen Haushalt. Sie verzeichneten sogar einen Rekorddefizit von 21 Prozent. Das muss ausgeglichen werden. Die haben dann angefangen, ihre Filetstücke zu verkaufen, weil sie langsam Probleme gekriegt haben. Deswegen ist diese Geschichte, dass da jemand Geld macht und dies einzig und allein den Russen zugeschoben wird, völliger Blödsinn, weil es in dieser Gemengelage viele gibt, die ein Interesse daran haben. Ganz abgesehen davon, wir hatten das ja auch schon mal bei krass & konkret, dass Spekulanten, also Hedgefonds, wie Bloomberg zum Beispiel geschrieben hat, dauf erhöhte Strom- und Gaspreise computergesteuert wetten und in den letzten Monaten riesige Gewinne gemacht haben.

Neben dem Russland-Ukraine-Konflikt gibt es noch den mit Iran. Da laufen die Verhandlungen noch, und solange dies so ist, fallen die Sanktionen nichts. Man hat den Eindruck, die USA sind auch hier nicht so wirklich an einem Abkommen interessiert. Sollte es jedoch zu einem kommen, könnte dann doch der Iran den Markt mit Öl überschwemmen, sollte man meinen.

Ralf Streck: Überschwemmen können die Iraner nicht. Das wäre dieselbe Situation, als vor einigen Jahren die Sanktionen schon einmal weggefallen sind. Damals konnte der Iran nur ganz langsam wieder seine Produktion ausweiten. Man kann vermuten, dass bestimmte Kreise kein Interesse daran haben. Die USA und auch Saudi-Arabien, der Erzfeind von Iran, werden kein Interesse an einem Wiederaufstieg von Iran haben, aber an einem hohen Ölpreis. Daher dürften sich die Sanktionen vielleicht noch länger hinziehen. Aber es hat ja keiner Interesse daran, dass jetzt die Weltwirtschaft abstürzt. Manche glauben, dass der Ölpreis auf einen neuen Rekord von 150 Dollar steigen könnte, was die Weltwirtschaft ziemlich stark belasten würde, weil wir immer noch nicht ausreichend auf erneuerbare Energien gesetzt haben und immer noch zu stark an diesen fossilen Energieträgern hängen.

Es ist auch ganz interessant, vielleicht noch als Randbemerkung, dass Joe Biden,  der eigentlich auch Klimaziele umsetzen wollte, jetzt gerade das Frackinggas fördert und sechs Milliarden US-Dollar freimachen will, um uralte Atomkraftwerke am Leben zu erhalten. Die sind unrentabel  und müssen deswegen abgeschaltet werden, weil sich  in den USA  mit Gas billiger Strom produzieren lässt als über Atomkraftwerke. Das ist nur so als Randbemerkung zu dem, was da so alles läuft.

Wie viele AKWs haben denn die Amerikaner noch?

Ralf Streck: Ja, die haben noch viel. Es wurden zwar schon 12 in den letzten Jahren abgeschaltet, weil sie unrentabel wurden. Anstatt auf erneuerbare Energien zu setzen, die hier billig Strom produzieren könnten, steckt man Milliarden an Subventionen in unrentable Atomkraftwerke, die auch noch uralt sind. Es sind noch 93 AKW am Laufen, glaube ich, von denen müssten jetzt einige vom Netz, weil sie einfach unrentabel sind. Und das wird jetzt verhindert. Da läuft ungefähr dasselbe wie in Frankreich. Letzte Woche hat die französische Regierung angekündigt, dass sie wieder 2,5 Milliarden in den angeblich so rentablen Stromanbieter EDF stecken müssen, weil der hoch verschuldet ist und immer mehr in die Schieflage kommt, weil sein Atomkraftwerkspark nichts einbringt. Jetzt müssen sie extrem teuer Strom aus ganz Europa einkaufen. Also alles der absolute Wahnsinn.

Was ist denn der Hintergedanke in den USA bei der Förderung von Atomenergie oder beim Weiterlaufenlassen der Reaktoren?

Ralf Streck: Ich denke, es gibt da USA eine entsprechende Atomlobby und anscheinend zu wenig Lobby, um die Absichten von Biden umzusetzen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Präsident Biden hatten vor kurzem eine gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit der USA und der EU im Bereich Energiesicherheit veröffentlicht. Da wurden wieder große Worte von Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit und so weiter geschwungen, was wirklich betrieben wird, ist schon etwas anderes.  Zwar wurde von beiden Häusern in den USA das Infrastrukturprogramm verabschiedet, woraus die sechs Milliarden für die Atomkraftwerke kommen. Aber der Klimaplan liegt zum Beispiel schon wieder seit Monaten auf Eis. Man sieht immer wieder, dass die alten Lobbys noch ihren Einfluss haben. Was könnte man mit sechs Milliarden an erneuerbaren Energien aufbauen? Wahrscheinlich könnte man damit den gesamten Strom dieser Atomkraftwerke ersetzen und damit hätte man wirklich einen Strom, der einigermaßen CO2 neutral wäre.

Wir hören jetzt immer vom Klimaschutz auf allen Ebenen, aber wenn man genauer hinschaut, dann passiert eigentlich das Gegenteil, ganz besonders, wenn es um Flüssiggas geht.

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Das Gespräch wurde am Montag, den 21.2.2022, um 17 Uhr geführt.

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2 Kommentare

  1. Die USA haben schon lange dran gearbeitet, Nord Stream 2 zu verhindern, um ihr unrentables und dreckiges US-Frackinggas zu verkaufen. Welch eine Katastrophe, wenn die Anleger, die in Frackinggas investiert haben, ihr Geld verlören.

    1. Das ist alles normal, es sind doch Konkurrenten. Wo du sehr recht hast ist, dass die Frage der Ökonomie bei der Auseinandersetzung nicht erläutert wird, der der Punkt ist, weshalb der Krieg jetzt auch geführt wird.
      Der ISW München hat dazu erklärendes veröffentlicht.
      https://www.isw-muenchen.de/2022/02/die-erdgas-expansion-multinationaler-konzerne-wenn-es-sein-muss-ein-ruf-nach-krieg/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=isw+Newsletter+2020-01

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