Die Atombombe war eine Zäsur für die Grundlagenwissenschaft der Physik

Trinity-Test, der erste Atomwaffentest im Rahmen des Manhattan-Projekts. Bild: DoD

Alexander Unzicker im Gespräch über seine These, dass mit dem Zweiten Weltkrieg, der Entwicklung der Atombombe, dem Aufstieg der USA und der Militarisierung der Forschung in der Wissenschaft die Grundlagenforschung verloren gegangen ist.

Sie haben gerade ein neues Buch geschrieben mit dem Titel „Einsteins Albtraum“. Sie gehen davon aus, dass irgendwann mit dem Zweiten Weltkrieg und dem Aufstieg der USA etwas in der Wissenschaft verloren gegangen ist, was Sie Grundlagenforschung nennen. Sie bringen das auch mit der Entwicklung der Atombombe und der Computertechnik und dem Wissenschaftsbetrieb zusammen, der in den USA entstanden ist. Was würde denn für Sie eine Grundlagenwissenschaft kennzeichnen?

Alexander Unzicker: Grundlagenwissenschaft behandelt die großen Fragen, wie die Welt, wie die Natur funktioniert. Was sind genau Elementarteilchen? Welche Eigenschaften haben sie? Was sind Naturkonstanten? Das sind ganz elementare Fragen, die die Physiker wie Einstein, Erwin Schrödinger oder Paul Dirac vor hundert Jahren umgetrieben haben.

Da spielt auch der Gedanke der Einfachheit rein, also dass gute, vernünftige Naturgesetze sich immer als einfach herausgestellt haben. Danach haben die Wissenschaftler damals gesucht. Das ist die Art und Weise, die ich favorisiere und wie man meines Erachtens an Erkenntnisse herankommt. Aber das ist nicht nur mein persönlicher Geschmack, weil in der Wissenschaftsgeschichte die echten Durchbrüche immer dann erzielt wurden, wenn man etwas vereinigt hat. Heinrich Hertz hat beispielsweise 1886 nachgewiesen, dass elektromagnetische Wellen nichts anderes als Licht sind. Das war im Sinne der Naturkonstanten eine große Vereinfachung und ein riesiger Fortschritt. Man stelle sich unsere heutige Zivilisation einmal ohne diese Erkenntnis vor. Das ist, was ich unter Naturgesetzen verstehe, was man eigentlich machen müsste.

Nun wird doch eigentlich immer viel gefunden. Man sucht nach neuen Teilchen, es werden immer größere Beschleuniger gebaut, es heißt, man komme der Wahrheit immer näher. Und die Teilchenphysik hat auch keinen direkten praktischen Nutzen, sondern ist doch auch eine Art von Grundlagenwissenschaft, die mit hohem technischem Aufwand betrieben wird.

Alexander Unzicker: Man muss unterscheiden, wenn man sagt, es hat keinen praktischen Nutzen. Ja, erst mal nicht. Es ist richtig, Heinrich Hertz wollte nicht ein Handy erfinden, sondern er war einfach nur neugierig. Aber echte Entdeckungen haben tatsächlich auch immer in der Folge praktischen Nutzen. Und wenn die Dinge so wenig praktischen Nutzen haben wie diese Entdeckungen der letzten Jahrzehnte, muss man sich schon fragen, ob man dann nicht nur versucht, theoretische Wunschvorstellungen mit allen Mitteln hineinzuinterpretieren. Jetzt kann man natürlich sagen, es gibt Entdeckungen und Pressekonferenzen und Nobelpreise. Aber da ist natürlich schon sehr viel PR dabei, wenn jetzt zum Beispiel wieder für den neuen Beschleuniger getrommelt wird, weil er eventuell Hinweise auf irgendetwas liefern könnte.

Viele Leute sehen auch, dass das nicht wirklich vernünftig ist. Sabine Hossenfelder, eine bekannte Physikerin, kritisiert zum Beispiel diesen neuen Teilchenbeschleuniger oder auch diese etwas abgehobenen mathematischen Theorien, die man dabei verfolgt. Das passt doch nicht zusammen. Was haben wir rausgekriegt? Sind diese Milliarden wirklich gut investiert? Was wollen die Wissenschaftler herausfinden? Das sind ganz einfache Fragen, die auch schon gestellt und unter Physikern diskutiert werden.

Mir persönlich war es wichtig, einen historischen Blick darauf zu werfen, weil man das Ganze erst richtig versteht, wenn man das in der Entwicklung sieht. Die Atombombe war insofern eine Zäsur, weil die Theoretische Physik nach dem Krieg praktisch neu gestartet wurde. Wenn man die großen Konferenzen anschaut, dann gab es 1927 die berühmte Solvay-Konferenz, wo man die die schwierigsten Probleme damals diskutiert hat. 1947, nach dem Krieg, gab es eine vergleichbare Konferenz, die Shelter-Island-Konferenz über die Grundlagen der Quantenmechanik, aber praktisch keiner der früheren Physiker war mehr dabei. Es waren völlig andere Leute, die das Sagen hatten, und es war auch eine völlig andere Art der Wissenschaft. Nach dem Krieg waren diejenigen, die vorher die wesentliche Erkenntnisse herausbekommen haben, wie Einstein, Schrödinger oder Dirac, abgemeldet, die neuen Herren waren praktisch diejenigen, die die Atombombe gebaut haben oder daran beteiligt waren wie Fermi, Compton, Lawrence und so weiter. Wenn man das sieht, dann erschrickt man eigentlich und fragt: Moment mal, wo ist denn eigentlich die Theoretische Physik, wo ist diese Art der Fragestellung durch diesen großen Einschnitt eigentlich hingekommen?

Wir sprechen jetzt im Hinblick auf Grundlagenforschung nur über die Physik, also nicht über Chemie oder über Biologie oder andere Wissenschaften?

Alexander Unzicker: Ich beschäftige mich mit den Grundlagen der Physik, insofern habe ich nicht die Autorität, über Biologie oder Chemie zu reden. Bei dem, was ich recherchiert habe, geht es aber auch um die Herangehensweise. Welche Fragen stelle ich mir? Auf welche Art und Weise betreibe ich Wissenschaft? Und da gibt es schon einige Parallelen, sogar auch über die Wissenschaft hinausgehend, die mit dieser unterschiedlichen Denkweise zu tun haben. Aber zuerst geht es mir schon um die Grundlagenwissenschaft Physik.

Eigentlich war es doch so, dass mit dem Zweiten Weltkrieg und mit der Vertreibung der jüdischen Wissenschaftler die europäische Wissenschaft in die USA umgesiedelt ist. Die Wissenschaftler sind ja auch geholt worden, um beispielsweise die Raketentechnik zu entwickeln. Warum hat es für Sie trotzdem einen Umbruch gegeben, obwohl weiterhin europäische Wissenschaftler mit ihrem europäischen Hintergrund im Spiel waren?

Alexander Unzicker: Die große Katastrophe war die Machtübernahme der Nationalsozialisten, die natürlich nicht an Grundlagenforschung interessiert waren, sondern nur an Waffen. Man muss sich klarmachen, dass Europa, speziell Deutschland, das Zentrum der Naturwissenschaften war, da waren einfach die besten Theoretiker. Die ganze Atomphysik ist hier entwickelt worden – unter wesentlicher Beteiligung jüdischer Wissenschaftler. Damals in Berlin waren 4 Prozent der Bevölkerung, 10 Prozent der Wissenschaftler jüdischer Abstammung. Ein Wissenschaftler wie Edward Teller ist aufgrund von Antisemitismus in Ungarn nach Deutschland gekommen und hat in Karlsruhe studiert. Es war ein Wissenschaftszentrum aus vielen Nationen mit einem offenen Geist, das zerstört worden ist. Das war eine enorme Tragik.

Und Sie haben recht, die allermeisten sind als Einzelpersonen dann in die USA ausgewandert, unter anderem Einstein, der als pars pro toto für alle steht. Aber es geht ja nicht um die Personen und auch nicht um die Nationalitäten, sondern um die Denkkultur. Wie stelle ich Fragen? Stelle ich sie in der Art und Weise von Einstein oder von Ernst Mach, die wirklich herauskriegen wollten, was die Ursache der Gravitation ist? Oder stelle ich sie in der Art und Weise, wie etwas funktioniert, wie kriege jetzt beispielsweise die kritische Masse von Uran oder wie beschreibe ich das Modell der Elementarteilchen mit ein paar Zahlen? Das ist praktisch und anwendungsorientiert.

Es geht um diese Kultur, die in den USA neu entstanden ist. Natürlich sind die Wissenschaftler ausgewandert, aber die naturphilosophisch orientierten Physiker aus Europa wurden nicht mehr als Autorität angesehen. Keiner der amerikanischen Teilchenphysiker der Nachkriegszeit ist zu Einstein nach Princeton gefahren, um mit ihm eine Idee zu diskutieren. In Europa ist jeder Theoretiker, der etwas herausgefunden hat, erst einmal zu Einstein oder zu Niels Bohr gegangen, um mit ihm zu diskutieren. Diese Kultur ist völlig verloren gegangen. Der Grund liegt, wie ich glaube, in dieser Oberflächlichkeit, die heute in der Physik Einzug gehalten hat.

Sie haben eine ganz interessante These entwickelt, die weniger mit der Oberflächlichkeit zu tun hat, sondern eher mit dem Motiv, Wissenschaft zu betreiben, nämlich im Zusammenhang mit der Militarisierung. Da steht ja auch die Atombombe ganz vorne dran, aber auch die Raketentechnik und ähnliche Dinge. Und USA ist die dominante Militärmacht, viele der Universitäten und Forschungsansätze werden vom Pentagon mitfinanziert. Der rüstungswissenschaftliche Komplex ist da schon viel ausgeprägter als vermutlich in Europa vor dem Weltkrieg.

Alexander Unzicker: Ja, definitiv. Ich will zwei Sachen vorausschicken. Wenn man genau hinschaut auf den Ersten Weltkrieg, haben sich Physiker auch an der Kriegsführung beteiligt. Chemische Waffen sind ein nicht sehr schönes Beispiel dafür. Der andere Punkt ist, dass es nicht nur gegen Amerika geht. Die Amerikaner haben großartige Dinge auf die Beine gestellt. Sie haben auch Manches einfach gemacht, ohne sich theoretisch den Kopf zu zerbrechen. Man erinnere sich nur an das Motorflugzeug der Gebrüder Wright. Das ist eine Mentalität, die sehr erfolgreich ist in ihrer Art, Großprojekte zu organisieren. Die Uran-Anreicherung zu schaffen, hat man in Europa einfach für unmöglich gehalten. In Amerika waren die Kooperation und die Organisation sehr stark. Sie konnten Projekte auf die Beine stellen, die Europa nicht geschafft hätte. Aus dem Grund waren sie wohl auch vorne dran mit der Kernwaffenforschung.

Es ist auch ein tragischer Aspekt, dass eine Wissenschaft, die sich eigentlich für die elementaren Naturgesetze interessiert, zum Schlüssel für die Weltherrschaft wird. Auf die Weise ist das Militär eingesickert in die Forschung, hat alles finanziert, diese ganzen Anlagen gebaut und auch die ganze Intelligenz mehr oder weniger eingesammelt. Es gibt ein schönes Zitat von Emilio Segrè, der von Italien in die USA emigriert ist. Er sagte: Nach dem Krieg standen die Physiker da und wussten nicht so recht, was sie tun sollten. Das beschreibt die Situation sehr treffend.

Aber das Militär hatte schon dauerhaft den Fuß in der Tür und war nicht mehr herauszukriegen. Das heißt nicht, dass alle zur Waffenforschung verpflichtet wurden, aber es gab immer diese stille Kraft der Finanzierung, die bis heute fortwirkt. Das Militär ist auch heute noch bei vielem in der Grundlagenforschung dabei. Die Nasa hat beispielsweise zwei Seiten: mit der Satellitentechnik, aber natürlich auch mit Raketen, also wie bringe ich was ins Ziel. Neutronenforschung, wie sich Neutronen verhalten, ist letztlich ein Kernwaffenthema. Die generelle Methodik, dass man mit großen Organisationen arbeitet, dass es diese Großprojekte gibt, das kommt aus dieser Zeit und ist immer noch ein Überbleibsel. Darunter leidet, glaube ich, die Erkenntnis bis heute.

Was wären denn offene Fragen, die seitdem nicht mehr beantwortet oder gefragt werden?

Alexander Unzicker: Da gibt es viele. Aus meiner Sicht ist der richtige Zugang, dass Naturkonstanten geklärt werden müssten. Das sind, wenn man so will, unerkannte Zahlen, die uns jetzt der liebe Gott schenkt. Aber es ist der Job des Physikers, sich damit auseinanderzusetzen. Ein Beispiel: Paul Dirac wurde einmal von zwei jungen Wissenschaftlern eine Theorie vorgetragen, worauf er sagte: Moment mal, können Sie die Feinstrukturkonstante berechnen? Also eine Zahl, die in der Physik unerklärt ist? Nein? Kommen Sie wieder, wenn Sie so weit sind. Das war die damalige Denkweise. Heute produzieren wir nicht nur eine unerklärte Zahl, sondern gleich Dutzende davon und keiner interessiert sich eigentlich mehr dafür. Einstein hat gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine gute Theorie der Physik gibt, in der eine willkürliche Zahl vorkommt, die der liebe Gott einfach aus einer Laune erfunden hat, Gott würfelt nicht. Es gibt eine Menge offener Fragen. Man braucht nur nachlesen, was die Physiker vor hundert Jahren geschrieben haben. Es ist alles unbeantwortet.

Und warum interessiert es nicht mehr? Das wäre ja dann nicht nur in den USA so, sondern auch in Europa würde keine Grundlagenwissenschaft mehr betrieben werden.

Alexander Unzicker: Nicht in dieser Weise, ja. Es ist tatsächlich so. Die europäische Forschungskultur des Grübelns und Nachdenkens ist abgestorben zu jener Zeit und es wurde eine ganz andere Art von Wissenschaft in den USA gegründet, die sich inzwischen auf der ganzen Welt verbreitet und ganz Europa rekolonialisiert hat, übrigens auch den sowjetischen Teil damals. Diese Denkweise dominiert heute überall. Man kann auch sagen, die westliche Zivilisation hat sich überall ausgebreitet und auch ihre Erfolge erzielt. Heutzutage sehen wir allmählich die Schattenseiten. Wissenschaftliche Vormachtstellung und militärisch politische Vormachtstellung waren in der Geschichte immer zusammen und die Frage ist jetzt, wohin uns das ein bisschen oberflächliche Denken, wie ich es nenne, heute bringt.

Man könnte sagen, es ist der Wissenschaftsbetrieb, der sich verändert hat. Ganz allgemein könnte man sagen, die Tradition der Humboldt-Universität ist übergegangen in einen Wissenschaftsbetrieb mit Tausende von Unis weltweit und Hunderttausenden von Publikationen, die gefüllt werden müssen, um nachzuweisen, dass die Wissenschaft Sinn ergibt, indem man irgendetwas „Neues“ produziert. Das führt zu einem gewissen Leerlauf. Vielleicht hat sich weniger das Denken verändert, sondern die Strukturen der wissenschaftlichen Forschung verändert.

Alexander Unzicker: Das hängt natürlich zusammen. Karl Popper sagte einmal: Big Science may destroy Great Science. Heutzutage ist die Wissenschaft von großen Institutionen beherrscht. Man meint, man sei dann führend in der Wissenschaft, wenn man möglichst viel Geld ausgibt, möglichst viele Projekte und Institute gründet, möglichst viele Publikationen macht und Patente anmeldet. Und es gibt, wie Sie sagen, diese äußeren Messlatten, mit denen versucht wird, den Erfolg von Forschung zu messen, die aber einfach ungeeignet sind, weil man wie in der Wirtschaft vorgeht. Also je mehr produziert wird, desto besser, ohne Rücksicht auf Verluste. Aber das ist nicht das, was den wirklichen wissenschaftlichen oder technologischen Fortschritt ausmacht.

Man könnte doch auch sagen, Sie deuten es im Buch auch an, dass die Relativitätstheorie und die Quantentheorie, die dann gefolgt ist, ein Wendepunkt gewesen sein könnten, wo etwas in der physikalischen Forschung umgekippt ist. Sehe ich das falsch?

Alexander Unzicker: Für diese Krise der Physik gab es Ursachen, die in der Physik lagen, weil sie einfach zu schwierig wurde, wenn man so will. Die Probleme, dessen waren sich die Physiker schon bewusst, waren riesig und ungelöst. Und dann kamen von der anderen Seite die weltpolitischen Entwicklungen dazu. Aber es gab damals schon eine Krise, wie bestimmte Dinge zu vereinigen sind. Es wird heute, glaube ich, auf falsche Weise daran geforscht. Die Physiker sagen zwar heute, Quantentheorie und Relativitätstheorie sind unvereinbar, aber man versucht dennoch mit Gewalt ganz raffinierte mathematische Mechanismen zu erfinden, um sie vereinigen zu können. Ich glaube, Einstein hätte das für ziemlich aussichtslos oder lächerlich gehalten. Ja, man müsste wirklich zu den Fragen zurückkehren, die die Physiker damals gestellt haben.

Einstein kam ja mit der Quantentheorie auch nicht ganz zurecht. Er hat sie abgelehnt, oder?

Alexander Unzicker: Es gibt diesen berühmten Satz von ihm: Gott würfelt nicht. Er war zwar Atheist, aber hat das als Argument benützt. Es ist ein wissenschaftsmethodisches und wissenschaftshistorisches Argument, er konnte sich damit nicht abfinden, dass es Zufall in der Natur gibt. Die heutigen Physiker sagen, der alte Sturkopf habe das halt nicht verstanden und wollte es nicht akzeptieren. Tatsächlich ist es eine Frage wert, warum es den Zufall in der Natur gibt? Gibt es prinzipielle Hindernisse, die uns nicht erlauben, bestimmte Dinge vorherzusagen? Er hat das präzisiert und gesagt: Ich wünsche mir nicht so sehr, dass man diese Wahrscheinlichkeit zerstört, ich möchte nur bitteschön es vernünftig hergeleitet haben, also dass man einen Grund dafür findet und nicht einfach so beschreibt, dass es halt so ist. Basta.

Sie sagen, die Wissenschaft heute geht an den wichtigen Fragestellungen vorbei. Wie müsste denn die Wissenschaft aufgestellt werden oder wo müsste sie andocken, um wieder ein Fenster dafür zu öffnen?

Alexander Unzicker: Ich habe da auch kein Patentrezept. Ich denke, die Wissenschaft ist zu sehr auf die Gegenwart fokussiert, das heißt, es gibt immer aktuelle Projekte, die Leute lesen nur, was in den letzten 5 Jahren publiziert worden ist. Das wird nicht funktionieren. Eine Idee, die man verfolgen könnte, wäre, dass man begabten Leuten, die sich wirklich für die Natur interessieren, ein sicheres Auskommen als eine Art Forschungsmönch gibt. Man kann bescheiden leben und forschen, es wird an nichts fehlen, es wird keinen Luxus geben, mach mal. Auf dieser Basis sind einige tolle Ideen in der Wissenschaftsgeschichte entstanden.

Das wäre so eine Art Akademie?

Alexander Unzicker: Ja, ohne zu viel zu evaluieren und zu hohen Output oder zu viele Berichte zu verlangen. Das ist nur Sand im Getriebe der Wissenschaft. Wissenschaftler sind so viel mit Bürokratie beschäftigt, mit dem Schreiben von Anträgen und Gutachten, mit Diskussionen über die Veröffentlichung. Das hat alles nichts mit echter Erkenntnis zu mehr zu tun. Und wir brauchen eine offene Geisteshaltung, wir müssen toleranter sein. Das gilt für einige Gebiete der Gesellschaft andere Meinungen, andere Wege als zumindest mal verfolgenswert zu akzeptieren. Es gibt so viele ideologische Gemeinden in vielen Wissenschaftsgebieten. Da dürfen die falschen Fragen nicht gestellt werden. Das höre ich immer wieder. Spaßeshalber sagte jemand mal: „Der hat seine Karriere ruiniert. Er wollte die Quantenmechanik verstehen.“

Und jetzt sagen Sie uns noch zum Abschluss: Was wäre eine der wirklich großen Fragen in der Physik, wo es wichtig wäre, ihr nachzugehen und sie zu beantworten?

Alexander Unzicker: Wenn ich jetzt mein Steckenpferd der Naturkonstanten nenne, werden Ihre Leser vielleicht lächeln und sagen: Ja, aber ist es wirklich wichtig herauszukriegen, warum die Gravitationskonstante so groß ist, wie sie ist? Aber ich denke, unsere Zivilisation entwickelt sich nur dann weiter, wenn wir wirklich echte Fortschritte machen in diesen Fragen. Das hat die Geschichte auch immer gezeigt. Warum ist die Gravitationskonstante so groß? Warum ist die Feinstrukturkonstante so groß? Wie hängen Gravitation und Quantentheorie zusammen? Das wird uns als Menschheit letztlich zu neuen Horizonten führen, aber nicht, wenn wir irgendetwas perfektionieren oder so weiterwursteln wie bisher.

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

 

Ähnliche Beiträge:

2 Kommentare

  1. Würde mich interessieren, mit WEM …..

    a)aus der „etablierten“ (theoretischen) Physik oder
    b)aus der historischen Naturphilosophie oder philosophischen Metaphysik oder wissenschaftlichen Erkenntnistheorie
    c) aus der aktuellen Naturphilosophie oder aktuellen philosophischen Metaphysik oder aktuellen philosophischen oder aktuellen „(natur- wissenschaftlichen) Wissenschaftstheorie ……

    Herr Unzicker seine Thesen nacheinander oder gleichzeitig am liebsten oder am „dringendsten“ diskutieren möchte. (Bzw. diskutieren können möchte).

  2. Alexander Unzicker kann sich nicht damit abfinden, dass die Wissenschaft der Physik quasi ausgereizt ist. Mir wurde das kurz vor dem Diplom 1973 klar. Natürlich kann man sich besonders schwierige Fragen stellen, die nicht beantwortet sind. Z.B. Wie können wir Quantentheorie und Relativitätstheorie vereinigen. Versuche dazu hat es genug gegeben.

    Man kann aber auch so denken, dass sie nicht zu vereinigen sind; denn die Relativitätstheorie betrachtet alle Größen kontinuierlich. Die Quantenphysik betrachtet so kleine Objekte, wo das nicht mehr gilt. Im großen Bereich ist Kontinuität ein gutes Modell, im kleinen Bereich sind die Größen gequantelt. Das zusammenzuführen ist Illusion oder Krampf, es ist keine fruchtbare Fragestellung.

    Auch die Frage der Naturkonstanten ist kein echtes Problem. Selbst in der Mathematik gibt es Konstanten wie die Zahlen e und pi. Die kann auch niemand erklären, sie bestehen einfach, es genügt, dass man sie berechnen kann.

    Dann die Frage nach dem Zufall. Es ist verkehrt, zu fragen, warum ein Zufall so ist. Die Frage warum gilt für Zufallsprozesse nicht. Es gibt kein warum. Und der Zufall ist nicht erst in der Welt, seit es Quantenmechanik gibt.

    Nur die Physiker haben ihn nicht gebraucht, um ihre Beobachtungen zu erklären. Wenn sie ihn aber brauchen beim Zerfall von radioaktiven Teilchen, dann ist das eben was Neues für die Phasiker. Wenn Einstein etwas nicht wahrhaben wollte, bedeutet das nicht, dass da ein echtes Problem ist. Jeder hat seine Grenzen. Gott würfelt nicht, aber jedes radioaktive Teilchen zerfällt zufällig. Schon Sokrates hat erkannt, dass Nicht Wissen ein wichtiger Teil der Erkenntnis ist.

    Herr Unzicker ist deswegen bekannt, weil er so schreibt und Redet, als könnte und würde er die Grenzen ins Unbekannte hinausschieben, aber es kommt dabei nichts heraus.

    Wir müssen einsehen, dass die große Wissenschaft der Physik fast alles, was sie hervorbringen kann, schon gebracht hat, sogar schon etwas zu viel. Die Atombombe hätten wir nicht gebraucht. Auch die Stringtheorie brauchen wir nicht und die Legende vom Urknall und die Hintergrundstrahlung und und und.

    Es ist nicht auszuschließen, dass irgendjemand noch etwas entdeckt und ein paar mathematische Lösungen auftauchen. Aber mit der großen Physik ist es vor ging es vor 70 oder 50 Jahren zu Ende. Danach kam die gigantomanische Physik, die Herr Unzicker zu Recht kritisiert.

    Es ist heute wichtiger, das, was Physiker wissen, der Welt zu vermitteln. Zum Beispiel, dass es mit der globalen Energieerzeugung so nicht weiter gehen kann. Das war auch 1980 schon deutlich und es ist bisher immer noch nicht ins öffentliche Bewusstsein gedrungen, so dass Politikerinnen danach handeln. Angela Merkel hat ihre Chance gehabt.

    Rob Kenius, Dipl.-Phys. und freier Autor
    https://kritlit.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert