Statistische Analysen zum Ende des Lockdowns

Sars-CoV-2-Viren. Bild: NIAID

Modellrechnungen zur Corona-Pandemie

Neben der aktuellen Diskussion um das Ende des Lockdowns wird in diesem Aufsatz allein über statistische Methoden ein mögliches Lockdown-Ende bestimmt – losgelöst von allen politischen und gesellschaftlichen Fragen.

Die Abbildung zeigt die Summe der Corona-Infizierten in Deutschland seit Beginn der Pandemie in Form zweier Gompertz-Modelle für die erste und zweite Welle. Dieser Ansatz besteht aus einer doppelt-exponentiellen Funktion und ist somit stark nichtlinear und bildet das tatsächliche Infektionsgeschehen sehr gut ab.

Abbildung 1: Geschätzte Gompertz-Modelle für die Summe der Infizierten

In der Grafik sind sinnvolle Zeitpunkte für den Anfang und das Ende des Lockdowns mit A und E bezeichnet und der Wendepunkt mit W. In jeder Welle sind vier Phasen zu beobachten, die für die zweite Welle ebenfalls in der Abbildung eingetragen sind.

In Phase 1 gibt es zunächst ein relativ langsames Anwachsen. Dann erfolgt in Phase 2 eine stark exponentielle Beschleunigung der Fallzahlen bis zum Wendepunkt. Dieser Wendepunkt entspricht dem Maximum in der Kurve der täglichen Neuinfizierten. In Phase 3 schwächt sich der Zuwachs ab, um sich schließlich in der vierten Phase nur noch gering zu vergrößern. Die vierte Phase der ersten Welle geht unmittelbar in die erste Phase der zweiten Welle über.

Grafisch ist ein guter Zeitpunkt für das Ende des Lockdowns beim Übergang von der dritten in die vierte Phase der Kurve oder kurz danach, das heißt wenn die Wachstumsrate sich deutlich verkleinert. Entsprechendes gilt für den Beginn eines Lockdowns, der vor dem Übergang von der ersten zur zweiten Phase oder etwas später gewählt werden sollte.

In zwei japanischen Studien sind interessante Analysen für mehrere Länder durchgeführt worden. Wir haben diesen Ansatz für Deutschland modifiziert und in der ersten Welle den Ausstiegszeitpunkt um den 6. Mai 2020 ziemlich exakt bestätigen können. Für die zweite Welle würde sich etwa Mitte Februar mit dieser Methode ergeben.

Wenn man allerdings als wichtigstes Kriterium eine deutschlandweite 7-Tage-Inzidenz von 50 zugrunde legt, müsste man wie unten begründet wird, noch bis Mitte März warten.

Für die in der Tabelle angegebenen Inzidenzwerte der Kalenderwochen 6 bis 13 werden die Schätzungen des abgebildeten zweiten Gompertz-Modells verwendet, das auf Basis der Messwerte seit Anfang August berechnet worden ist. Diese Werte sind etwas höher als die aktuellen empirischen Fallzahlen, insbesondere weil die durchschnittliche Testzahl von Anfang Oktober bis Ende Dezember etwa 1 360 000 beträgt, während sie im Mittel im Januar auf 1 120 000 abgefallen ist. Somit sind die Modellwerte für die Prognosen im Februar und März entsprechend anzupassen.

Tabelle 1: Prognose der 7-Tage-Inzidenzwerte

Wie aus der Tabelle hervorgeht, nehmen die Inzidenzen bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen in den kommende Wochen langsam, aber stetig ab. So ergeben sich ab Mitte März erstmals Inzidenzwerte von 50 und darunter. Wenn man das zur Zeit bevorzugte Ziel einer deutschlandweiten Inzidenz von 50 anstrebt, sollte man den Lockdown zunächst bis Ende Februar aufrecht erhalten mit einer Option für zwei weitere Wochen.

Eine mögliche Veränderung der Rahmenbedingungen könnte allerdings viel schlimmere Folgen haben, wenn sich nämlich die wesentlich ansteckendere Virusmutation B.1.1.7, deren Anteil Anfang Februar bei 6% liegt, stärker ausbreiten würde. Sollte die Mutation dominant werden, müsste sich die Zahl der Infizierten klar erhöhen. Um diese Unsicherheit zu verringern, ist es ebenfalls sinnvoll, den Lockdown um zwei bis vier Wochen fortzusetzen.

Wie man aus der Abbildung erkennt, ist das Ausmaß der zweiten Welle um ein Vielfaches höher als bei der ersten. So werden im Mai 2021 die Summe der Infizierten über drei Millionen und die Todesfälle über 100 000 betragen. Letzteres haben wir ebenfalls über ein Gompertz-Modell abgeschätzt.

 

Über die Autoren

Prof. Dr. Walter Mohr

Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, Lehr- und Forschungstätigkeiten an Fachhochschulen und Universitäten mit über 50 Veröffentlichungen, insbesondere in den Bereichen Zeitreihenanalyse und Wirtschafts- und Wahlprognosen sowie medizinischen Qualitätsuntersuchungen (eHealth).

Dr. Frank W. Püschel

Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, Lehrtätigkeiten im Hochschulbereich, Forschungsschwerpunkt auf den Gebieten der Zeitreihenanalyse und Wirtschaftsprognosen. Aktuell tätig in der Geschäftsführung eines Medizinprodukteherstellers.

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