Milliardäre drängen in den Weltraum

New Shepard von Blue Origin hebt ab. Bild: Blue Origin

Als zweiter ist nach Branson Jeff Bezos für ein paar Minuten Schwerelosigkeit hochgegangen. Die privatwirtschaftliche „Straße in den Weltraum“ hinterlässt womöglich klimatisch verbrannte Erde.

 

Die Milliardäre, die in das Weltraumgeschäft mit Satelliten, Raketen und Raumfahrzeugen eingestiegen sind, beginnen ihre pubertär erscheinende Konkurrenz um den besten und lukrativsten Start im Weltraumtourismus just in einer Zeit, in der die Folgen der weiterhin kaum gebremsten Klimaerwärmung immer deutlicher zunehmen. Ein groteskes Schauspiel, das die wenn auch nur kurze Flucht von der Erde mit deren weiteren Zerstörung verbindet.

Richard Branson hat mit dem Raumschiff VSS Unity von Virgin Galactic am 11. Juli mit einer Höhe von 80 km bestenfalls den Weltraum angekratzt, war aber Jeff Bezos zuvorgekommen, der seinen ersten Flug symbolisch auf den 20. Juli festgelegt hatte, dem 52. Jahrestag der ersten Mondlandung. Auch sein Flug war erfolgreich und erreichte mit der von der Rakete New Shepard von Blue Origin abgelösten Kapsel eine Höhe von etwa 106 km. Manchen erschien die Rakete mit der Kapsel wie ein Penis, den Eindruck konnt man durchaus haben. Nach 11 Minuten war der Flug für Jeff und Mark Bezos, dem 18jährigen Oliver Daemen, dem bislang jüngsten „Astronauten“, und der 82jährigen Wally Funk, der bislang ältesten, vorbei und landete die Kapsel wieder auf der Erde. Ein kurzes Vergnügen mit drei Minuten in der Schwerelosigkeit über der Karman-Linie in Höhe von 100 km über dem Meeresspiegel. Die Karman-Linie trennt theoretisch die Erdatmosphäre vom Weltraum.

Etwas banal hieß es in Wiederholung der ersten Mondlandung, man habe „das Leben verändernde Ansichten der Erde“ erlebt. Natürlich muss es ein historischer Augenblick in der Geschichte der Weltraumfahrt gewesen sein. Man habe die Türe geöffnet, durch die noch viele gehen werden. Blue Origin eröffne „den Weltraum für alle“, wird propagandiert, was ähnlich klingt wie der „amerikanische Traum“, dass jeder Millionär, heute wohl Milliardär,  werden kann. Bezos spielte allerdings das symbolische Ereignis herunter,  Gagarin wäre schließlich als erster Mensch in den Weltraum geflogen.

Vor dem Start. Bild: BlueOrigin

Die Reichen machen in der Privatwirtschaft den ersten Schritt, die anderen könnten irgendwie je nach Vermögen nachkommen, für die meisten wird der Weltraum erst einmal verschlossen bleiben, sollten sie nicht auf einen Kamikaze-Trip zur Besiedlung des Mars teilnehmen. Die Kolonialisierung des Weltraums ist zumindest das weitgesteckte Ziel von Bezos und dem dritten Weltraummilliardär Elon Musk. Der will auch noch dieses Jahr seine Kollegen übertrumpfen und mit SpaceX einen mehrtägigen Weltraumflug anbieten. Am Montag, einen Tag vor Bezos‘ Flug, wurde ein Test mit erst einmal nur drei Triebwerken der neuen Trägerrakete  Booster 3 durchgeführt. Sie wird 70 m lang sein und soll das 50 m lange Raumschiff Starship in den Weltraum bringen, um dann eventuell Missionen zum Mond, Mars oder anderswohin zu fliegen. Space X ist sowieso am weitesten vorne und bringt bereits Astronauten und Nachschub zur Internationalen Weltraumstation (ISS):

Bezos hat angeblich Blue Origin mit dem Ziel gegründet, einmal Weltraumkolonien zu gründen und es zu ermöglichen, wie es bei dem Unternehmen heißt, „dass Millionen von Menschen im Weltraum leben und arbeiten, um der Erde zu dienen. Um die Erde zu erhalten, glaubt Blue Origin bzw. Bezos, dass die Menschheit sich ausdehnen, endecken, neue Energien und materielle Ressourcen finden und Industrien, die die Erde belasten, in den Weltraum bringen muss“. Man baue eine „Straße in den Weltraum“.

Die Kritik liegt natürlich auf der Hand: Warum Milliarden in eine Auswanderung in lebensfeindliche, öde Umgebungen stecken, anstatt die Erde zu erhalten. Man könnte auch denken, dass die reiche Elite sich womöglich absetzen will, wenn es brenzlig auf der Erde wird, oder dass man Menschen aussiedeln will, um weiterhin auf der Erde leben zu können. Hinter den Visionen der Milliardäre steckt aber wohl primär der Antrieb, Profit aus allem zu machen, was mit der Raumfahrt möglich wird. Nachdem die Erde erschlossen ist, wurde der Cyberspace kolonialisiert,  jetzt ist als die letzte Grenze, the last frontier, nur noch die unendlichen Weiten des Weltraums da.

Elon Musk gibt sich aber als Philanthrop wie die anderen Milliardäre: „Wer den Weltraum angreift, realisiert nicht, dass der Weltraum für so viele Menschen eine Hoffnung darstellt.“ Das klingt schon fast wie die Auffahrt zum Himmel und die Wiederauferstehung. Mit SpaceX will Musk aber neben vielen anderen auch Zehntausende von Satelliten in einem Umlaufbahn bringen, um ein globales, lückenloses schnelles Internet zu installieren. Auch dafür werden Tausende von Raketenstarts notwendig sein, die auf der „Straße zum Weltraum“ ihre Abgase hinterlassen.

Landung der New Shepard. Bild: Blue Origin

Ob nun Menschen, Satelliten oder anderes in den Weltraum durch (immerhin wiederverwendbare) Raketen gebracht werden, ist egal, für den Aufstieg müssen Brennstoffe verbrannt werden, was alles andere als grün ist. Blue Engine 3 (BE3) verwendet Treibstoffe aus flüssigem Wasser- und Sauerstoff, VSS Unity ist schon schmutziger mit einem Hybridtreibstoff aus dem gummiartigen auf Kohlenstoff basierendem HTPB (Hydroxyl-terminiertes Polybutadien) und Lachgas. Space X verwendet flüssiges Kerosin und flüssigen Sauerstoff.

Wie Eloise Marais vom University College London schreibt, produzieren die Raketenstarts Treibhausgase und tragen zur Luftverschmutzung bei. Bei BE3 geht es um große Mengen an Wasserdampf, die beiden anderen Raketenantriebe setzen CO2, Ruß und ebenfalls Wasserdampf frei. Das von VSS Unity verwendete Lachgas erzeugt überdies Stickoxide. Zweidrittel der Abgase gehen in die Stratosphäre und in die Mesosphäre, wo sie 2-3 Jahre bleiben. Die hohen Temperaturen beim Start und bei der Landung verwandeln stabilen Stickstoff in der Luft in reaktive Stickoxide. Ein Raketenstart mit vier Passagieren könnte 50-100 Mal so viele Treibhausgase erzeugen als die 1-3 Tonnen, die pro Passagier bei einem Langstreckenflug anfallen. Jetzt schon ist 1 % der Weltbevölkerung für 50 % der CO2-Emissionen der Luftfahrt verantwortlich.

 

Die Auswirkungen können enorm sein, wenn es jährliche hunderte oder gar tausende Raketenstarts geben sollte, wie Marais schreibt: In der Stratosphäre zerstören die Stickoxide und die aus dem Abbau des Wasserdampfs entstehenden Verbindung, die Ozon in Sauerstoff verwandeln, die Ozonschicht: „Wasserdampf kann auch Wolken in der Stratosphäre bilden, die eine Grundlage schafft, dass diese Reaktion schneller als sonst abläuft. CO2-Emissionen und Ruß halten Wärme in der Atmosphäre und tragen zur globalen Klimaerwärmung bei.“ Allerdings könnte Wasserdampf durch Wolkenbildung ebenso wie eine schrumpfende Ozonschicht auch zur Abkühlung beitragen. Eine in den Geophysical Research Letters erschienene Studie schätzt, dass allein der durch 1000 Raketenstarts jährlich produzierte Ruß die Oberflächentemperatur den Polen um bis zu einen Grad erwärmt und die Eisfläche um 5-15 % schrumpfen lässt.

Es wäre jetzt höchste Zeit, die Raumfahrt, die nicht nur wegen des anlaufenden Weltraumtourismus, sondern auch durch die Militarisierung des Weltraums vor einer rasanten Expansion steht, zu regulieren und in die Klimaverhandlungen einzubeziehen. Die angebliche Freiheit im Weltraum oder die Sicherung der nationalen Interessen im Weltraum tragen zur Klimaerwärmung bei, heizen das Klima auf und arbeiten, wenn es so weitergeht, dann tatsächlich daran, dass die Menschheit auf der „Straße zum Weltraum“ in die Öde des Weltraums auswandern oder sich auf der Erde in künstliche und weitgehend autonome Biosphären einschließen muss.

Dabei könnte der schnell wachsende Weltraumschrott im Low Earth Orbit (LEO) dafür sorgen, dass Weltraumflüge riskanter werden. Nach Berechnungen von britischen Wissenschaftlern verändert sich aber auch ohne Tausende von Weltraumstarts bereits jetzt die Luftdichte in der LEO-Zone durch die CO2-Emissionen, was den Effekt hat, dass Satelliten länger im Orbit bleiben, aber auch der Weltraumschrott.

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