Treibt wirklich der Krieg die Inflation an?

Bild: RIA Novosti / Alexey Vitvitsky

Ralf Streck im Gespräch über die die Gründe für die Inflation und die hohen Energiepreise, die durch den Krieg noch nicht erklärt werden können. Krieg und Sanktionen bilden den Hintergrund, vor dem man spekulieren kann und dazu eine schöne Ausrede hat.

 

In Deutschland gibt es die höchste Inflation seit Jahrzehnten. In Spanien ist es auch nicht anders, aber mit fast 10 Prozent ist sie noch höher. Es heißt, dass ein Großteil der Inflation mit dem Krieg in Russland, viel mehr mit den Sanktionen gegenüber Russland zu tun hat. Aber sind der Krieg oder die Sanktionen jetzt schon für die gestiegenen Lebensmittel- und Energiepreise verantwortlich?

Ralf Streck: Das dürfte eigentlich nicht der Fall sein. Die Treibstoffe oder Lebensmittel wurden längst gekauft, bevor überhaupt dieser Krieg angefangen hat. Da kann man ja dann schon sehen, dass ein Thema eine Rolle spielt, über das eigentlich in Deutschland kaum gesprochen wird, nämlich dass es eine ziemlich massive Spekulation auf diesem Markt gibt. Es lässt sich ja durch nichts sinnvoll erklären, warum heute die Spritpreise ungefähr 1/3 höher liegen als 2008, als der Ölpreis bis knapp an die Marke von 150 US-Dollar pro Barrel heranreichte und mehr als ein halbes Jahr auf diesem Niveau lag. Jetzt sind es etwa 110 US-Dollar. Das heißt, über den Ölpreis lässt sich der extreme Spritpreis überhaupt nicht erklären. Man kann auch nicht hingehen wie die Leugner der Klimaerwärmung, dass dies über die CO2-Abgabe geschieht. Das sind aber auch nur acht bis neun Cent, was das auch nicht erklärt.

Im Mineralölverband gibt es Leute, die ganz offen zugeben, dass die Mineralölkonzerne bzw. die Raffinerien im Moment ein Geschäft machen. Wenn man sich die Benzinpreise mal anschaut, dann sieht man, dass sich Anfang März, also mit Ausbruch des Krieges, auf einmal die Gewinnmarge bei den Mineralölkonzernen verdoppelt hat – und dann weiß man schon, wer da groß abschöpft.

Es wird ja gerne gesagt, Russland würde von den hohen Benzinpreisen profitieren, was aber nicht ganz richtig wäre, weil die Ölpreise ja nicht dermaßen gewachsen sind wie die Benzinpreise.

Ralf Streck: Die Russen haben im Wesentlichen langfristige Verträge gemacht, das heißt, es sind da Spekulanten bzw. die Zwischenhändler unterwegs, die zwischen dem Rohöl oder dem Gas und dem, was uns geliefert wird, Gewinne abgreifen. Zwischendrin gibt es natürlich auch noch die typische Börsenspekulation. In Bloomberg wurde darauf hingewiesen, dass schon lange vor dem Krieg computergestützte Wetten auf den Erdgaspreis bzw. auf den Strompreis gemacht wurden, was auch die Preise hochgetrieben hat. (https://overton-magazin.de/klima-umwelt/spekulation-bei-strompreis-explosion-in-ganz-europa-im-spiel/) Die verdienen sich gerade eine goldene Nase und erzielen Renditen von 38 %, die natürlich von uns bezahlt werden müssen. Und dann darf man sich natürlich auch nicht wundern, dass dann die Inflation wie in Spanien jetzt fast auf 10 % oder wie in Deutschland auf fast 8 % gestiegen ist. Das ist aber nur die offizielle Inflation. Wenn man einen großen Teil seines Geldes für Energie oder für Nahrungsmittel ausgeben muss, dann liegt die Inflation deutlich über diesen 8 %. Und wenn man dann noch überlegt, dass man jetzt jährlich 8 % von seinem Sparvermögen verliert, so man eines hat, ist das schon ein Hammer.

Und wie spielen der Krieg oder die Sanktionen mit rein? Kommen die Auswirkungen erst später?

Ralf Streck: Also der Krieg und die Sanktionen bilden natürlich den Hintergrund, vor dem man wieder wunderbar spekulieren kann und dazu eine schöne Ausrede hat. Ich habe mir gerade mal im Handelsblatt zum Beispiel angeschaut, was die zur Inflation sagen. Da heißt es auch, der Krieg treibt die Inflation an. Aber wenn wir wissen, dass wir vor dem Krieg im Februar schon über 5 % Inflation hatten und die Zielmarke der Europäischen Zentralbank bei 2 % liegt, dann ist das natürlich Blödsinn. Es ist klar, dass bei einem Krieg darauf spekuliert wird, dass etwa Lebensmittel oder Gasvorräte knapp werden. Das treibt die Preise in die Höhe, aber bislang liefert Russland das Gas weiter. Es gibt eigentlich keinen Grund, dass der Gaspreis so explodiert, weil das russische Gas immer noch zum selben Preis geliefert wird. Und dann wird halt gehandelt und dann kommen halt die verschiedenen Effekte ins Spiel.

Neben der Spekulation gibt es noch die sogenannten windfall profits. Das sind Profite, die einfach aus Zufall, aus einer Veränderung der Marktlage entstehen. Ich habe darüber immer mal wieder geschrieben, weil die Lage in Spanien schon seit vielen Jahren besonders krass ist. Sehr allgemein gesagt läuft das in Spanien so, dass immer die teuerste Energieerzeugung den Preis diktiert. Es wird kein Durchschnittspreis ermittelt, sondern der höchste Preis bestimmt den Preis, für den dann der Strom an uns weiterverkauft wird.

In Deutschland ist es ein bisschen anders, weil da der Rahmen ein bisschen anders ist. In Deutschland spielen beispielsweise die erneuerbaren Energien als Treiber von Strompreisen eine Rolle. Nicht deswegen, weil der Strom so teuer ist, sondern weil es die von der CDU durchgesetzte Marktprämie für neue Anlagen gibt. Dadurch wird festgelegt, wie hoch der Preis an der Börse verkauft wird und dann kriegen die Betreiber einen Zuschuss für ihren Strom. Große Freiflächen-Anlagen können ihren Strom jetzt für 0,05 € pro Kilowatt zeugen, teilweise wurde über diese Prämie im Dezember noch das Vier- oder Fünffache draufgelegt.

Das sind einfach Gewinne, die eingefahren werden, weil das System, wie einige Experten sagen, „Konstruktionsfehler“ aufweise. Aber meines Erachtens sind das keine Konstruktionsfehler, sondern das wurde so angelegt, weil es immer die üblichen Verdächtigen sind, die davon profitieren. In Spanien haben wir das Oligopol der Stromanbieter, das sind die dreckigen Drei. Und wer steht in Deutschland hinter diesen Freiflächen-Anlagen? Die großen Stromanbieter, nicht du oder ich oder irgendein Häuslebauer. Der kriegt nämlich diese Prämien nicht, sondern das kriegt man nur ab einer Anlage von mehr als 100 Kilowatt. Und das sind dann halt die großen Stromanbieter, die darüber die Preise für uns alle und natürlich dann auch die Inflation in die Höhe treiben. Interessant ist auch, dass darüber eigentlich überhaupt nicht gesprochen wird. Und dann ist natürlich wunderbar, wenn man dann einen Putin oder einen Krieg hat, auf dem man das alles schieben kann. Aber über die Fehlallokationen, die in dem System sind und die niemand abschaffen will, über die wird nicht gesprochen.

Dann könnte man indirekt von Kriegsprofiteuren sprechen, die mit ihren Spekulationen und Wetten ihre Gewinne einstreichen und dabei den Krieg oder Putin instrumentalisieren?

Ralf Streck: Ich würde sagen, nicht indirekt, sondern das sind Profiteure. Man kann natürlich noch ein bisschen herumrechnen, da zum Beispiel der Ölpreis nach dem Dollar- oder Eurokurs 2008 und heute etwas unterschiedlich ist. Da kann man noch ein Stück den Gewinn rausziehen, aber das ändert daran nichts, dass die Gewinnmarge von den großen Mineralölkonzernen in Deutschland sich zeitweise mehr als verdoppelt hat. Die können es einfach an den Tankstellen nehmen und haben dann die wunderbare Ausrede, dass der Krieg schuld sei, dabei gibt es keine Verknappung. Dazu kommen dann noch diese Spekulationsaktivitäten.

Und jetzt sagt doch Joe Biden, wir wollen keine Kohle, kein Öl und kein Gas mehr aus Russland importieren. Das kann er natürlich locker sagen und macht dann auch den entsprechenden Druck auf Deutschland bzw. auf Europa, auch kein Gas mehr aus Russland zu nehmen. Das wäre natürlich Selbstmord, wenn wir das tatsächlich machen würden. Dahinter stehen auch geostrategische Interessen, die vor kurzem, als Biden in Brüssel war, zementiert wurden. Brüssel hat zugesagt, dass im nächsten Jahr 15 Milliarden Kubikmeter mehr Flüssiggas aus den USA nach Europa zusätzlich geliefert werden. Die USA sind der größte Gaserzeuger weltweit. Beim Öl gibt es noch einen Mangel, deswegen müssen sie mittlerweile mit dem Iran oder mit Venezuela verhandeln, um von denen Öl zu kaufen. Aber beim Gas haben die USA einen riesigen Überschuss, der irgendwo hin muss. Daher sind die USA auch ein Kriegsgewinnler, wenn sie uns jetzt dieses Flüssiggas andrehen wollen, das die dreckigste Energie ist, die man überhaupt kaufen kann. 20 % davon muss man verbrennen, um es flüssig zu machen, dann muss man es weit transportieren, und das Schlimmste ist das Methan, das frei wird und das eine 120fach stärkere Klimawirkung wie CO2 hat.

Dieser wunderbare Cocktail müsste den Grünen hochgradig peinlich sein. Auf der einen Seite wollen sie angebliche eine Friedenspartei sein, die nicht einmal wirklich versucht haben, in Europa und mit Scholz eine eigenständige Politik zu betreiben, mit der man diesen wahnsinnigen Krieg in der Ukraine hätte vermeiden können. Wenn man sich anschaut, wie die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine verlaufen, dann hätte man das, was sich dort abzeichnet, auch ohne Krieg haben können: Eine Neutralität der Ukraine und die Gebiete im Donbass, die die Russen sowieso schon kontrollieren, wie die Krim, sind definitiv weg.

Jetzt werden Gebiete wohl größer werden und wahrscheinlich auch im Süden in Richtung Mariupol gehen. Die Verluste werden für die Ukraine jetzt vermutlich größer werden, als wenn man vorher friedlich verhandelt hätte.

Ralf Streck: Und man hätte sich auch die vielen Toten erspart, es hätte die Zerstörungen und auch die Fluchtbewegungen nicht gegeben.  Aber die USA hätten natürlich dann auch nicht diese längerfristige Weichenstellung erzielt, dass wir demnächst bis zu 50 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich von dort kaufen werden. Das ist natürlich nur ein Aspekt in dieser ganzen Geschichte, der aber für bestimmte Kreise in den USA ganz besonders bedeutsam ist, weil Europa dann nicht nur militärisch von den USA abhängig ist, sondern mittelfristig auch in der Energiefrage. Und da findet gerade der Austausch statt. Ob das den Russen schadet, die dann ihr Gas wahrscheinlich mittelfristig nach China oder sonst wohin verkaufen, wage ich zu bezweifeln.

Spanien bezieht ja wohl kein russisches Öl. Woher kommt das spanische Öl?

Ralf Streck: Ich kenne die genaue Aufschlüsselung nicht, Öl dürfte aber vermutlich auch aus Russland kommen, zumindest kommt ein Teil des Gases aus Russland. Das ist auch ein interessantes Thema. Für Spanien war lange Zeit Algerien der größte Gaslieferanten. Jetzt hat sich Spanien mit Marokko angefreundet und stellt sich hinter Annexion der Westsahara, wodurch Algerien verärgert wurde, das mit der Polisario kooperiert. Man gibt auf der einen Seite vor, das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine zu verteidigen und verkauft wegen ein paar Flüchtlingen das Selbstbestimmungsrecht der Saharauis an Marokko. Algerien hat bis vor kurzem noch 40 % des spanischen Gases geliefert. Jetzt im Februar waren es nur noch 20 %. Und der größte Lieferant für spanisches Gas ist schon die USA. Im Land gibt es bereits viele Flüssiggas-Anlagen, daher kann man hier das leichter umstellen, was in Deutschland nicht so einfach geht.

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Ein Kommentar

  1. Ja, in Bezug auf Russland, nein, in Bezug auf die Ukraine. Die Lebensmittel aus der Ukraine lassen sich kompensieren, aber bei den Rohstoffen aus Russland geht das nicht. Letztlich ist aber nicht der derzeitige Mangel der Preistreiber, sondern die Aussichten auf den zukünftigen Mangel und da unsere Politiker dumm, unfähig, gekauft und fremdgesteuert sind, sind die zukünftigen Aussichten katastrophal und damit steigen die Preisen. Wird das Personal im Westen jetzt nicht zügig ausgetauscht, werden sich die schlimmsten Prognosen Bewahrheiten.

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