Von Mauern und dem „hybriden Krieg“

Gestern hat die litauische Regierung beschlossen, einen Grenzzaun mit einer Länge von 508 km gegen Migranten aus Belarus zu bauen. Bild: Innenministerium

Nicht nur in der Türkei und Griechenland werden Mauern zur Abwehr von Flüchtlingen gebaut, auch in Polen und den baltischen Ländern, die das legitimieren, weil Migranten als Waffen eingesetzt würden.

Die Begriffe verraten schon den Jargon der Unmenschlichkeit. Belarus, so der Vorwurf Litauens, Lettlands, Estlands und Polens, würde Migranten aus Irak, Afghanistan und anderen Ländern zur Waffe machen (weaponising) und führe mit Migranten einen „hybriden Krieg“. Und wenn Waffen in einem Krieg auf einen gerichtet werden, muss man sich vor den Geschossen schützen, Mauern bauen und die Angreifer auch  mit Gewalt zurückschieben. So werden Migranten vom weißrussischen Präsidenten Lukaschenko, aber auch von den baltischen Staaten, Polen und der EU sowie der Nato  instrumentalisiert. Sie werden zum Spielball des Konflikts.

Die Regierungschefs der vier Länder haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie Belarus bezichtigen, systematisch zu versuchen, ihre Länder durch Migranten zu destabilisieren. Das sind auch die Länder, die sich schon vor jedem hybriden Krieg geweigert haben, Flüchtlinge auch aus Solidarität mit den Menschen und den anderen EU-Ländern aufzunehmen. Jetzt können sie ihre Abwehr legitimieren und von einem „hybriden Angriff“ auf sie und angeblich damit auch auf die EU sprechen.

Verlangt wird von den übrigen EU-Staaten Unterstützung beim Schutz der Außengrenzen. Auch der UN-Sicherheitsrat und die UNHCR werden aufgefordert einzuschreiten. Es sei ungesetzlich, „Menschen, die in Belarus angekommen sind, zur EU-Außengrenze zu leiten, um dann davon abgehalten zu werden, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.“ Dass die Staaten aber auch den Migranten Schutz gewähren und Asylanträge prüfen könnten, kommt natürlich nicht vor. Inhuman sind nur die anderen, dabei ist das Verhalten höchst zynisch und menschenverachtend. Schließlich werden alle Migranten, die die Grenze überschreiten, als Illegale bezeichnet, einen legalen Weg der Einwanderung gibt es an der Grenze nicht.

Lukaschenko hingegen provoziert weiter und erklärte bei einem Treffen der CSTO-Staaten, dass natürlich Flüchtlinge aus Afghanistan sich den Migrationswellen von Flüchtlingen aus den „zerstörten“ Ländern Irak, Syrien und Libyen anschließen werden: „Auch wenn ihr Ziel im Westen liegt, werden sie durch unsere Länder reisen.“ Man werde die ersten sein, die die Folgen der Afghanistan-Krise spüren. Lukaschenko wärmt 2015 auf und sagt, „Mutter Merkel“ habe erklärt, alle Flüchtlinge aus Afghanistan seien willkommen. Daher würden afghanische Flüchtlinge nach Belarus kommen und versuchen, nach Polen zu gelangen, um weiter nach Deutschland zu reisen. Die Polen hätten aber afghanische, „halbtote“ Flüchtlinge wieder zurückgeschoben, die gar nicht in Belarus bleiben wollen. Die Flüchtlinge seien das Problem des Westens: „Sie haben den Krieg verloren, sie müssen das anerkennen, und sie flohen aus dem Land wie Feiglinge. Das sind ihre Probleme. Was haben wir damit zu tun?“

Polen und die baltischen Länder zogen mit in den in Krieg in Afghanistan und im Irak. Tatsächlich haben sie damit auch eine Verantwortung für die Menschen, die aus diesen Ländern fliehen. Davon ist wenig zu hören, allenfalls ein paar Ortskräfte sollen aufgenommen werden. Dafür werden die drei Länder Lettland, Litauen und Polen, die eine gemeinsame Grenze mit Belarus haben, eine Anti-Flüchtlings-Mauer bauen, weil man sich vor den Flüchtlingen als Waffen schützen muss, die aus den Ländern kommen, in denen man Krieg geführt hat und die weit entfernt von Stabilität oder gar Demokratie sind.

Rückzug in Festungen, um den eigenen Wohlstand auch gegen diejenigen zu verteidigen, an deren Migration man mit beteiligt ist, scheint die Logik zu sein, das Problem zu lösen. Wenn die Flüchtlinge draußen bleiben, ist alles in Ordnung.

Polen will einen 2,5 Meter hohen Grenzzaun errichten. Litauens Zaun für 150 Millionen Euro über 500 km soll drei Meter hoch sein und in höchster Eile bis September 2022 fertig gestellt sein, Frontex-Fahrzeuge, Hubschrauber und Wärmebildkameras habe man schon erhalten. Das sei ein „Verteidigungswall zum Schutz der EU und von uns“, sagt die Regierung. Das heißt, die Migranten werden zu Angreifern umdeklariert. Im Juli wurde bereits der Ausnahmezustand ausgerufen, weil 2021 bislang gerade einmal etwas mehr als 4000 Flüchtlinge über die Grenze kamen. Litauen hat 3 Millionen Einwohner.

Auch Lettland hat im August den Notstand ausgerufen. Gerade einmal 366 Migranten wurden wegen illegalem Grenzübertritt festgenommen, 476 wurde die Einreise verwehrt. Nun soll die 173 km lange Grenze zu Belarus gesichert und ein Grenzzaun 134 km lang aufgebaut werden. Die letzten Tage seien an der Grenze „ruhig“ gewesen. Aber 80 Flüchtlinge, davon 23 Kinder, wurden am Grenzübertritt gehindert und halten sich nun im Niemandsland auf. 25 Migranten seien wegen Gesundheitsproblemen aufgenommen worden, aber dank des Notstands werden keine Asylanträge angenommen.

Die meisten Migranten kommen aus dem Irak, bislang seien an der Grenze keine Afghanen angekommen. Manche seien auch über Russland nach Belarus gekommen. Angeblich würden die Migranten gerne in ihre Heimatländer zurückreisen, Belarus lasse dies aber nicht zu.  Guntis Pujāts, der Leiter der Grenzpolizei, macht klar, was Sache ist: Man dürfe nicht zu oft Migranten wie im Fall der 25 aufnehmen, denn „wenn wir die Grenze jetzt öffnen, werden tausende Menschen versuchen, nach Lettland und in die EU zu kommen“.

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