VW-Betriebsrats-Boss Osterloh kämpft lieber für Milliardäre statt Malocher

Sitz der IG Metall in Frankfurt. Bild: Epizentrum/CC BY-SA-3.0

Die Folgen: Hass und Gewalt steigen, AfD und Radikale profitieren

Die Nachricht schlägt an den Fließbändern der Autokonzerne wie eine Bombe ein: Bernd Osterloh, der wichtigste IG-Metall-Boss eines deutschen Konzerns, wechselt auf einen Vorstandsposten der LKW-Tochter von VW, Traton. Nicht genug: Er wird dort zum passenden Datum, zum „Tag der Arbeit“ am kommenden Samstag, zum Personalvorstand. So übernimmt er sogar die „Drecksarbeit“ gegen die Arbeiter – denn er wird wohl den Abbau von 3000-4000 Mitarbeitern bei der Traton-Tochter MAN exekutieren. Damit immer noch nicht genug: Osterloh verdiente bisher zeitweise ungeheure 750.000 € im Jahr und setzt jetzt nochmal ein Gehalt von ca. 2 Mio Euro drauf. Kein Wunder, dass viele Band- und Leiharbeiter im Metallbereich das als „Verrat“ empfinden.

Die Stimmung dort wird immer gereizter, denn viele arbeiten auf engem Raum unter ständig steigendem Druck und fühlen sich nicht genug geschützt vor dem Virus. Nicht nur bei den Leiharbeitern in der Fleischindustrie steigen die Infektionszahlen dramatisch angesichts der dort miesen Arbeits- und Wohnbedingungen. Von den großen Gewerkschaften war zu den Missständen im Metallbereich nicht viel zu hören. Osterloh fühlt sich offenkundig schon länger zu Höherem geboren – wie viele andere Spitzenfunktionäre der großen Gewerkschaften. So ist es auch typisch, dass keiner aus dem Gewerkschaftslager den Wechsel Osterlohs öffentlich kritisiert.

Allein wir, die Protestgewerkschaft Social Peace aus München, verlangen scharfe Konsequenzen: „Wir fordern die IG Metall und die SPD auf, Osterloh daran zu hindern, die Seiten zu wechseln.“ Die SPD hat diese Möglichkeit durch die Regierung von Niedersachsen, die im Aufsichtsrat von VW sitzt. Der „Überläufer“ Osterloh löst nach unserer Beobachtung einen dramatischen Schub aus: Viele ungelernte und Facharbeiter fühlen sich verschaukelt und driften in radikale Richtungen ab. Die der AfD nahstehende Betriebsgruppen werden wachsen als auch nationalchauvinistische Gruppen wie die Grauen Wölfe. Hass und Gewalt steigen weiter an.

IG Metall und SPD vergiften damit offensichtlich das Klima. Außerdem disqualifiziert sich die SPD damit vollends als Partei der Arbeiter und kleinen Leute. Aber die AfD wird durch solche als Verrat empfundene Akte bei den bevorstehenden Wahlen in Sachsen-Anhalt und im Bund endgültig zur neuen Arbeiterpartei Deutschlands werden. Deren bisherige Fürsprecher wie Osterloh, die jetzt Millionen scheffeln wollen, tragen dazu bei. Sie gefährden dadurch den sozialen Frieden und die Demokratie.

Im Namen der Mitglieder von Social Peace, die in den PKW- und LKW-Fabriken und den Panzerschmieden Münchens schuften, empfehle ich Herrn Osterloh deshalb: „Wenn Sie nach München kommen, ziehen Sie nicht in ein Arbeiterviertel, weil Sie dort mit Ärger rechnen müssen. Passender für Sie wäre eine Villa in Bogenhausen, zum Beispiel neben derjenigen von Ex-VW-Boss Martin Winterkorn. Denn: Millionäre sollten unter sich bleiben.“

Der investigative ZEIT-Journalist Claas Tatje hat bestätigt, wogegen die Protestgewerkschaft Social Peace zu Recht ankämpft: Die Recherchen zeigen, wie systematisch Leiharbeiter, die Schwächsten in der Arbeiterhierarchie, in die IG Metall gedrängt werden. Sie belegen, wie Betriebsräte in einem Geflecht von Finanzen und Abhängigkeiten das System stützen und das Unternehmen sich wohlwollend zurückhält. Was aus dieser Melange entsteht, ist nicht Freiheit, sondern Zwang.“

Konkreter Auslöser für die Gründung der Protestgewerkschaft Social Peace im Jahr 2016 ist folgender: Der unabhängige „Betriebsrats-Rebell“ Murat Yilmaz deckte laut FRONTAL21 illegale „Schwarze Kassen“ der IG Metall bei BMW in München auf. Daraufhin erhielt er Morddrohungen. Ich selbst war damals Manager bei BMW, bin aber inzwischen aus der IG Metall ausgetreten. Die ZEIT schilderte, warum: Weil ich mich mit IG-Metall-Funktionären anlegte, die „Zulieferer der Automobilindustrie verteidigten, die klar gegen Menschenrechtsauflagen verstießen“.

Ich solidarisierte mich mit Murat Yilmaz und schützte zusammen mit ihm seine Frau und seine drei Kinder vor den Morddrohungen. Yilmaz und ich gründeten daraufhin unser „Bündnis der Betrogenen“, wie wir es nannten, die erste deutsche Band- und Leiharbeitergewerkschaft. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir rund jeden zehnten Arbeiter im BMW Stammwerk hinter uns. Allein von Daimler in Stuttgart stellten 2000 Kollegen einen Mitgliedsantrag.

Murat und ich bekamen jetzt Hinwiese auf Missstände aus unterschiedlichen DAX-Konzernen. Wir deckten Rassismus von oben und weitere Skandale auf und sorgten dafür, dass sie abgestellt wurden. (Spiegel online von 29.3.19: Rassismus-Streit bei BMW: Man spricht deutsch – Hat BMW seinen Mitarbeitern verboten, in Fremdsprachen miteinander zu kommunizieren? Darüber ist ein Streit entbrannt. Immer wieder hat der Konzern mit Alltagsrassismus zu kämpfen. Siehe: Rassismus-Streit bei BMW: Gibt es ein Fremdsprachen-Verbot? – DER SPIEGEL)

Der SPIEGEL fasste das Ergebnis unseres Protests zusammen: „Der Social-Peace-Betriebsrat, der den Garchinger Sprachenstreit öffentlich machte, soll nun gekündigt werden: Murat Yilmaz. (…) Kündigungen von Betriebsratsmitgliedern brauchen die Zustimmung des Gremiums. In der vergangenen Woche stimmte der Betriebsrat zu. Hier hat die IG Metall die Mehrheit, die mit „Social Peace“ konkurriert.“

Wir gehen mit Social Peace weiter gegen solche Missstände vor. Auch wenn Murat Yilmaz und ich den BMW-Konzern verlassen haben, weiten wir unser Engagement sogar aus. Wir klagen inzwischen die Geld- und Politikkasten und die Gewerkschaftskasten insgesamt an. Wir bekämpfen also all diejenigen, die sich sogar in der Corona-Krise, in der es vielen Normalarbeitern und Normalbürgern schlecht geht, immer mehr Privilegien sichern.

Was die Versuchung der Macht in Kreisen der IG Metall bedeutet, hat der Vorgänger von Bernd Osterloh, der VW-Betriebsratsvorsitzender Klaus Volkert exemplarisch mit dem damaligen Sex-Skandal vorgeführt. Er hat seine Machtbefugnisse selbst treffend beschrieben: „Ich und die anderen (…) Wir haben die Aufgaben von Managern übernommen.“

Und ein Kronzeuge, ein hochrangiger Personalmanager von VW schilderte damals (unter Eid), wie sich ein solches Kartell von der Gewerkschafts- über die Wirtschaftskaste bis in die politische Kaste hinein wie ein Krebsgeschwür ausbreitet: „Einige haben genommen, so viel sie kriegen konnten – Frauen und Geld. Die hatten nichts anderes im Kopf. (…) Andere (…) Betriebsräte hätten zu dem „Kreis der Eingeweihten“ gehört, dem er (der Personalmanager Gebauer) Prostituierte zugeführt habe.“ Darunter ein (…) Geschäftsführer des Betriebsrates (der) heute für die SPD im Bundestag sitzt. Außerdem der Betriebsratsvorsitzende eines deutschen VW-Werkes, der auch Landtagsabgeordneter in Niedersachen und VW-Aufsichtsrat ist.“

Leider führt auch heute noch die Machtausdehnung und fürstliche Entlohnung von Betriebsräten durch Konzerne dazu, dass Gewerkschafter letztlich lieber für die Geldkasten arbeiten.

Bernd Osterloh hat sich jetzt auch so entschieden. Er vertritt künftig statt Arbeiter- lieber Aktionärsinteressen – auch diejenigen der Milliardärsfamilien Piëch und Porsche. Das liberale Handelsblatt beschreibt, welche Vorteile das für diese und den VW-Boss Herbert Diess hat: „Diess dürfte das zu seinem Vorteil auszunutzen versuchen – um die ‚Festung Wolfsburg‘, wie er den Konzern bezeichnet, doch noch etwas mehr zu schleifen.

 

Hans-Christian Lange ist Vorsitzender der Band- und Leiharbeitergewerkschaft Social Peace. Zur Bundestagswahl erscheint sein Buch An ihren Taten werdet ihr sie erkennen – Ein Insider entlarvt die neue Geld- und Politikkaste“ Anfang Juli 2021.

 

(Hinweis: Social Peace wurde von Hans-Christian Lange und dem Rebellenbetriebsrat Murat Yilmaz 2016 bei BMW gegründet – auch als Reaktion auf Morddrohungen gegen Murat Yilmaz und wegen Menschenrechtsverletzungen. Die Protestgewerkschaft hat mehrere freigestellte Betriebsräte in Automobil-Werken. Siehe auch: Zulauf von BMW und Daimler: Betriebsrat gründet eigene Gewerkschaft)

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2 Kommentare

  1. Ich finde diesen Skandal unsäglich – von der IG Metall ist auch kein öffentlicher Protest zu hören, dass viele einfache Berufe und die Arbeiter bis heute viel zu wenig geschützt sind vor dem Virus! Da könnte Osterloh sich mal engagieren! Dem Autor kann ich nur recht geben und werde sein Buch vorbestellen, Anke

  2. Würde gerne mit Hans-Christian Lange in Kontakt treten.

    Meine Beiträge, u.a. „Betriebsrat nicht Volksrat“, finden sich auf Makroskop.eu

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