Warum sind bewaffnete Hunderoboter bedrohlicher als Kampfdrohnen?

SPUR, der bewaffnete Roboterhund. Bild: Ghost Robotics

Aufmerksamkeit fand gerade ein Bodenkampfroboter auf vier Beinen mit einem Gewehr. Während Kampfdrohnen schon längst im Einsatz sind, gab es bislang eine merkwürdige Zurückhaltung bei Bodenkampfrobotern.

Ein Highlight auf der diesjährigen AUSA 2021, der Messe und Konferenz der Association of the United States Army, war ein Kampfroboter, genannt Special Purpose Unmanned Rifle (SPUR). Das ist ein wenig verwirrend, aber man kann einen Kampfroboter auch als „unbemanntes Gewehr“ verstehen, das aus der Ferne bedient wird.

Die Waffe ist ein 6.5mm Creedmoor-Gewehr von  SWORD ( hat nichts mit SWORDS zu tun – Special Weapons Observation Reconnaissance Detection System), das auf dem vierbeinigen Roboterhund Vision 60 von Ghost Robotics, ausgestattet mit einer optischen und Wärmekamera, montiert ist und eine Reichweite von 1200 Metern hat. Kampfroboter gibt es viele, und sie sind schon lange im Einsatz in Form von Kampfdrohnen. Warum findet nun ein Prototyp eines Bodenkampfroboters große Aufmerksamkeit?

SWORDS liefert dazu einen Hinweis. Der Roboterhersteller Foster-Miller, der zum britischen Rüstungskonzern Qinetiq gehört, hatte zum Beginn des Irak-Kriegs erste Kampfroboter des Typs SWORDS mit Maschinengewehren oder Granatwerfern auf der Basis der Talon-Roboter entwickelt, von denen es ab 2004 hieß, sie würden im Irak eingesetzt werden. Unbewaffnete Talon-Roboter waren bereits seit 2000 im Einsatz und dienten zur Erkundung und zur Entschärfung von Straßenbomben. Aber wenn man schon Kampfdrohnen so im Sinne des Militärs erfolgreich für gezieltes Töten verwenden kann, warum dann auch nicht Kampfroboter (unmanned ground vehicles) am Boden? Von wo aus man ferngesteuert tötet, ob von der Luft oder vom Boden, sollte ja eigentlich egal sein.

Es dauerte bis 2007, bis tatsächlich gerade einmal drei der Kampfroboter in den Irak kamen. Man war zögerlich, mit den SWORDS eines neues Kapitel der Waffentechnik als erstes aufzuschlagen, aber es gab auch technische Probleme beim Steuern der Talon-Roboter. Daher wurden die SWORDS verbessert, Sicherheitsprozeduren eingeführt, bevor gefeuert werden kann, und ein Selbstzerstörungsmechanismus eingebaut, falls sie durchdrehen sollten und die eigenen Soldaten gefährden.

Aber alles half nichts. Ziemlich schnell schickte man die Roboter vor jedem Kampfeinsatz wieder zurück, ohne dies weiter bekannt zu geben. Offenbar  gab es Probleme mit dem aufgesetzten Maschinengewehr, das mit Rückstoß beim Schießen wild um sich feuerte. Bevor etwas passierte, wollte man kein großes Aufsehen mehr erregen.

In der Zwischenzeit wurden einige unbemannte Fahrzeuge und Panzer mit Waffen entwickelt, aber im Unterschied zu Kampfdrohnen wurden sie noch nicht wirklich in Kampfsituationen verwendet. Die russische Armee soll einen unbemannten Kampfpanzer Uran-9 in Syrien mit einem unglücklichen Ergebnis getestet haben.

Vision 60, der Roboterhund, erinnert auch in seinen Bewegungen an ein Tier. Bild: DoD

Warum hat jetzt wieder der SPUR-Roboter als UGV so großes Aufsehen gefunden? Es könnte auch daran liegen, dass das Robotergewehr eben doch eher wie ein Roboterhund mit einem Gewehr anmutet. Er ist nicht mit Rädern oder Ketten unterwegs, sondern eben mit vier Bienen und sieht deswegen einem Tier oder Lebewesen ähnlich. Vielleicht unterstellt man bei der Ansicht eines Roboters, der einem Tier ähnelt, dass er nicht nur ferngesteuert ist, sondern einen eigenen Antrieb hat und auf die Umgebung reagiert? Tatsächlich wird die Ähnlichkeit mit einem Tier nicht nur durch die vier Beine beschworen, mit denen sich der Roboter auch im unwegsamen Gelände und auf Treppen bewegen, sondern sich nach einem Sturz auch wieder aufrichten kann, man könnte auch vorne ein Gesicht und hinten einen Schwanz sehen. Menschen projizieren bekanntlich schnell. Nicht  nur in SF-Geschichten können Hunderoboter wie Hunde auch aus der Kontrolle der Menschen geraten und angreifen.

SPUR ließe sich auch autonom betreiben, er könnte nach Zielen Ausschau halten, diese verfolgen und schließlich töten. Noch darf beim US-Militär nach der Doktrin kein System autonom feuern, aber andere Militärs, Kriminelle oder Terroristen werden sich wohl nicht an solche Sperren halten, die sowieso nur vorübergehend sein werden. Ghost Robotics beteuert, SPUR habe keine autonomen Funktionen, allerdings erfordert bei einem vierbeinigen Roboter schon die Fortbewegung autonome Stuerungen, wenn sie sich in unwegsamen Gelände bewegen oder eine Treppe erklimmen. Da reicht nicht wie Robotern auf vier Rädern das Lenken aus, weil auch die Gelenke unterschiedlich bewegt werden müssen, wenn SPUR über ein Hindernis steigt.

„Killerroboter“ auf dem Boden werden wohl auch deswegen als moralisch verwerflicher und mehr Angst erzeugender betrachtet, weil sie dem Opfer näher sind und ihnen eher „in Augenhöhe“ gegenüberstehen, auch wenn sie für die Bediener Fernwaffen sind. Aus der Perspektive der Opfer gesehen, sind tierähnliche Bodenkampfroboter näher und eine Art Gegenüber. Kampfdrohnen, Bomber, Kampfflugzeuge und Raketen agieren nicht auf der gleichen Ebene wie ihre Ziele auf dem Boden, es gibt eine größere Distanz und damit eine größere Gleich-Gültigkeit gegenüber denen, die beschossen, verletzt oder getötet werden. Der Gegner in einem asymmetrischen Krieg hat keine oder kaum eine Chance zurückzuschlagen, die Bediener sind abgeschirmt von den Opfern und mitunter Tausende von Kilometern entfernt. Das macht, dass der Drohnenkrieg ohne großen Widerstand geführt werden kann und vielleicht noch als sauberer Krieg wahrgenommen wird.

Der Unterschied lässt sich plastisch anhand einer Atombombe und einem Massaker mit Schusswaffen oder durch einen Selbstmordattentäter anschaulich machen.  Die Piloten, die die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen haben, machten dies in zehntausend Meter Höhe, weit entfernt von den Städten und ihren Bewohnern. Sie wussten um die Zerstörung, aber nahmen sie nicht konkret wahr – und empfanden auch nie Reue für das größte Massaker der Menschheitsgeschichte und unendlich viel Leid für die Überlebenden  verantwortlich zu sein. Sie wurden auch nicht als Ausgeburt des Bösen, als Ausdruck der „Banalität des Bösen“, gesehen. Dagegen gelten Menschen, die gezielt anderen Menschen töten wie bei den Terroranschlägen 2015 in Paris, bei denen von 9/11, beim Bogenschützen in Norwegen oder Schulmassakern von Einzelnen.

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Ein Kommentar

  1. wenn du eine Million Menschen tötest, bist du ein Held, tötest du einen, bist du ein Mörder!
    Tja !
    Und wenn du die Anweisung dazu gibst, bist du ein Politiker !
    Und wenn du nur die Notwendigkeit erklärst, bist du ein Investor !

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