Milliardärsträume: Verjüngung durch Reprogrammierung der Zellen

Lucas Cranach d. Ä.: Der Jungbrunnen, 1546, Gemäldegalerie, Berlin. Bild: gemeinfrei

In Kalifornien – wo sonst? – wurde ein Start-up gegründet, um das Altern zu besiegen. Die Investitionen fließen, um der Wetware die Schmach der Endlichkeit auszutreiben.

In Kalifornien, im Silicon Valley, hat sich das Start-up Altos Labs einquartiert, um den Traum der Transhumanisten, dem auch die superreichen Chefs der IT-Konzerne als Vertreter der „kalifornischen Ideologie“ gerne anhängen, zur Realität zu verhelfen. Mit viel Geld etwa von Yuli Milner oder angeblich von Jeff Bezos, der in die Weltraumfahrt ebenso investiert wie in Computer-Gehirn-Schnittstellen oder in die Entwicklung von Tesla Bots,  sollen die besten Wissenschaftler mit hohen Gehältern und der Möglichkeit zur freien Forschung angelockt werden, um das Altern zu besiegen. 270 Millionen US-Dollar sollen an Investitionen bereits angelockt worden sein.  Institute sollen in der Bay Area, in San Diego, Cambridge, Großbritannien und Japan gegründet werden. Unbescheidenheit scheint ein Markenzeichen zu sein.

Wer sich als Avantgarde der Menschheit wähnt, meint oft auch, er oder sie sei unverzichtbar für die Menschheit. Man will jedenfalls gerne möglichst lange mit den Milliarden leben, die man eingeheimst hat, vielleicht gar dem Sterben ein Schnippchen schlagen. Dafür steht Altos Labs, das irgendwie das Leben umprogrammieren will.

Neu ist die Idee eigentlich nicht, es gibt bereits einige Firmen, die auf den Hype der Zellverjüngung setzen, nicht altern zu wollen. Reprogrammierung ist die technischere Variante der Frischzellentherapie, des Versuchs, eine Verjüngung durch Zuführung von jungem Blutplasma zu bewirken, oder etwa der Hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO). 2013 hat Google-Mitbegründer Larry Page Calico Labs für die Anti-Ageing-Forschung auf den Weg gebracht. Dort wird auch an der  Reprogrammierung gearbeitet, ohne große Fortschritte gemacht zu haben. Länger Leben ist auch im Programm des Pentagon, das ansonsten eigentlich schnellstmögliche und effektive Letalität anstrebt: Pentagon setzt auf angebliche Anti-Ageing-Pille

Reprogrammieren ist eine Technik, Zellen zu verjüngen, was ein Schritt zum längeren Leben und vielleicht zur Unsterblichkeit wäre: Jeff Bezos forever! Welch Glück für die Menschheit, vor allem für die 99 Prozent, die wahrscheinlich nicht das Geld haben, um sich verjüngen zu lassen, sollte dies mehr als ein bloßer Wunschtraum sein. Vorbild ist die Reproduktion, aber da geschieht dies eben als Fortpflanzung, nicht als Verjüngung eines alten Körpers.

MIT Technology Review berichtet, die Idee von Altos Labs sei keine gezielte Forschung, man will das reichlich vorhandene Geld der Superreichen in „große Wissenschaft“ stecken, also in eine Art experimenteller Grundlagenwissenschaft oder freie Forschung, die einfach mal schaut, was möglich sein könnte. Das will man mit der Elite der Wissenschaftler, weil das etwas eher Erfolg verspricht, als wenn man Spinner und Tüftler ranlässt.

Gewonnen wurde etwa der Stammzellenforscher Shinya Yamanaka, 2012 Nobelpreisträger, der gezeigt hat, dass erwachsene Zellen mit vier Transkriptionsproteinen (Yamanaka-Faktoren)  zu pluripotenten Zellen (induzierte pluripotente Stammzellen – iPS) umprogrammiert werden können. Juan Carlos Izpisúa Belmonte vom Salk Institute, der auch zu Altos gehen soll, hat mit der Methode lebendige Mäuse reprogrammiert, deren Zellen Zeichen von Verjüngung gezeigt, aber auch Krebs entwickelt haben.

Manuel Serrano, der früher am IRB (Institute for Research in Biomedicine) in Barcelona über Altern und Metabolismus forschte, zog es zu Altos, weil ihm dort das Vielfache seines Gehalts geboten wurde. Das Ziel der Firma sei nicht in erster Linie, Gewinne zu erzielen, glaubt er: „Das Ziel ist, Verjüngung zu verstehen.“ Die Forschung werde von der Neugier gesteuert, wahrscheinlich aber nur in den Anfängen, um Forscher anzulocken.

Die Reichen hätten gerne eine Technik, um individuell dem Altern ein Schnippchen zu schlagen. Aber was würde aus einer Gesellschaft werden, wenn Menschen 200 oder 300 Jahre leben könnten? Würde der Bevölkerungszuwachs weiter explodieren, was die natürlichen Ressourcen noch schneller an ihr Ende kommen ließe? Würde mit der Herrschaft der Alten, siehe Afghanistan,  Innovation erstickt werden? Was geschieht mit den Kindern, die nie erwachsen werden, weil ihre Eltern einfach weiterleben? Wie könnte garantiert werden, dass von der Reprogrammierung nicht nur die Reichen profitieren? Und was ist eigentlich philosophisch die Folge, wenn der Tod immer weiter aufgeschoben oder gar abgeschafft werden kann? Wenn die Endlichkeit bzw. Irreversibilität kein Schicksal mehr ist, sondern die Menschen in den Olymp einziehen? Für die Religionen würde es das Ende bedeuten, wenn das Jenseits im Diesseits verschwindet.

Aber die Anzeichen sprechen dafür, dass es mit der Lebenserwartung nicht mehr weiter nach oben geht, wovon wir seit mehr als 100 Jahren stillschweigend ausgehen. Gerade in den USA scheint – biologisch oder sozial – ein Gipfel überschritten worden zu sein: Jüngere Generationen sind kränker als ihre Eltern und Großeltern. Wären die Superreichen Philanthropen, wofür sie sich auch gerne mal ausgeben, könnten sie auch dafür sorgen, die Kluft an Lebenserwartung zwischen den Reichen und Armen, die 20 Jahre betragen kann, endlich minimiert wird – aber davon hätten sie natürlich nichts.

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